Mein Mann ist Sexsüchtig und ich wusste nichts davon...

  • Vor ein paar Wochen hat sich mein Mann (wir sind 15 Jahre zusammen) mit mir hingesetzt und mir gestanden, dass er Porno-Süchtig ist, sich regelmässig selbst befriedigt, und schon seit mehreren Jahren eine SA - Gruppe besucht. Ich wusste nichts davon...!

    Nein, ehrlich nicht. Ich hatte nie den Eindruck, ihn kontrollieren zu müssen, ihm nicht vertrauen zu können, und wenn er regelmässig 1 bis 2 Mal abends "mit Freunden" weg ist, dann ist das für mich total ok. Auch unsere Beziehung ist wundervoll. Er ist der liebevollste Mensch, den man sich vorstellen kann, aufmerksam, und offensichtlich auch sexuell nach wie vor sehr angezogen von mir.
    Ich habe ihn nicht gefragt, wie lange er schon süchtig ist, ich war einfach sprachlos...

    Zunächst dachte ich: Toll, er geht zu den SA, er ist ehrlich mir gegenüber, er arbeitet daran. Doch jedes Mal, wenn er mir jetzt sagt, dass er wieder in die Sucht gefallen ist, gibt mir das einen Stich. Er "aktzeptiert seine Machtlosigkeit" wie es in den 12 Schritten (das Buch habe ich inzwischen gelesen) so sehr, dass er auf mich kalt und herzlos wirkt, als ob er sagen wollte: "Deal with it!" er kann ja nichts tun dagegen... Mich macht das dann nur zornig und traurig.

    Nachdem ich ihm immer wieder meine Liebe und treue auch in dieser schwierigen Situation versichert habe, musste ich vor drei Tagen "raus" und habe bei einer Freundin Unterschlupf gefunden. Bin einfach nur durcheinander. Am Abend vorher habe ich gespürt, dass er wieder "in Gefahr" ist, wider seinen Willen ins Internet zu gehen. Er sagt, dass ihn dieser Zwang verrückt macht und es einfach stärker ist als er, und dass ich dagegen nichts machen könne. Er sagt, dass es das Gegenteil sei von der Liebe, die er für mich empfindet... Als ich die Veränderung in ihm "gesehen" habe hat er wieder behauptet, er sei nur müde von der Arbeit, es sei nichts. --- wie ein süchtiger eben, oder? Dann hat er aber wieder heimlich die Nacht auf dem Internet verbracht..

    Er ist jetzt ehrlich mit mir, vertraut mir also genug, dass er es sagen konnte. Aber es tut trotzdem unglaublich weh, besonders weil ich sehe, dass er sich selber damit kaputt macht. Er hat geschrieben, dass es wohl recht sei, dass er bei mir nun in Ungnade gefallen sei...
    Es zerreisst mir das Herz. Denn warum auch immer habe ich den Eindruck, dass "ICH" diejenige bin, die "aus dem Haus geflogen" ist, und für ihn alles normal weiter geht.... Ich weiss grad nicht, wie und wann ich wieder zurückgehen kann.

    Bin für jeden Tipp, jedes Insight dankbar....

    Viele Grüsse, Sitari

  • Hey Sitari,


    erstmal Willkommen hier :smiling_face:

    Ich kann verstehen dass so ein "Geständnis" nach so langer Beziehung ein Schock ist, aber ich denke du solltest versuchen ruhig zu (ich weis leichter gesagt als getan) Es ist schon sehr mutig von deinem Mann, das er das Gespräch mit dir gesucht hat. Das war sicherlich auch für ihn eine grosse Überwindung.
    Das regelmässig Selbstbefriedigen, ich muss sagen das ich das sehr normal und sogar gesund auch in einer langjährigen Beziehung finde. Wenn euer Sexualleben gut funktioniert, ihr beide damit glücklich seit, dann ist das viel wert.

    Ich glaube eine "richtige" Sexsucht, hättest du in 15 Jahren zumindest irgendwo als Bachgefühl gemerkt (Z.b wenn er Fremdgegangen wäre etc.- ich hab jetzt rausgelesen dass das nicht der fall war?) Wenn ihn diese Pornosucht - also das ansehen oder runterladen von Filmen/Bildern selber so sehr stört, das er es schon als Sucht sieht, ist das auch schonmal ein Schritt in die Richtige Richtung. Letztendlich muss der Leidensdruck so hoch werden, das der Betroffene selber DEN Moment findet um den Weg heraus zu finden.

