Darf man kranke Menschen hassen?

  • So, interessantes Thema. Meine Mutter war Alkoholikern. Ich kann mich nicht erinnern Sie einmal nüchtern erlebt zu haben. Ich möchte versuchen Friz Seine Frage zu beantworten. Ich weis sehr wohl das meine Mutter krank war. Auch ist mir völlig klar das Sie dafür nichts konnte. Somit konnte Sie auch nichts für Ihr Verhalten. Sicherlich ist Sie nicht krank geworden um mich zu verletzen. Höchstwahrscheinlich tat es Ihr auch unendlich leid. Obwohl ich all das weis habe ich keine positiven Gefühle für Sie. Hass will ich es nicht mal nennen, denn was ich fühle ist Gleichgültigkeit Ihr Gegenüber. Das finde ich fast noch schlimmer als Hass. Doch egal ob man hasst oder liebt....das alles sind Gefühle....und Gefühle lassen sich nicht mit dem Verstand erklären. Mir ist theoretisch völlig klar das meine Mutter sehr, sehr krank war. Und das es Gründe dafür gab die Sie so werden liesen. Ich kenne einen der Gründe sogar. Wahrscheinlich würden viele daran zerbrechen. Ich habe Sie noch einige Wochen gepflegt bis zu Ihrem Tod. (47, Leberkrebs) Und Sie bekam alles von mir das Sie brauchte. Auch Aufmerksamkeit. Ich habe Ihr zugehört und Ihre Hand gehoben. Aber das habe ich nicht getan weil ich Sie als Mutter liebe. Das hätte ich für jeden Menschen getan, egal was für ein Verhältniss ich zu Ihm hätte. Meinen Exmann z.b hasse ich wirklich. Aber auch für Ihn würde ich das tun. Somit bin ich der Meinung: ja, es ist völlig legitim Seine Eltern zu hassen, bzw Ihnen Gleichgültig Gegenüber zu stehn. Gefühle sind Gefühle und nicht lenkbar, und das ist auch gut so. Allerdings finde ich es völlig daneben Eltern die Schuld an eigenem Versagen zu geben. Ja, ich hatte eine ganz schlimmer Kindheit. Aber alles was ich in meinem Leben verbockt habe...habe ICH verbockt, nicht meine Eltern. Ich finde das ganz wichtig das zu trennen. Carry

