Alkoholsucht des Cousins - was tun??

  • Guten Morgen zusammen,

    bei meiner Suche nach Hilfe bin ich auf dieses Forum gestoßen und finde es wirklich toll! Ich hoffe, dass ihr mir mit ein paar Tipps und Ratschlägen helfen könnt, meinem Cousin zu helfen.

    Und nun stellt sich mir - wie vielen anderen Postern auch - die Frage: Wo fange ich nur an? Am Besten vorne, das ist sicherlich am hilfreichsten. :2:

    Es geht um meinen Cousin, er ist 27 Jahre jung und hat sich zu einem starken Alkoholiker entwickelt. Wir sind zusammen aufgewachsen und standen uns, bis vor ca. 5 Jahren, immer sehr nah. Er war ein sehr fröhliches Kind, immer schon zurückhaltend und sensibel. Da ich 5 Jahre älter bin als er, habe ich oft auf ihn aufgepasst und wir haben viel Zeit miteinander verbracht.
    Seine Mutter hat sich relativ früh vom Vater getrennt (Drogenprobleme seinerseits) und in den folgenden Jahren zog sie mit ihm und seinem kleinen Bruder einige Male um. In seiner frühen Jugend entwickelten sich Probleme in der Schule, er blieb immer öfter dem Unterricht fern. Es wurden Alkohol und Drogen konsumiert, jedoch immer in Maßen. Die Drogen hat er dann (Gott sei Dank!!!) irgendwann sein lassen, jedoch nahm dadurch der Alkoholkonsum zu. Seit einigen Jahren schon trinkt er regelmäßig (anfangs nur am Wochenende, auf Parties), mittlerweile täglich sehr große Mengen.
    Vor einiger Zeit ist er von der Familie weggezogen (von mir ca. 40 km entfernt, von seiner Mutter und dem Rest der Familie 80 km) zu seiner neuen Freundin. Damit nahm das "Drama" quasi seinen Lauf.