    Er scheint sich ja schon sehr mit der Thematik zu beschäftigen, das würde ich ebenfalls als guten Schritt bezeichnen. Wie gesagt, wenn der eigene Leidensdruck "gross genug" wird, dann erst kann der Weg weg von der Sucht führen. Dann erst kann man Hilfe erkennen und annehmen.

    Vielleicht solltest du ihm sagen das du erstmal ein paar Tage brauchst um zu verdauen was er dir anvertraut hast und danach, wenn du magst, mal in ruhe mit ihm redest wie der weitere Weg für ihn und somit auch euch gemeinsam sein könnte.

    Alles gute,
    Diebin

  • Hallo Diebin,
    Vielen Dank für Deine Worte!
    Nein, Fremdgehen glaube ich nicht. So wie er mit mir gesprochen hat, glaube ich, dass er ehrlich ist (er war irgendwie immer ehrlich, ich habe einfach auch nicht geschaut oder gefragt). Es geht um das Anschauen von Pornos und Bildern online. Ich weiss nicht mal welche Art Bilder oder Pornos und ich will es gar nicht wissen.
    Ja, er leidet sehr darunter. Es ist für ihn moralisch nicht richtig, was er tut, und er weiss, wie sehr mich das verletzt. Er hat die Ehrlichkeit gewählt und das rechne ich ihm hoch an... auch, dass er selber zu den SA gegangen ist. Eigentlich ganz grossartig von ihm!

    Ich hab mich zurückgezogen, weil es in meinem Kopf nur so rundgegangen ist. Es geht jetzt etwas besser. Das Gefühl, schuld daran zu sein, obwohl er mir sagt, dass das nicht der Fall ist, bleibt trotzdem. Unser Sexleben ist eigentlich total super - dachte ich zumindest. Auch er sagt das, aber irgend etwas scheint ihm doch zu fehlen mit mir...

    Der Leidensdruck muss grösser werden, sagst Du. Was ist meine Aufgabe darin? Bei ihm bleiben und ihn bedingungslos unterstützen, darüber hinweg gehen? Oder wegbleiben in meiner Verletzung, um den Leidensdruck nicht weg zu nehmen? Ich weiss, dass er sehr leidet, dass ich weg bin und sogar findet, dass ich recht habe. Auf der anderen Seite ist es doch nicht an mir, ihn noch mehr zu bestrafen in seinem Leiden, zumal er sich mir anvertraut hat?! Was meinst Du?

    Vielen, vielen Dank!
    Sitari

  • Hey,


    ich denke es ist völlig verständlich das so ein Geständnis erstmal Schockt und das man sich dann (der eine mehr der andere weniger) erstmal zurückzieht, einen klaren Kopf bekommen will und etwas ruhe.
    Wie lange das ist, das ist dir überlassen. Wenn du dich entscheidest bei ihm zu bleiben (wovon ich deinem Text nach zu urteilen ausgehe...?!) und ihm zu helfen oder - was meistens der eigentlich Wesentliche Teil ist denke ich - einfach nur bei ihm sein, dann solltest du ihm vielleicht als erstes mal mitteilen, das du gerade etwas durcheinander bist etc. , das du aber den Weg mit ihm zusammen gehen willst.
    Dann weiss er wenigstens das er dir vielleicht noch etwas Zeit geben muss, aber das du "wiederkommst" sozusagen.

    Vielleicht könnt ihr mal gemeinsam zu einer Beratungsstelle gehen, oder zu einem Therapeuten der sich auf Themen wie eben Sexualität spezialisiert hat, Nicht um gleich eine Therapie zu starten - wenn das denn überhaupt der Weg ist, sondern um euch zu informieren. Das kann er natürlich auch alleine machen, oder eben ihr beide zusammen. Evtl. kann dir dort auch dahingehend geholfen werden, das du die Thematik etwas besser verstehst und so auch besser damit umgehen kannst - das gleiche gilt natürlich auch für deinen Mann.