  • Hi, also ich möchte mich der Frage von Fritz gerne stellen, auch wenn ich mir jetzt fast in die Hose mache vor Angst, daß es wieder falsch ankommt, daß ich jemanden verletze, daß ich etwas falsch sehe usw.
    Ich muss sagen, diese Frage habe ich mir noch nie gestellt. Ich bin davon ausgegangen, daß mein Vater gerne trinkt. Als ich noch klein war und ich noch gar nicht wußte, daß er Alkoholiker ist, war ich morgens immer geschockt, weil er so zitterte. Ich habe mir solche Sorgen gemacht. Er trank was und ich war froh, daß er dann zur Arbeit gegangen ist. Eins muss ich ihm aber gutheißen. Er war sehr fleißig und ging jeden Tag zur Arbeit und hat auch an den Wochenenden immer Bereitschaftsdienst gemacht. (Transportarbeiter - hat LKW Lieferungen abgeladen) Ich weiß nicht, wie er das hinbekommen hat. Ich glaube er war nicht gern zuhause. Wir haben zu dritt gelebt, meine Oma (seine Mama) er und ich. Ich glaube, er hatte auch Angst vor seiner Mutter und er mußte als erwachsener Mann immer auf sie hören. Sie hat uns beide geschlagen. Meinen Vater und mich. Ich habe auch bis jetzt immer gedacht, daß er nicht der hellste war bzw. ist, er lebt ja noch. Er hat auf mich so den Eindruck gemacht, ich kann aber gar nicht beantworten, ob er schlau war oder so. Ich hielt ihn für dumm, weil im Rausch hat er auch immer blöde geredet. Also er war arbeiten und danach täglich in der Kneipe und kam sehr spät heim. Dann spielte sich immer dasselbe ab. Prügel zu dritt, ihn ausziehen, ihn waschen, weil er sich voll gemacht hat und dann ins Bett. Ich weiß nicht, was ich damals empfand, nichts. Ich schloss mich dann im Klo ein und spürte nichts mehr. Dann musste ich mich zu meiner Oma ins Ehebett legen, ganz an die Seite, weil ich lAngst hatte, sie prügelt weiter. Ich glaube, mein Vater ging seiner Mutter aus dem Weg und mir damit natürlich auch. Daß er einen Willen hatte hat ja gezeigt, daß er nie seiner Arbeit fern geblieben ist, noch freiwillig Schichten übernommen hat. Er hatte keine Frau. Von meiner Mutter war er geschieden, wo ich denke, daß meine Oma da auch ihre Hände im Spiel hatte, da sie wie ich psyschich krank war. Ich habe ihn einmal weinen gesehen bei der Hochzeitsfeier meiner Tante. Da sagte er, er sei so einsam. Klar, habe ich gedacht, er hat doch mich, er kümmert sich nur nicht. Er hat mich richtig abgelehnt, so habe ich es empfunden. Er war ja nur arbeiten und saufen. Finanziell hat er ja für uns gesorgt. Er musste auch sein ganzes Geld an Oma abgeben. Ich denke, er war ein armes Schwein, der sich nie von seiner Mama abgrenzen konnte. In den Scheidungspapieren habe ich mal gelesen, daß weder mein Vater noch meine Mutter das Sorgerecht für mich bekommen haben, sondern die Oma. da stand meine Eltern seien zu labil. Ich denke, er wußte gar nicht, was er mit einem Kind anfangen sollte, habe ich so empfunden. Wenn meine Oma mit ihm abends schimpfte, weil er wieder betrunken war, dann hat er immer gesagt, daß er es aber nie bezahlen mußte. Er wurde angeblich immer eingeladen. Ich weiß auch, daß er keine schöne Kindheit hatte, er war viel krank, im Krieg geboren und der Vater verschollen. Meine Oma hatte 2 kInder, meinen Vater und eine Tochter. Die Tochter, also meine Tante hat die selben Beschwerden wie ich, ich denke mal, sie hat von Oma auch viel Prügel bekommen, wie ich und mein Vater auch. Der Knackpunkt wäre jetzt meiner Meinung nach die Oma, aber die kann ja auch wieder nichts dafür, weil sie es ja als junge Witwe auch nicht einfach hatte. Sie war eine verbitterte Frau. Und ich bin ja auch süchtig geworden, nach Tabletten, wenn auch in geringen Mengen, aber Mißbrauch würde ich schon sagen. Ich denke er konnte nicht anders und wenn ich das so schreibe, vermisse ich ihn, komisch. Er soll seit dem meine Oma 2000 starb trocken sein und auch endlich eine Frau gefunden haben, aber er will mit mir nichts zu tun haben, was ich nun gar nicht verstehe. Ich wäre ein unartiges Kind gewesen. War ich auch mit 14 - 16 habe ich nämlich immer zurückgeschlagen und Türen geschmissen. Ich kann diese Frage gar nicht richtig beantworten, aber sie macht mich traurig, mit dem Wissen von heute, hätte ich ihm damals bestimmt besser helfen können, aber ich habe das auch als normal hingenommen. Unsere Familie war eben so. Ich habe ihn immer beschützt und er läßt mich so hängen. Ich kann ihn jetzt im Moment auch nicht hassen, aber lieben auch nicht. Ich fühle nichts, wie damals auf dem Klo. Aber auch ich bin selber schuld, daß ich mit den Tabletten angefangen habe und daß ich viele Jahre keine Verantwortung für mich übernommen habe. Da ist mein Vater nicht schuld. Nur an meiner verkorksten Kindheit.

    Liebes Team, habe das aus meinem Postfach hierherkopiert, da Carry für die Frage von Fritz ein eigens Thema aufgemacht hat und ich nicht nochmal schreiben will. Hoffe, das ist okey.

  • Ja, ich dachte das diese Frage nicht in Dein Postfach gehört, das hätte ausgeartet. Da empfinden wir ja völlig gleich, indem wir nichts empfinden. Ich kann mich noch sehr gut an die Gefühle erinnern die ich als Kind hatte. Und ich habe mich bis zu einem Alter von 20 auch vor Sie gestellt und verteitigt. Bis ich gemerkt habe das ich Co Abhängig bin, dann habe ich mich abgegrenzt.

