sich selbst verzeihen

  • Hey Leute,

    bei mir momentan ein sehr aktuelles Thema. Gerade, weil ich wieder in engen Kontakt zu Menschen trete, in einer ähnlichen Situation wie damals, als ich noch richtig süchtig war. Da wird die Situation angetriggert. Mir hängt von dieser Zeit am meisten nach, dass ich damals ständig einen bestimmten Personenkreis, auf den ich nicht verzichten konnte/wollte gleichzeitig von mir weggestoßen habe. Es war klar, dass ich derbe Probleme hatte, sichtlich erkennbar, auch körperlich und man hat sich sehr viel um mich gesorgt. Ich wollte Teil der Personen sein, aber meine Probleme raus lassen - das ging natürlich absolut schief. Oft bin ich ausgerastet, wenn man mich auf Sachen angesprochen hat und ich habe viel geleugnet auch wenn ich auf Todes Schippe stand. Ich kann gar nicht zählen, wie oft ich damals auf der Intensiv war und zwar sagen musste, dass ich nicht da bin, da im Krankenhaus, aber nicht sagen wollte, warum, o. ä. und mich selbst entlassen habe, so getan habe, als wenn nichts wäre, dann vor den Leuten zusammengebrochen bin usw. Was insgesamt verwirrend für die war, totale Doppelbotschaften, weil ich manchmal auch ganz umgänglich war und gleichzeitg kein Rankommen an mich, aber eben auch kein Entfernen. Das ging fast drei Jahre lang.

    Es tut mir so leid, im Nachhinein. Die Leute haben mich wirklich gemocht und ich sie. Ich hätte mich zurückziehen müssen, denn letztlich war es sicher schlimmer, sie nicht reinziehen zu wollen - und es auf eine ohnmächtige, hilflose Art dann doch zu tun. Die haben regelrechte Konferenzen wg. mir abgehalten, weil sie nicht mehr wussten, wie sie mit mir umgehen konnten und was mit mir eigentlich nicht stimmte. Ich kann mich in dieser Zeit wirklich nicht leiden. Da ich schon lange keinen Kontakt zu denen hatte und sich der Personenkreis aufgelöst hat, ist es nicht mehr wirklich möglich, meinen Frieden direkt zu schließen. Ich denke auch nicht, dass sie noch so arg dran hängen, es wäre also nur für mich.
    Die Frage ist daher, wie verzeiht man sich sowas selbst? Ich habe das getan, was ich mit am meisten verachte: Menschen, die mir viel bedeuteten zu zwingen zu zuschauschen, sie mussten mit mir leben, mit mir arbeiten und diese heftige Abwehr meinerseits immer wieder in den normalen Kontakt einbauen. Manchmal haben sie mich angeschrien, manchmal haben sie geweint. Ich habe deswegen nicht mit meinem Verhalten aufgehört, Teil ihrer Leben zu sein. Lange - aus Egoismus, muss man leider klar sagen.

    Bestimmt hat der ein oder andere ähnliches erlebt, vielleicht sogar mit viel näher stehenden Personen. Vielleicht ist jemand auch schon soweit, dass er sowas loslassen konnte. Wie ging das?

