Weiß nicht mehr weiter mit meiner Mutter

  • Hallo,

    ich bin knapp 40 Jahre alt und völlig am Ende mit meinem Latein. Es geht um meine Mutter. Kurz vorher zu meiner Familie. Meine Familie unterstützt sich nicht gegenseitig. Irgendwie ist sich jeder selbst der Nächste, außer man bekommt Aufmerksamkeit, sonst ist der der ganz oben sitzt, der dem es einigermaßen gut geht. So will halt jeder lieber oben sein. Hackordnung halt.
    Nun zu meiner Mutter. Schon vor meiner Geburt hatte sie eine Psychose bekommen. Nach meiner Genurt auch noch dreimal. Sie war immer emotional abwesend, auch wenn sie manchmal eine wundervolle Mutter sein konnte.
    Da ich weiblich war, war ich minderwertiger als ein Mann. Sexualität war eine Sünde.
    Ich war selbst zweimal in der Psychiatrie, hab eine Angststörung und Depressionen. Vor einigen Jahren wurde ich aufgrund negativer Erfahrungen wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung therapiert, und befinde mich noch in der Therapie.
    Während all der Zeit habe ich alles dran gesetzt, um einigermaßen gesund zu werden und meine Mutter mit viel Streit und Tränen ebenfalls aufgebaut und zur Therapie überredet.
    Doch ich bin an einem Punkt angelangt, ab dem meine Mutter nicht mehr wachsen möchte. Das Problem dabei ist, dass meine Mutter, wenn man sie nicht lenkt, spontane Aktionen bringt, wie z. B, dass sie keine Freunde braucht, ich würde ihr als Freundin genügen, sie würde lieber mich besuchen kommen, oder paranoide Züge annimt gegenüber ihre Freundinnen.
    Ständig denkt sie in Schwarz-Weiß.
    Nun zu meiner Ratlosigkeit: Sie ist wieder depressiv und lässt sich nicht mehr aufmuntern, vielleicht weil ich es auch einfach nicht mehr kann. Ich bin müde sie zu bemuttern. Doch ich war ihr Halt. Liebes- und Energiequelle. Sie hat großes Vertrauen in mir, obwohl sie mir selten wirklich gut tut.
    Aber ich kann nicht mehr. Ich will einmal das Gefühl haben Erwachsen, gesund und selbstständig zu sein (sie hat mir vom Kirmes eine Babyflasche mit Zuckerkügelchen gekauft), statt immer nur ihre brave Tochter. Ich kuschele sehr gerne mit ihr, umarme sie, necke sie, und es kommt auch zurück. Aber ich kann es nicht beschreiben, lasse ich sie los, lässt sie auch los und geht in ihre eigene Welt zurück.
    Wie gesagt, ich kann nicht mehr und will loslassen. Nur wie ohne das sie vereinsamt und krank wird? Sobald jemand sie gröber behandelt, wird sie teilweise krank. Kriegt so ein irres Lächeln und einen irren Blick, ist giftig passiv aggressiv und zum Teil link, ansonsten liebevoll.

    Weiß mir jemand einen Rat zu geben, wie man aus der Sache rauskommt. In eine Selbstgruppe traue ich mich nicht. Therapeuten hatten bisher nur eine Lösung: sie fallen lassen. Mit meiner jetzigen Therapeutin taste ich mich langsam heran, dennoch denke ich kann ich unter Gleichgesinnten Einen anderen Blickwinkel bekommen.

    Sorry, war jetzt sehr lang.
    Danke im Voraus. :o:red_heart:

  • Hi Margarete,

    Ich habe einen ähnlichen Fall mit meiner Mutter, daher dachte ich, ich lasse dir ein paar Zeilen da.

    Erstmal ist es ja super, wenn du aktuell dabei bist, dich in der Therapie an das Thema heranzutasten. Sowas kann einem nämlich wirklich alle Lebensenergie auffressen - merkst du ja selbst.