    Zitat von Sitari

    Unser Sexleben ist eigentlich total super - dachte ich zumindest. Auch er sagt das, aber irgend etwas scheint ihm doch zu fehlen mit mir...


    Ich denke du solltest es nicht so sehen, das ihm "ja doch scheinbar irgendwas bei dir fehlen muss" wenn er doch Pornos schaut...
    Soetwas (nicht nur Sexsucht oder Pornosucht ... ) hat oft ganz andere Gründe, oder ist in irgendeiner Lebenssituation aufgeflammt und zum Selbstläufer geworden... Geb dir nicht die Schuld daran :smiling_face: Damit ist weder ihm und schon gar nicht dir geholfen.

    Eine Aufgabe hast du eigentlich gar nicht. Du musst dich nur entscheiden ob du ihm zur Seite stehen willst, oder nicht. Und wenn ja wie weit.
    Kannst du damit leben das es zumindest zur zeit noch so ist wie es ist...
    Wenn er sehr darunter leidet, dann ist er ja vielleicht schon jetzt bereit sich weitergehende Hilfe ausser die SA zu holen, es zumindestens einmal zu versuchen.
    Es kann natürlich eine Weile dauern bis man den richtigen "Helfer" für sich gefunden hat. Das geht wohl so ziemlich jedem so der sich in irgendeiner Art Psychologische o.ä. Hilfe sucht...
    Da heisst es dann einfach nicht entmutigen lassen.

    Wenn er es versuchen will und du auch.... dann ist miteinander reden wichtig und sicher auch hilfreich. Unangenehme Themen zu vermeiden fördert nur wieder misstrauen und Unsicherheit.

    Oh man, na ich hoffe man versteht meinen Text halbwegs :smiling_face:

    Liebe Grüße
    Diebin

  • Wenn Du wüsstest... SEHR GUT verstehe ich Deinen Text!

    Im bin noch nicht wirklich über das Gefühl hinweg, mir selber Schuld zuzusprechen an seinem Verhalten, aber ich steuere jetzt bewusst in die Richtung.

    Es ist im Moment wirklich der Konflikt zwischen "hilft ihm meine Liebe und meine Treue" oder "hilft ihm mein Protest und dass ich mich zumindest für eine Zeit zurückziehe". Wir haben wieder zu reden (oder eigentlich "zu schreiben") begonnen, und er ist sehr offen, mir alle Fragen etc. zu beantworten. Er gibt mir gar keine Schuld und sagt, dass ich ihm helfe, mehr als mir bewusst sei. Im Moment streiten wir und das fühlt sich besser an als das schockierte Schweigen...

    Er glaubt nicht an Therapie oder so. Anscheinend (und was ich im "Weissen Buch" der SA lese) ist das nicht das, was hilft, viele Süchtige hätten das erfolglos versucht, es sei die SA, die hilft... Ich persönlich komme mit dem "ich akzeptiere, dass ich ein Süchtiger bin" und dann "auf ein Wunder warten", ehrlich gesagt nichts anfangen. Aber vielleicht weiss ich nicht genug darüber.

    Ich will ihn unterstützen weil ich ihn liebe, aber ich habe keine Ahnung wie und was "wie weit" bedeutet. Kann man darüber etwas lesen irgendwo? Ich finde überhaupt keine Literatur für Angehörige, ausser die youtube videos von Frauen, die sich von Sexsüchtigen Männern getrennt haben... das ist irgendwie nicht das, was ich suche.

    Vielen, vielen Dank, dass Du Dir Zeit nimmst, mir zu antworten!
    Liebe Grüsse
    Sitari

  • Hey, guten Abend,

    find ich gut das ihr miteinander kommuniziert... selbst wenn es erstmal eher druck ablassen ist als friedlich miteinander reden... ich denke du hast recht, dass das besser ist als schockiertes Schweigen... zumindest mit der Zeit.
    Ich hoffe ihr könnt bald wieder gefasst und sachlich darüber quatschen :smiling_face:

    Hm, das er nicht an Therapie glaubt, tja, schwierig. Ich finde Therapie ist nicht wirklich etwas an das man glauben muss damit es hilft. Es ist eher so das man selber etwas ändern will und durch den Therapeuten/Psychologen bekommt man eine andere Sicht auf sein eigenes Verhalten vermittelt.
    Sich selber reflektieren und erkennen was man ändern muss um ..... zu erreichen ist schwer, da hilft es oft einen aussenstehenden zu haben, der ganz unvoreingenommen auf das jetzige (Problem-)verhalten blickt und es sachlich und objektiv rüberbringt.
    Es geht letztlich nicht darum das der Behandler dem Patienten hilft, sondern eher ihm hilft, sich selber zu helfen. Also eiegtlich nix, an das man glauben muss...

    Zu sagen "ich brauche Hilfe" und "meine sucht schränkt mich ein und leide sehr darunter" und dementsprechend zu handeln (also Hilfe suchen & in Anspruch nehmen) sind leider zwei verschiedene paar Schuh. Womit wir wieder bei Leidensdruck wären.

    Ich denke generell hilft es jedem Menschen, wenn er Personen hat die ihn unterstützen und begleiten, auch auf schweren Wegen. Aber es nutzt keiner Partei wenn eine sich für die andere komplett aufopfert und selber zu leiden beginnt.

    Vielleicht wäre er bereit wenigstens einmal mit dir/ oder alleine zu einer Beratungsstelle zu gehen? Vielleicht würde er das für dich tun, wenn er "eigentlich" selber nicht daran glaubt auf solchen Wegen Hilfe zu bekommen. Denn du scheinst ihm ja schon sehr am herzen zu liegen :smiling_face:
    Sowas ist ja ganz ohne Zwang und wenn es nichts bringt ist man nicht gezwungen irgendeine Hilfe in Anspruch zu nehmen. Es geht rein um Infos was möglich ist, was es für Wege gibt etc.

    Wenn er partout nicht will.... dann kann ihn niemand zwingen. Die Schritte machen, kann man als betroffener nur allein.
    Ich denke für dich und deine Psyche es ist wichtig das du ihm mitteilst was dir wichtig ist für die Zukunft und vielleicht auch, was für dich gar nicht geht. Klarheit schaffen, ehrlich sein, einen Standpunkt beziehen und Konsequent sein sind Dinge die ich als Angehöriger sehr wichtig finde.

    Schönen Abend!
    Diebin

  • Danke, liebe Pixeldiebin, für Deine Worte!

    Ich bin abgekühlt und wir sprechen jetzt sachlich über die Sachen. Es ist trotzdem ein Schock, weil es für ihn offenbar eine grosse Sache zu sein scheint, und er mir erst jetzt soweit vertraut hat, dass er es sagen kann. Ich dachte, ich kenne ihn so gut...
    Und irgendwie tu ich das auch. Es passt, wie und wann er es mir anvertraut hat. Es passt, wie er mit meiner Reaktion umgeht. Keine Manipulation, keine Anklage, er übernimmt einfach Verantwortung.

    Je mehr ich lese über SA, desto mehr frage ich mich, ob mein HB wirklich betroffen ist. Das sich immer mehr steigernde, ausartende, das scheint er nicht zu haben. Er sagt mir mehr, wie er "funktioniert" und was für ihn so schwer und frustrierend ist. Ich merke aber, dass es jetzt für mich viel weniger dramatisch klingt, als es am Anfang schien.

    An Therapie denkt er aber nicht. Er hat den Eindruck, dass er einfach "biologisch" sehr sensibel ist zu bestimmten Reizen, und wenn es ihn "packt", kann er nicht mehr loslassen willensmässig. Ich weiss nicht genug darüber, um etwas anderes zu tun als einfach einmal weiter zu gehen und abzuwarten. Im Moment bin ich ruhig und zuversichtlich.
    Vielen, vielen Dank für Deine Unterstützung!

    Herzliche Grüsse, Sitari

  • Schön zu wissen, daß man so ein Schicksals nicht alleine trägt. Wünsche allen Gleichgesinnten einen Tag mit positiven Gefühlen und dem Wissen... Man ist nicht allein mit all dem Schmerz und den zerfressenden Gedankenkarusell. Lb. Grüße aus Österreich.

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