  • Ich habe Verständnis dafür, dass meine Mutter wohl eine Persönlichkeitsstörung entwickelt hat, aber ich habe kein Verständnis dafür, dass sie nie etwas dagegen unternommen hat. Ich würde über vieles bei ihr hinweg sehen, wenn sie sich jemals darum bemüht hätte, etwas an sich zu ändern. Sie empfindet sich aber allem Anschein nach als perfekt, kann alles, weiss alles, aber alle anderen Menschen sind schwach und voller Fehler. Ich könnte kotzen vor Wut, wenn ich darüber nachdenke. Ich finde es demnach völlig in Ordnung, Wut auf einen kranken Menschen zu empfinden, der nichts an seiner Erkrankung ändern möchte.

  • hallo carry und tine.
    Meine frühere Psychiaterin hat mal zu mir gesagt das wir unsere Eltern nicht entschuldigen müssen. Ich habe auch ständig meineEltern in schutz genommen. Ich denke ändert nichts an unserem Leben wenn wir ihnen ständig die schuld geben. wir müssen mit uns wie wir jetzt sind klarkommen. Aber ihr verhalten uns gegenüber hat auswirkungen auf unser handeln und manchmal auch auf unser Versagen.

  • hey carry,

    ich empfinde genauso für meine Mutter - Gleichgültigkeit - und das kann ich auch nicht ändern. Ich denke, dass das ein Schutzmechanismus für uns ist, damit wir Abstand zu der Person, die einem so weh getan hat, bekommen können. Man kann keine GEfühle erzwingen. WIe gesagt mir geht es genauso und ich finde es völlig in Ordnung. Ich hasse meine Mutter nicht - ich bin einfach gleichgültig, aber nicht absichtlich. Ich bin es, weil sie auch nichts dagegen unternimmt, somit wird sich auch nichts ändern.

  • ich liebe meine eltern. ich hab es nie geschafft ein anderes gefühl zu empfinden. Für mich war das was sie getan haben sehr lange normal es war eben so. Es war so das mein Vater städig betrunken war es war eben so das meine mutter Depressiv war und Benzo- Abhängig es war meine Normalität und das einzig was ich geschafft habe war eine kurze zeit keinen Kontakt zu ihnen zu haben.
    Ob ich meine Störung wegen all den Erlebnissen habe oder ob die auch entstanden wäre wenn ich eine schöne Kindheit gehabt hätte mal ganz davon abgesehen das ich meine Kindheit nicht schlimm empfunden habe. Für mich war es normal die frage wer ist jetzt kränker ich weil ich es nicht erkannt habe oder verdrängt oder meine eltern für das was sie mir damit angetan haben ich weiß es nicht aber ich kann sie nicht hassen.
    es macht mich traurig wenn ich an meine Kindheit zurück denke wenn ich daran denke wie oft ich wegen dem Alkoholkonsum meines papas geweint habe wenn ich daran denke wie oft meine Mutter völlig weggebeamt auf dem sofa lag und nicht für mich da war. Alle wichtigen Abschnitte meines lebens hat sie entweder gar nicht oder zugerdröhnt erlebt
    tut mir leid das ich das jetzt schreib
    weiß nicht ob ich darüber jemals schon geschrieben habe. es tut mir leid das ich nicht stark genug war etwas zu verändern in ihrem leben. Das ich auch mit meinem wissen über Krankheiten und ihren verlauf nichts hab ändern können.
    Ich liebe meine Eltern und daran wird sich wohl auch nichts ändern auch wenn ich weiß das sie krank sind und das sie mir das leben nicht leicht gemacht haben.
    sorry mehr geht nicht
    eine sehr traurige Arkadia

  • Was ich zum beispiel auch super von meiner Mutter fand. Dass sie ständig darauf rumhackt und nicht versteht, dass ich Schulden gemacht habe damals und sie versteht nicht, dass es eine Form der SVV war, sie sagt immer: Denk doch mal drüber nach, was du mir damit antust und als ich ihr gesagt habe, dass ich momentan keine Therapie mehr mache bzw. nur auf Abruf, meinte sie, dass wird ja auch zeit, dass du dass alleine auf die Reihe kriegst und dann die Leier: von meinem Arbeitskollegen Thomas die Kinder sind ja alle so verantwortungsbewusst... und ich solle endlich Verantwortung für mein Leben übernehmen...

    ich kann sie nicht lieben es geht einfach nicht... so sehr ich mich bemüh habe es geht einfach nicht