    Dieses "fallen lassen" ist wohlmöglich wirklich die erste Strategie, die man probieren sollte. Fallen lassen bedeutet für mich auch (noch) nicht, das ich keinen Kontakt mehr mit meiner Mutter habe, sondern das ich den Kontakt reduziere, soweit es mir damit gut geht.

    Gerade wenn du die Mutter-Rolle annimmst, sie bemutterst, dich kümmerst sobald du denkst sie wird irgendwie "krank" etc. etc. dann bekommt deine Mutter (so doof sich das auch hört) das was sie will, das was sie kennt.
    Sie weiss, sie wird niemals alleine sein, niemals selbständig sein müssen und keine Fehler eingestehen geschweige denn, die Verantwortung für dinge übernehmen müssen, weil immer jemand (du) da ist, der für sie netz und doppelter Boden ist.
    Es interessiert sie nicht wie du dich dabei fühlst, Hauptsache sie hat ihren nutzen aus dir.
    Ich stelle das jetzt einfach mal so in den Raum, weil ich das so kenne und das Gefühl habe es könnte ähnlich sein.

    Sie hat sozusagen gelernt, wie sie an Aufmerksamkeit kommt und an hilfe. Selbst wenn es negative Aufmerksamkeit ist oder sie dafür krank wird, sie kommt so an ihr Ziel.
    Ich unterstelle niemanden (auch meiner Mutter nicht) das das vorsätzlich passiert, aber es ist eben so "gelernt" worden und erwies sich ja auch immer als ganz praktisch.
    Ich hoffe du verstehst was ich meine :smiling_face:

    Fragt sie dich wie es dir geht - so dass es sie wirklich interessiert? Merkt sie dir an wenn/das es dir nicht gut geht?

    Es ist leider so, das man nicht viel helfen kann, sofern die Person sich nicht helfen lassen will. Der allererste Ansatz für Hilfe muss vom Betroffenen kommen.
    Ich sage bei meiner Mutter mittlerweile immer "sie ist einfach noch nicht tief genug gesunken" Das tut mir als Tochter auch weh, aber es ist so. Es ist ihr Leben nicht meins. Sie muss nicht so leben.

    Mir hat es sehr geholfen damit anzufangen abstand zu gewinnen. Mit verschiedenen Strategien.

    z.B habe ich sie immer gefragt, wenn sie anrief und mir ihre Probleme aufhalsen und unterjubeln wollen, Warum rufst du gerade an?
    Darauf gab es schon recht selten eine Antwort.
    Dann habe ich gesteigert auf "Rufst du wegen mir an, oder willst du nur deinen Müll loswerden und Verantwortung abdrücken?
    usw.
    Das hat mir 1. klarer gemacht das ich als Tochter in dem Moment egal bin sonder eher als Müllabladeplatz diene und 2. hat es mir geholfen stopp zu sagen.

    Wie gesagt, es ist traurig der eigenen Mutter beim "immer kränker werde" zusehen zu müssen, aber sie ist erwachsen. Es ist ihr Leben, ihre Entscheidungen, ihre Verantwortung für das was sie tut.

    Ich hatte immer Angst, das wenn ich den Kontakt reduziere, das meine Mutter dann sauer ist und mich gar nicht mehr sehen will. Aber meine Therapeutin sagte mir dann mal so etwas wie:
    "Sie (meine Mutter) wird nie den Kontakt von sich aus abbrechen, weil sie Sie braucht für ihre zwecke"
    Und das stimmt wirklich.

    Es liest sich bei dir recht ähnlich.

    Überlege mal, wer zwingt dich, ausser vielleicht dein schlechtes gewissen, sie zu bemuttern?
    Vielleicht kannst du dir selber regeln aufstellen, das wären z.B. 1x die Woche telefonieren, zu einer festen Zeit. Oder jeden Sonntag zum Kaffee trinken hinfahren/sie einladen.