    Seine "Freundin" brachte eine kleine Tochter mit in die Beziehung, es dauert auch nicht lange, bis sie von meinem Cousin schwanger wurde. Er sah sich selbst nie als Vater oder überhaupt dazu in der Lage, eine Familie zu versorgen. Arbeit hat er schon lange nicht mehr, er war mit sich und seinem Leben soweit zufrieden. Nun ist seine Tochter bereits 2 Jahre alt, ein absoluter Sonnenschein und mein Cousin ist heillos überfordert. Seine "Freundin" ist weder dazu in der Lage, einen Haushalt zu führen, noch, die Kinder zu versorgen. Alles schiebt sie auf ihn ab und gibt ihm die Schuld an der Misere. Die gemeinsame Wohnung der beiden durfte ich bisher noch nie betreten, da aber mein Bruder der Nachbar der beiden ist und ich schon viel mit Nachbarn und "Freunden" vor Ort gesprochen habe, kann ich mir ein ungefähres Bild der aktuellen Wohnsituation machen. Den Aussagen zufolge, befindet sich die Wohnung in einem verwahrlosten Zustand, geputzt wird nicht, höchstens mal aufgeräumt. Mein Cousin ist dafür genauso zuständig, wie dafür, die Kinder zu hüten und für das Essen zu sorgen. Seine "Freundin" setzt ihn derart unter Druck, dass er im Laufe der Zeit immer mehr getrunken hat, um seinen Stress zu kompensieren. Er ist zwar ein Familienmensch - aber nicht in diesem Ausmaß. Die Verantwortung für seine Tochter kann er nicht tragen, daran - so scheint es für mich - zerbricht er allmählich.
    Wenn es im dortigen Freundeskreis zu Streit kommt, da die Leute vor Ort versuchen, ihm zu sagen, dass seine "Freundin" ihm nicht gut tut und er etwas ändern muss, verschanzt er sich. Er liebe sie und könne nicht ohne sie leben. Er verlässt tagelang die Wohnung nicht und seine "Freundin" geht dann für ihn einkaufen und besorgt seinen Alkohol.
    Er steht morgens auf, trinkt eine Flasche Wein und diverse Apfelkorn zum "Frühstück". Den ganzen Tag trinkt er nun, und am späten Nachmittag kann er sich kaum noch auf den Beinen halten. Vorgestern war ich zu Besuch bei meinem Bruder und erfahre, dass mein Cousin mittlerweile Blut erbricht und auch Blut im Urin hat. Er hat unheimlich stark abgebaut (körperlich) und geht immer weiter in Richtung Verwahrlosung. Er war immer schon ein sehr eitler Mensch, hat unheimlich viel Wert auf Körperpflege und ein gepflegtes Erscheinungsbild gelegt. Dies ist nun nicht mehr der Fall. Wenn ich höre, wie sich sein Zustand verschlechtert, bricht es mir das Herz.
    Seine "Freundin" unternimmt NICHTS dagegen, seine Mutter ist hilflos (sie befindet sich momentan leider in einem Burn-out und kann ihm nicht wirklich helfen), seine Nachbarn und Freunde sind dabei, ihn aufzugeben. Bei einer Gelegenheit hat eine Nachbarin der "Freundin" gesagt, dass der Junge sich kaputttrinkt vor aller Augen und sie gefragt, warum sie nichts unternimmt? Die Antwort lautete: "Tja, wenn er daran stirbt, dann ist das schade, aber mir egal." :14:
    Ich habe den Eindruck, dass sie ihn mit Alkohol gefügig macht und unter Kontrolle hält. Dadurch, dass sie ihm gibt, was er will, verhält er sich ihr gegenüber dankbar und macht, was sie will. Familiäre Besuche seinerseits werden konsequent unterbunden und wenn er mal "ausbricht" um seine Mutter zu sehen, terrorisiert sie die ganze Familie mit Anrufen und Nachrichten. Sie stellt ihn als Verlierer hin, als Alkoholiker (der er mittlerweile leider ist) und als Schuldigen an der Situation. Sie ist das Opfer und leidet ja ach so sehr unter seiner schlimmen Art. Natürlich ist die aktuelle Situation dort unhaltbar, das Jugendamt wurde bereits eingeschaltet. Aber dennoch sehe ich die junge Frau mit in der Verantwortung.
    Ich habe in den letzten Jahren immer wieder versucht, mit ihm zu reden, komme aber nicht mehr an ihn ran. Sie schirmt ihn total ab und redet ihm ein, seine Familie will ihm was Böses. Müsste ich dieser Person einen neuen Namen geben, ich würde sie Grima Schlangenzunge nennen (in Anlehnung an "Der Herr der Ringe"). Ich persönlich weise meine eigene Verantwortung ihm gegenüber in keiner Weise von mir.
    Permanent denke ich: Ich hätte mehr tun müssen, mehr für ihn. Dass ich voll berufstätig bin, einen seit 2 Jahren chronisch kranken Mann habe, nebenher studiert habe und alles weitere: Egal! Nun sehe ich, wie schlimm es um meinen Cousin steht und ich bin absolut fassungslos. Wie konnten wir es so weit kommen lassen? Wie kann man jetzt noch helfen? Ich habe, wie viele andere auch, so lange die Augen vor der Realität verschlossen, habe immer wieder gedacht: Er ist alt genug, er ist für sich selbst verantwortlich. Und nun richtet er sich zugrunde und niemand kommt mehr an ihn heran. Allerdings bin ich nicht bereit, ihn aufzugeben. Ich kenne ihn anders, ich habe ihn praktisch mit aufgezogen. Er ist eine so gute Seele, er ist unheimlich begabt, talentiert und kreativ. Er ist ein Künstler, hat Humor und ist absolut ein guter Mensch. Der Alkohol hat ihn verändert, aber in seinem Kern steckt noch immer der gleiche Junge, der er einst war. Wenn ich einmal die Gelegenheit habe, mit ihm zu sprechen, wird es immer deutlich. Er weiß um sein Problem, er will auch da raus - schafft es aber nicht.
    Es kam der Zeitpunkt (als er das erste Mal Blut erbrochen hat), da wollte er einen Entzug machen. Er wollte sich in die Klinik einweisen und Hilfe suchen. Seine "Freundin" hat es ihm ausgeredet. Sie meinte, das würde ohnehin nichts bringen und wie solle sie denn klarkommen mit den Kindern und allem, ohne ihn? Also ist er nicht gegangen. :wall:

    Nun lese ich seit zwei Tagen viel im Internet über Alkoholkrankheit und mögliche Hilfestellungen von Angehörigen. Dennoch ist jede Geschichte individuell, jeder Mensch ist anders. Daher habe ich seine und unsere Geschichte einmal kurz erzählt. Ich könnte wahrlich noch mehr Situationen und Eindrücke niederschreiben, aber ich denke, so gibt es schon einmal einen guten Eindruck.