  • Puh... Wohl eins der schwierigsten Themen mit der Auseindersetzung mit sich selbst. :kissing_face:
    Ein wenig kenn ich solches Verhalten, wenn aber nicht so extrem wie bei dir. Andere Abstoßen, sie nicht involvieren wollen und schützen wollen. Mit sich selbst ausmachen wollen und und und...
    Und mir gehts teilweise immer noch so, dass ich mir da schwer tue, grad wenn ich wieder in der alten Heimat bin und dort Menschen sehe von früher.
    Aber hast du schon mal versucht den Blickwinkel der anderen einzunehmen? Ich mein, auf Dauer kann sich solch Verhalten kaum einer antun. Wahrscheinlich war es "normal", dass es so kam und alles auseinander ging. Aber war das in dem Moment schlecht für dich? Oder hast du nach der schmerzlichen Erfahrung gelernt etwas zu ändern?
    Mit solchen Brüchen gehen meistens Veränderung einher. So versuche ich mir das immer zu sagen. Menschen kommen und gehen, manche wenige bleiben. Aber kaum einer bleibt für immer. Ich versuche solche Veränderungen dann im Nachhinein als Schritt zur Veränderung und meistens zur positiven zu nehmen, es zu akzeptieren. Ich sage mir, ja, ich war damals scheiße, ich konnte mich kaum leiden und ich habe anderen weh getan und mich scheiße verhalten. Aber habe ich das damals aus Absicht getan oder weil es mir schlecht ging und ich mir nicht anders zu helfen wusste? Ich glaube, es ist wichtig die Umstände auch zu betrachten, die damals bei dir vorherrschten. Wenn du das z.B. nur als Langeweile oder aus purer boshaftigkeit getan hast, ja, dann warst du ein ziemliches Arschloch. :winking_face:
    Es gibt immer Gründe, wieso man so reagiert und auch handelt. Vielleicht kannst du darauf beziehend versuchen verständnis für dich und dein Handeln damals aufzubringen, damit du dir verzeihen kannst?
    Klar wird man es nie ganz los, aber ich denke, wenn man versucht das anzunehmen und zu akzeptieren und annehmen zu können, dass diese Zeit und dieses Verhalten von Teil von einem war und nun die Gegenwart betrachtet, dass man durchaus besser damit umgehen kann und das auch lernt. Ein schlechtes Gewissen wird wahrscheinlich immer ein wenig bleiben, aber auch das wird an dem Vergangenen nichts ändern können.
    Die Frage ist, lohnt es sich an der Vergangenheit zu hängen, die man nicht ändern kann, oder auf jetzt zu schauen und zu versuchen, dass sowas nie wieder vorkommt?

  • bei mir war und ist der Ausgangspunkt eher das Denken und Tun im Rahmen von der sog. "Wiedergutmachung"
    also so empfinde ichs jedenfalls, daß sich dann das "sich selbst verzeihen" eher mitanschließt, hand-in-hand damit geht oder nach und nach hinterherkommt.

    "loslassen" bei der Thematik, hmm, ...bin ich gar nicht so dahinter, das unbedingt loslassen zu wollen.
    Liegt aber vielleicht auch daran, daß beispielsweise mein Sohn und meine Eltern, worauf ich jetzt hauptsächlich "sich selbst verzeihen" und "Wiedergutmachung" beziehe, sich in meiner Nähe befinden, bzw. erreichbar sind, wobei der Wiedergutmachungsprozeß, also da häng ich mir jetzt kein Schild um den Hals, damit die das Lesen können, jedesmal....

    es ist mehr so ein GANZES Denken, ja natürlich manchesmal auch, punktuell konkretes Tun....aber das meiste ist doch gedacht, erdacht und neugedacht, EBEN aus und mit der Vergangenheit heraus....ohne meine Vergangenheit könnte ich das ja gar nicht so denken und tun...
    ergo will ich die Vergangenheit auch nicht irgendwie ausklammern oder abklemmen:-)
    dieses GANZE, damit mein ich z.B. ich sehe ein dreijähriges Kind, oder beobachte es, mit Mutter oder Gleichaltrigen und beobachte eben so, daß ich hätte "besser" sein können früher...im Umgang mit meinem Sohn, Z.B.
    daraus resultiert ja dann nur, daß ich HEUTE explizit und speziell auf meinen Umgang mit ihm achte und achtgebe
    würd ich in nem Kindergarten arbeiten würde ichs aber mit Sicherheit auch dahin projezieren und durch den achtsamen Umgang dann eben mit den fremden Kindern in MEINEM Denken jedenfalls auch wieder einen Teil der sog. "Wiedergutmachung" praktizieren...

    dieses GANZE....das muß bei mir NICHT immer genau diegleiche Person von damals sein

    zu wissen, daß man sich zukünftig nie mehr so verhalten will, wie man es, und logisch, daß seh ich auch so, aufgrund der Umstände und Situationen damals getan hat....und das schreibst du ja, du ziehst ja eine Erkenntnis daraus...das ist für mich schon teil des sich selbst Verzeihens.
    Buße tun und jedem einen Brief schreiben, davon halte ich in diesem meinem Falle nun nichts.
    klar, Unterschied, deine Leute von damals sind nicht greifbar....aber weißt DU, was sie nicht vielleicht aus der Situation mit dir damals gelernt haben für sich, ihre Angehörigen und Kinder???...eben für ihren Blick auf die Dinge.