  • Manchmal habe ich auch Wut, sehr starke sogar, richtigen Haß, aber bevor der so richtig hochkommt, kommt die Nebelwand und ich fühle nichts. Durch meine Krankheit hat jetzt meine Tochter Wut auf mich, daß ich immer in Krankenhäusern war und dann immer gleich für 12 Wochen. Ich war auch nie richtig für sie da. Mein Sohn hats mir verziehen, meine Tochter nicht, jedenfalls im Moment nicht und ich weiß, dass sie allen Grund dafür hat. Auch ich kann nichts für meine Krankheit, aber sie darf und muss sogar sauer sein auf mich, alles andere wäre nicht normal.

    Aber wißt ihr was mich nachdenklich macht. Hätte ich einen Herzfehler oder eine andere "normale" Krankheit, dann wäre ich nicht so eine Schande für meine Familie (ich meine meinen Ex-Mann und Ex-Schwiegereltern) Für die war es eine Schande, daß ich in der Psychiatrie war, das kam in ihrer Familie noch nie vor. Sie haben mich auch nie besucht und meiner Tochter auch so einiges eingeredet von wegen geisteskrank und so. Mein Sohn hat sich gott sei dank nicht sowas einreden lassen und meiner Tochter gebe ich ganz einfach Zeit. Viel Zeit.

    Ich ziehe den Hut vor jedem Alkoholiker, der sich helfen läßt, denn es ist eine Krankheit und auch die anderen psyschichen Krankheiten. Wer sich helfen läßt und sich dem stellt ist für mich ein Held. Ich empfinde mich selbst oft als kleinen Helden, daß ich diese ganze kacke an Symptomen und was dazugehört so ertrage und mich nicht umbringe.

  • Ich kann keine Liebe für meine Mutter empfinden, aber auch keinen Hass. Meist ist sie mir einfach egal, nur ab und an kommt Wut hoch, wenn ich mich wieder mehr mit dem Thema Mutter auseinander setze, wie jetzt hier z.B.

    Meine Mutter hat mir nur Scheisse beigebracht, nichts wirklich Sinnvolles. Von ihr hatte ich einige beschissene Verhaltensweisen, die ich dank Thera endlich ändern konnte. Nachdem ich in Thera gelernt hatte, anders mit Dingen umzugehen, die mir nicht gut tun, hiess es irgendwann von meiner Mutter, das mein Verhalten nun merkwürdig sei.
    Nicht zu fassen. Sag ich meine Meinung und verhalte ich mich nicht mehr wie sie, bin ich auf einmal komisch.

  • alive, du sprichst mir aus der Seele. MEine Mutter findet mich auch komisch, weil ich ne andere Einstellung hab und das beste was sie meinte, ich würde den ganzen Tag Kiffen, weil ich mir das ja einbilden würde etc. ich finds nur noch - ach mir egal ist mir egal

  • Na hast du ein Glück, dass du nicht gleich enterbt wirst, alive :winking_face:
    *schon x Mal enterbt wurde, weil sie ja so ein unmöglicher Mensch ist und schlimmerweise auch noch zur Familie gehört* :winking_face:

    Nee, geht mir auch so.
    In der Regel interessieren mich meine Eltern bzw. der Großteil meiner Familie nicht wirklich.
    Aber wenn ich gezwungen mich mit denen auseinanderzusetzen, werde ich meistens einfach nur aggressiv, und bin schon vom Reden oder deren Anwesenheit genervt. Aber in der letzten Zeit wird das auch immer mehr zu "ihr seid egal"-Stimmung.
    Ich hatte keine schreckliche Kindheit - das "Einzige", das mir gefehlt hat, war Zuneigung und Geborgenheit. Ich wurde zur Selbstständigkeit erzogen und dann musste man sich ja nicht mehr kümmern oder Interesse zeigen, Klein-Fibra kommt ja allein klar und macht schon alles richtig...
    Und dafür hasse ich meine Familie natürlich auch - oder hasste - sie werden mir einfach immer mehr egal - so wie ich mich als Kind auch gefühlt habe. Der Unterschied is' nur: Ich kann Zuneigung etc. zeigen, aber die verdienen sie nicht. *find*

  • Oh, indirekt ist das wohl schon geschehen, Fibra. Allerdings wurde es bei mir nicht explizit gesagt, ich bekomme nur einfach mein Geld nicht. Meine Mutter sitzt mit ihrem Arsch in den USA auf meiner Kohle.