    Du bist erwachsen und wenn du dich mehr erwachsen fühlen willst, dann liegt das an dir. Das ist total hart - dieser Weg - aber ich glaube mittlerweile das es der einzige (für mich) ist. Und ich stecke ja auch noch mittendrin :smiling_face:

    Ich hoffe du steigst durch, durch meine Zeilen.

    Liebe Grüße

    Diebin

  • Hallo Diebin,

    vielen lieben Dank für deine stärkende Worte. Es hat wirklich gut getan.
    In vielem, was du geschrieben hast, habe ich mich wieder gefunden.
    Es fällt mir schwer zu akzeptieren, dass meine Mutter latent krank ist und es auch immer sein wird. Ihr fehlt es an Substanz, wo ich sagen könnte, ich kann sie als Person für voll nehmen. Ich hätte sie sehr gerne für voll genommen, einfach weil ich sie so liebe.
    Du hast recht, dass ich den Kontakt einschränken muss und das kann ich nur machen, wenn ich mir nicht in die Karten schauen lasse. D.h. das ich andere Gründe vorschieben muss, so dass sie sich nicht abgeleht fühlt, sonst wird alles destruktiver.
    Ja, sie ist egoistisch. Sie weiß bis heute nicht, was mir schadet und was mich aufbaut. Ich sag ja, gebe ich ihr keine Aufmerksamkeit, verschwindet sie in ihrer eigenen Welt.

    Ich denke, dass mit dem Abstand kriege ich hin.
    Wie kommst du damit klar, ich meine dass man eine Mutter hat, die kein Verantwortungsgefühl kennt, stark emotional ist, wie ein Kind dauernd ausreden hat und das schlimmste von allem nie wirklich anwesend und greifbar ist? Denn genau diese Art von ihr bewirkt bei mir, dass ich sie rütteln möchte und sagen möchte: "wach auf"

    Liebe Grüße
    Pucca

  • Freut mich, wenn ich dir wenigstens ein paar helfende Worte schreiben konnte.

    Abstand herstellen ist ein super Ansatz denke ich, war und ist es zumindest für mich.
    Stück für Stück eben. Soweit, das es dir damit gut geht, das sollte erstmal das wichtigste sein.

    Hm gute Frage wie ich damit klar komme.
    Meine Mutter ist aufjedenfall auch jemand der kein Verantwortungsgefühl kennt und schuld ist sie auch nie an irgendwas und wie ein Teenager benehmen... ja das kenne ich alles :winking_face:
    Ich komme, dann räumlichem abstand (mittlerweile ca 900km) und viel darüber reden u.a. in der Therapie mittlerweile besser damit klar. Ich habe mir so kleine Strategien gesucht meine Mutter auch mental auf abstand zu halten, das ist ja eher das Problem. Ich glaube es war mir auch sehr hilfereich das ich (auch durch den weiten Umzug) einfach komplett neue Leute und Freunde gefunden habe, die mich als Erwachsene Person kennengelernt haben. Für die bin ich nicht "Tochter von "(so war das eben vorher, wo einen jeder kannte)
    Es gibt immernoch viele Tage und Momente wo ich einfach traurig bin das ich wohl nie eine Mutter haben werde, wie sei hätte sein sollen, obwohl ich das wahrscheinlich auch schon als Kind wusste :winking_face: Und es gibt auch Tage wo ich so wütend bin auf Sie... dieses "sie am liebsten schütteln wollen" damit sie endlich aufwacht, sich helfen lässt und vielleicht doch noch ein geregeltes Leben hinbekommt.. das kenne ich so gut.
    Mir hilft es oft diese Gefühle rauszulassen. Einfach mal weinen wenn einem danach ist, einfach trauern. Oder schreien, oder was auch immer man gerade braucht. Ist natürlich noch schöner, wenn man jemanden hat - Freunde - Mann - etc. der einem dabei hilft, einfach da ist oder mit dem man reden kann.