    wie gesagt, bei mir ist es nicht so definitiv die Ausgangsbasis "ich war SO böse und gemein, kann ich mir das je verzeihen?"....es gibt auch niemanden bei mir, der sich wegen mir und meinem SuchtVerhalten beispielsweise erhängt hat (also das ist jetzt mein Denken, damit will ich ausdrücken, deshalb denke ich nicht sooo stark in diesem ich-muß-mir-verzeihen-Modus nach
    ...und selbst dann ist es noch die Frage....weil der andere eine eigenständige Person ist.
    natürlich hab ich verletzt, enttäuscht, beschämt und gestohlen....egoistisch??...wenn ich süchtig bin, kann ich mir solche Bezeichnungen doch gar nicht zuschreiben, emphatisch....gefühlvoll...traurig....freudig....Drogen kennen so sowas nicht und wenn ich süchtig bin, bin ich egoistisch per se, das liegt in der Natur der Droge.
    Selbst ICH!!! wo ich doch immer versucht habe, nicht so egoistisch zu sein, nicht so verantwortungslos und nicht so inkonsequent, ach und überhaupt! ...im heutigen nüchternen Rückblick : oft 6! setzen!...nicht immer, sowieso seh ich oft immer positives mit negativem parallel.

    letztendlich sind aber auch deine Leute von damals eigenständig....es wäre ihnen also durchaus zuzutrauen:-), daß sie nach bestem Wissen und Gewissen das damals mit dir verarbeitet haben und zwar zum GUTEN:-)

    ...das waren so meine Gedanken dazu :o ...weiß nicht, weil ich finds immer schwierig, weils ja irgendwie nie so die gleiche konkrete Situation 1:1 ist oder war
    die Thematik ansich beschäfitgt mich aber auch verstärkt in letzter Zeit....vielleicht weil mein Sohn "weg" ist, obwohl so weg ist er ja nicht.trotzdem.
    aber deshalb mußt ich jetzt auch schreiben was ich so darüber denke :wink:  
    Gruß
    doggy

  • Hi,

    ich zäume es mal an einer meiner wenigen Beziehungen auf, die total im Crash auseinandergingen und mich erst richtig wütend,
    dann sehr verbittert gemacht haben.
    Es dauerte lange - fast 2 Jahre - bis ich mal registrierte, wieviel 'Eiter' da in mir war & jedesmal, wenn ich an die EX dachte, schwoll mir der Kamm!

    Ich fing dann an, diese Gedankenketten zu unterbrechen; begann meinen Anteil an der Sache zu begutachten - der natürlich viel erheblicher war,
    als ich mir vorher eingestanden hatte - und begann dann MIR zu verzeihen, dass ich so ein Arsch war - ohne weiter der Dame schlechte Vibes zuzuordnen...
    Das dauerte paar Monate und tat richtig gut.
    Ist ja EIGENTLICH (haha) auch nicht meine Art...naja!

    Auf jeden Fall löste (s)ich so den ganzen Wulst an fiesen Gefühlen und Gedanken mit der Zeit auf.
    Nen bissel nen schiefes Lächeln bleibt :winking_face: aber ich bin halt Mensch; das ist okay.

    Schön war es dann, sie durch Zufall () auf nem Markt zu treffen, wo ich mit meinem Kumpel Steine verkaufte...
    Ich sah sie vorbeischlendern & sprang einfach so über den Stand weg, ging auf sie zu, begrüßte sie & nachdem sie nen Moment lang
    etwas bestürzt/verwirrt schaute, realisierte sie meinen friedlichen und freundlichen Gesichtsausdruck & wir unterhielten uns 10 Minuten
    in aller Ruhe, nahmen uns kurz in den Arm und jeder ging SEHR entspannt seines Weges...

    Sich selbst verzeihen können, war auch unbedingt ne Hilfe, als ich daran ging, mich wieder in die Familie zu integrieren...

    LG.Gane

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