    Zwischen meiner Mutter und mir ist nie eine Bindung entstanden, ich habe insgesamt nur ein paar Jahre bei ihr gelebt und das waren nicht meine ersten, prägenden Lebensjahre gewesen. Diese hatte ich bei meiner Oma verbracht. Naja und da konnte eben keine Mutter-Kind-Bindung entstehen. Meine Mutter ist sowieso ein eiskalter Mensch, der wahrscheinlich gar nicht weiss, was Liebe ist. Jetzt ist sie anscheinend ziemlich krank, was mir aber nicht mehr ausmacht, als wenn ich es über einen Menschen hören würde, der mir fremd ist. Ein gewisses Mitgefühl habe ich für jeden anderen auch. Ich wünsche mir nur, meine Ruhe vor ihr zu haben und mein Geld zu bekommen.

  • Tine, ganz ehrlich. Ich finde das einfach perfekt wie Du das mit Deiner Tochter handhabst. Du kannst nachvollziehn wie Deine Tochter empfindet, Dir ist aber auch klar das Du keine Schuld daran hattest ständig im KH zu sein. Das ist eine Super Leistung auf die Du wirklich stolz sein kannst. Ich hoffe sehr das ist Dir klar. Und was Deine Ex Schwiegereltern betrifft....was für eine Schande???? Es ist eine Schande das Sie nicht in der Lage waren sich um Dich zu kümmern!!! Und noch schlimmer das Sie auch noch Deine Tochter auf Dich gehetzt haben,das ist das allerletzte. Also da kann ich Deine Wut vollkommen verstehn!! Nee, ich reg mich jetzt gerade tierisch auf, kann ja nicht wahr sein, grmpf.

  • Hi,

    der thread hat einen interessanten Titel "darf man ....?" und da will ich einsteigen. Ich habe mir nie Gedanken darüber gemacht, ob ich meine Familie hassen "darf". An einem bestimmten Punkt der Gesundung setzte ich mich mit dem Verhalten meiner Familie in meiner Jugend auseinander, mir wurde bewußt, was sie mir angetan hatten und ich begann sie zu hassen. Ich habe so etwa 2 Jahre lang in den AA-Meetings immer wieder mal davon gesprochen, was abgelaufen ist und wie ich fühle. Da gab es viel Gegenwind in der Art "so etwas tut/sagt man nicht", doch es war mir sch....egal. Das Haß befreite mich von allen möglichen Gefühlen und Blockaden, z.B. von "das darf man nicht". Er war viel zu stark, als daß ich ihn hätte unterdrücken können. Besonders sauer wurde ich, als klar wurde, daß meine Mutter absolut nicht bereit war, mal ganz sachlich über meine Jugend zu sprechen. Das war überhaupt kein Thema, ich war an allem Schuld und damit gut. Es war für mich enorm wichtig, immer wieder über den Haß zu sprechen, ihn nur in meinen Gedanken zu spüren reichte nicht, er mußte raus. Die Gefühle laut auszusprechen oder so wie hier zu schreiben verändert sie nochmal, sie werden viel bewußter, als wenn ich sie nur in meinem Kopf hin und her drehe.

    Wie schon gesagt dauerte es etwa 2 Jahre, dann erledigte sich das Thema ziemlich schnell. Die Gefühle waren raus, abgearbeitet, weitgehend erledigt. Bestimmt wäre es schneller gegangen, wenn ich das in einer Therapie bearbeitet hätte oder wenn mir stärker bewußt gewesen wäre, was da in mir abläuft, doch es hat funktioniert, das ist das einzig Wichtige. Mit dem Schwinden des Hasses konnte ich meine Familie realistischer sehen. Was hatten sie alles erlebt, was sie so hatte werden lassen. Waren sie glücklich, so wie sie waren? Oder waren sie so in sich gefangen, daß sie darüber nicht nachdenken konnten? Diese Gedanken lösten so langsam den Zorn ab. Wo war der Unterschied zwischen mir als Süchtigem und ihnen, die einfach nur unfähig waren, über sich und ihr Handeln nachzudenken?