    Aufjedenfall sage ich mich nach wie vor immer wenn ich wieder von meiner Mutter in irgendwas verwickelt werden soll... nein... es ist ihr leben, sie will das so. ich sage ihr meine Meinung, ruhig und freundlich. Sage ihr wenn ich wütend bin.. etc. Weil eben genau das stimmt, was meine Therapeutin mir mal sagte. meiner Mutter wird mich nicht fallen lassen, sie braucht mich ja. Mehr als ich sie.
    Vielleicht hilft dir der Satz auch ein wenig.

    Wenn du noch fragen hast oder sonst was loswerden willst :smiling_face: schreib gerne, hilft mir genauso wie dir.

    LG

  • Hallo Devil,

    Freut mich, dass es dir genauso gut tut. Es ist irgendwie seltsam, wenn man sich verstanden fühlt, wird es etwas leichter ums Herz.

    Du hast zwei Punkte angesprochen, die mir aus der Seele sprechen.

    1. einen mentalen Abstand gewinnen. Daran haperts bei mir.
    2. damit klar kommen, nie wirklich eine Mutter zu besitzen.

    Kenne ich beides sehr gut. Und ich denke, gerade diese Punkte machen es so schwer mit einer kranken Mutter zu leben. Wie du es schon sagtest, egal wie sehr es anstrengt, man will sie nicht verlieren und hat Sehnsucht danach ihr Nahe zu sein.
    Auch die ganzen emotionalen Ladungen kenne ich, Wut, Trauer, Ohnmacht - nicht wahr haben wollen. Ich weiß auch wie es sich anfühlt aus lauter Schmerz und Sehnsucht nach ihrer Nähe zu weinen.
    Ich danke dir sehr, dass du dich mir so geöffnet hast.

    Ich habe bisher Strategien gesucht, wie ich sie erreichen und ihr helfen kann. Vielleicht kann ich jetzt Strategien finden, wie ich mich emotional und mental unabhängig von ihr machen kann.
    Falls ich was finde und du interesse hast, würde ich dir (falls vorhanden) die Literaturliste zusenden .

    Ansonsten würde ich noch gerne erwähnen, dass es sein kann, dass ich vielleicht paar Tage nichts schreibe, wenn ich mich emotional nicht bereit fühle. Würde es auch nicht übel nehmen, wenn es bei dir auch so ist.
    Wünsche dir einen schönen Abend. :smiling_face:
    Liebe Grüße

    Pucca

  • Bin mit meiner Therapeutin auch gerade beim Thema "Mutter". 2012 ist sie an Krebs gestorben und wir konnten zwar zum Schluß "normaler" reden, aber sie war nie in der Lage, mir körperliche Liebe/Nähe zu geben, als ich ihr beispielsweise sagte, wie lieb ich sie habe und umarmte kam nur "Davon merkt man nichts". Sie war, was ich jetzt erst weiß, Diazepam - Abhängig, litt unter massiven Depressionen und Ängsten, Zustände, welche sie als "normal" empfand und an uns ausließ. Tagelang nicht mit uns reden, ins Zimmer einsperren, weglaufen, Selbstmordversuche... Und immer der Vorwurf, wegen uns mißratenen Kindern ihren Beruf als Ärztin nicht ausgeübt zu haben... Und eigentlich war die Ehe mit meinem Vater der Hauptgrund, dass Sie so unglücklich war. Sie "retttete" sich in den Glauben, aber extrem. Materiel, beim Lernen, ja, da war sie da, aber emotional...Nie...
    Manchmal komme ich mir schlecht vor, dass ich meinen Vater so sehr vermisse, sie aber nicht so...
    Wie ich Abstand gewinne, ich weiß es nicht. Manchmal komme ich mir so dumm vor, fast 40 und wie ein Kind...

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