    Mein Mann und ich haben gestern beschlossen, den Jungen nicht im Stich zu lassen und ihn nicht aufzugeben. Wir wollen sehen, ob wir ihn irgendwie aus dieser Situation befreien können und uns mehr um ihn kümmern. Er soll sehen, dass er nicht alleine ist und eine Familie hat. Dass er Rückhalt hat und dass er nicht so schlimm ist, wie ihm dort eingeredet wird. Telefonisch ist er nicht erreichbar, daher werde ich mich gleich ins Auto setzen und zu ihm fahren. Ich hoffe sehr, ihn halbwegs nüchtern anzutreffen und dass er mit mir kommt und mit mir redet. Ich habe gelesen, dass der Ursprung des Problems angegriffen werden muss und nicht das Problem selbst. Ich hoffe, dass er, wenn er sieht, dass er in uns Freunde hat, die es gut mit ihm meinen, sich Hilfe sucht. Dass er sich helfen lässt und diese "Freundin" hinter sich lässt.

    Ich hoffe, ich habe euch verständlich schildern können, wie es sich darstellt und ich hoffe auch, dass ihr uns mit Tipps und Ratschlägen helfen könnt! Wie helfen wir am Besten? Was können wir für ihn tun?

    Habt vielen Dank für das Lesen dieses langen Textes und eure Antwort!
    Viele Grüße
    Chilicheese

  • Guten Morgen Chilicheese

    Jesses ja, das ist schon ne traurige Geschichte, aber zu allererst:

    Zitat

    Wie konnten wir es so weit kommen lassen?


    IHR macht Euch bitte keinerlei Vorwürfe. ER hat sein Leben so gewählt, auch wenn es hart klingt, aber ihr seid daran ja nicht schuld.

    Ja, Ihr könnt ihm natürlich Hilfestellungen geben. Wenn er mit Euch kommt, wo ihr in Ruhe mit ihm reden könnt, wäre das ja schon mal klasse. Ihr könnt ihm Schritte aufzählen, aber gehen muss ER sie. Und wollen ebenfalls. Drogenberatung, Klinik. Er war ja schon mal soweit, dass er rein gehen wollte, vielleicht schafft ihr es ihm Mut zu geben es wirklich zu tun. Hm, was kannst Du sonst noch tun? Du kannst ihm nicht wirklich etwas abnehmen, Du kannst ihm signalisieren, dass ihr da seid für ihn und dass ihr an ihn glaubt. Aber bitte ... achte darauf, dass IHR nicht dabei kaputt geht. Unterstützen insoweit wie es für euch in Ordnung ist, ohne dass Ihr drunter leidet. Denn das wäre dann der falsche Weg.

    Für die kleine Tochter, muss ich Dir nicht sagen, ist es natürlich untragbar. Ich hoffe das sich dort eine Lösung findet. Und für ihn hoffe ich ebenfalls das Beste.

    Alles Liebe,

    Leben

  • Guten Morgen Leben,

    hab vielen Dank für deine wirklich schnelle Antwort!

    Nun, ich denke, jeder Angehörige eines Süchtigen hat sich diesen Vorwurf mindestens ein Mal gemacht. Natürlich versuchen wir, abzugrenzen und haben, wie gesagt, oft und lange die Augen verschlossen und uns auf uns konzentriert. Dennoch möchte ich nicht tatenlos zusehen, wie ein geliebtes Familienmitglied so zugrunde geht.

    Deine Ratschläge finde ich wertvoll und werde versuchen, sie so gut es geht zu berücksichtigen - dafür auch vielen Dank!

    Für die kleine Tochter und auch das Kind aus der vorangegangen Beziehung der Partnerin ist es unhaltbar. Just als ich das Jugendamt einschalten wollte, hat es bereits jemand anderes getan. Aber wie das deutsche Rechtssystem arbeitet, muss ich wohl leider nicht erklären. Ich persönlich würde die Kleine am Liebsten da raus holen und adoptieren. Kindern so etwas zuzumuten ist absolut egoistisch und unverantwortlich. Aber auch das muss ich wohl kaum weiter ausführen. :winking_face:

    So mache ich mich nun einmal auf den Weg, und hoffe, ich erreiche etwas. Noch einmal: Vielen Dank für deine schnelle Antwort!

    Liebe Grüße
    Chilicheese

  • Ich drücke die Daumen. Vielleicht erzählst Du wie´s gewesen ist? Wäre schön. Viel Glück Euch.

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