Meine Lieben.
Ihr kennt mich bestimmt noch. Ich war lange nicht mehr sehr aktiv. Oder überhaupt nicht.
War zwei Jahre mit einem schizoiden Partner zusammen. Die Beziehung hat mir nicht gut getan. Es gab immer ein Hin und Her wegen Trennung. Dann doch nicht. Dann doch wieder. Jetzt bin ich ausgezogen. Die Beziehung ist vorbei und ich fühle mich zwar schlecht, aber ich bin erleichtert. Sie hat mich belastet, runtergezogen, kaputt gemacht.
Ich sitze jetzt in meiner neuen Wohnung.
Ich bin froh. Wirklich, ich bin froh. Neben mir schnarcht mein Mops. Ich habe viele nette Leute kennengelernt. Will mehr rausgehen, mehr unternehmen.
Ich will all das umsetzen, was mir zu einem glücklichen Leben fehlt: Reisen. Die Welt kennenlernen. Neue, spannende Orte entdecken, Dinge erleben, viele neue Menschen kennenlernen. Ich möchte auch irgendwann eine gesunde, gute Beziehung führen. Kinder haben. Alles aus- und erleben, was mir wichtig ist.
Und ich bin froh, ich kann mich vielleicht selbst verwirklichen.
Nun frage ich mich aber, was will ich denn vom Leben?
Sitze ich hier in meiner leeren Wohnung, ohne Möbel- ich bin 26 Jahre alt und fühle mich wie 15.
Ich bekomme Angst, wenn ich daran denke, dass es gar nicht mehr so weit hin ist, bis ich dreißig bin. Und wenn ich noch Kinder will und vorher ein paar Jahre, also genug Zeit mit dem richtigen Partner verbringen möchte, um die Zweisamkeit zu genießen... dann bleibt mir nicht mehr viel Zeit. Ich möchte jetzt natürlich allein sein. Erst mal das Singleleben genießen, zu mir selbst finden, mich persönlich weiter entwickeln. Aber die Zeit läuft mir doch davon. Ja, das denke ich!
Ich weiß nicht, wer ich bin. Ich weiß nur, wer ich sein will.
Ich wünsche mir den Kontakt zu vielen netten Menschen. Ich wünsche mir soziale Kompetenz, interessante Erlebnisse und Geschichten, Weltoffenheit, Familiensinn, Liebe, Verständnis, Leidenschaft. Leben. Alles. Genießen.
Aber wer bin ich denn?
HIer sitzt nur eine naive, unsichere Frau, ein Tollpatsch und Trottel, der in jedes Fettnäpfchen tritt, das sich ihm bietet.
Ich fühle mich so unreif. Mit 26!
Ich will mich selbst finden. Mit 26! Da sollte die Selbstfindungsphase lange abgeschlossen sein.
Ich fühle mich, als hätte ich meine Zeit nur verträumt und verschwendet. Ich habe Angst, irgendwann aufzuwachen, wenn ich 50 bin und zu denken:" Kacke. Jetzt hast du dein Leben verschwendet".
Ich war immer eher ein bequemer Mensch. Mag es, auf der Couch zu sein. Serien gucken. Lesen. Schlafen, sehr viel schlafen. Faulenzen. Und das mag ich immer noch.
Nur jetzt kommt langsam der Drang nach mehr hoch. JETZT ERST.
Ich will doch erleben und mich des Lebens freuen.
Mit allem, was dazu gehört.
Dann fange ich jetzt damit an? Besser spät als nie.
Ich sehe aber auch meine Persönlichkeit. Und ich hasse sie. Und ich sehe all meine Fehler und frage mich: Mist. Warum bin ich so? Bin ich das?
Eine meiner größten Ängste ist die Angst, dumm zu sein.
Ich wäre doch so gern ein intelligenter, eloquenter, kreativer und besonderer Mensch. Wirklich. Das wünsche ich mir. Aber all das bin ich nicht.
Ich bin weltfremd und tollpatschig. Mir passieren immer die komischten Sachen.
Ich glaube, andere Menschen sehen mich gar nicht so negativ. Aber sie sehen schon, dass ich ganz besonders chaotisch bin- äußerlich wie innerlich. Ich weiß nicht, woran das liegt oder wie ich das ändern kann. Ich wäre gerne klug. Ich würde gern viel wissen und lernen. Das tue ich zu Hause schon immer- ich lese viel und so. Aber... ich komme nicht vom Fleck. Und es gibt so viele Dinge, an denen ich arbeiten will. Ich überfordere mich damit selbst. Ich muss gegen so viele Dinge ankämpfen, gegen meine Antriebslosigkeit, die manchmal echt extrem ist. Ich will meine Allgemeinbildung verbessern, meine Denkfähigkeit, meine sozialen Kompetenzen.
Ich bin langweilig. Still. Und ganz und gar unaufregend.
Ich will aber anders sein. In mir brennt ein anderer Wunsch, ein ganz anderes Bild von mir. Wie es sein KÖNNTE: DIESE Person will ich werden.
Wie kann ich das schaffen? Ich fühle mich etwas verloren in diesem großen weiten Leben.
Dabei bin ich gar nicht traurig. Ich bin schon lange sehr motiviert. Aber ich weiß nicht, ob es nicht vergebens ist.