    Es endete damit, daß ich meinen Frieden mit ihnen und auch mit meiner Sucht machen konnte. Sie waren wirklich arme Schweine, gefangen in den schaurigen Erlebnissen, Erinnerungen und Neurosen der Kriegsgenerationen. Ich fing an meiner Sucht dankbar zu sein. Sie hatte mich vor die Wahl gestellt, mich mit mir auseinanderzusetzen oder jämmerlich zu krepieren. Sie hatte mich dazu gezwungen, in den Spiegel zu sehen, auch wenn es sehr weh tat. Ich hatte eine Chance, die meine Familie nicht hatte. Meine Sucht hat mich davor bewahrt, genauso zu werden wie sie es waren.

    Darum ist alles gut und richtig so, wie es jetzt ist.

    Grüße

    det

  • Ja Carry, ich kann meine Tochter sehr gut verstehen. Mein Ex-Mann und ich wir haben uns nicht gerade mit Ruhm bekleckert. Er ist ja auch Alkoholiker und ich psyschich krank. Genauso eine Konstellation wie bei meinen Eltern. Es wiederholt sich. Ich wollte dann eines Tages auch mit niemanden aus der Familie was zu tun haben, weder mit Vater, noch mit Mutter (sie ist ja schon tod) Mit 18 bin ich ausgezogen und meinen eigenen Weg gegangen. Genauso macht es meine Tochter. Es wiederholt sich quasi, nur, und darauf bin ich stolz. Sie hat ihr Leben im Griff, sagt jedenfalls ihr Bruder (sie wohnen in einer WG zusammen) Sie hat genau diesselbe Meinung in bezug auf Eltern, wie ich sie damals hatte. Ich freu mich für sie, sie ist Krankenschwester und kommt gut zurecht und dank meines Sohnes erfahr ich doch so einiges über sie. Ich habe aber zu den Festtagen Kontakt zu ihr. Auch über Internet haben wir jetzt ein paar Mal Grüße ausgetauscht. Ich bedränge sie nicht, denk an ihren Geburtstag und schicke ihr immer eine Kleinigkeit und sie bedankt sich auch, aber mehr eben noch nicht. Und an manchen Wochenenden schreibe ich ihr immer einen lieben Gruß bei meinVZ. Sie läßt es zu, daß ich dort schreibe. Sie könnte mich auch sperren lassen. Was ich mir nicht traue ist, mal zu meinem Sohn zu fahren, denn dann würde ich sie vielleicht mal sehen. Aber da fahr ich erst hin, wenn sie mir es erlaubt. Sie wohnen ja zu zweit dort und ich kann nicht einfach Marcus besuchen und sie sitzt dann versteckt in ihrem Zimmer. Ich hoffe, daß sie mich nicht hasst, sondern nur enttäuscht ist von ihren Eltern. Aber ich möchte noch mal betonen, daß ich keine schlechte Mutter für sie war. Doch meine Schwiegereltern haben es geschafft, daß sie sich abwendet.

  • Ich konnte meine Mutter auch erst langsam besser verstehen als ich selber Mutter wurde....ich wünsche mir für Dich das Sie Ihren Weg zu Dir zurück findet.

  • nö ich hasse nicht mehr.. der hass hat sich irgendwann zu so einer flamme entwickelt, die mich verbrannt hat.. und diesen hass mitschleppen, war oft sehr belastend.
    Ich hab in meinem Leben immer die Trümmer meiner Familie liegen sehen, die sie noch heute mit einem schein versuchen zusammen zu halten.. Ich werde bis an den Rest meiner Tage die Aussätzige bleiben.. aber in einer gewissen art und weise bin ich stolz darauf.. anders zu sein.. Manchmal bin ich traurig weil ich in meinem Gefühl keine wirkliche Kindheit und vorallem keine Jugend hatte.. Aber ich hätte die erfahrung nicht die ich heute habe wäre das anders gewesen.. An manchen Tagen kommt mir dieser "Tausch" also gar nicht so schlecht vor, an andren tagen schon..
    In meiner Familie sind viele psychisch krank, das schlägt sich irgendwie überall durch..
    Nein, ich hasse nicht.. ok zugegebenerweise manche momente wenn alls hochkommt, aber das ist dann mehr wut und verzweiflung als hass..
    Ich habe gelernt zu verzeihen - um mein Lebenswillen..
    verzeihen.. ja..


    aber nicht vergessen..

    F

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!