Wie mit depressiven Familienmitgliedern umgehen?

  • Hallo zusammen,

    ich freue mich, dass ich auf euer nettes Forum gestoßen bin und möchte mich auch direkt über ein Thema, welches mich sehr beschäftigt, austauschen. Ich wusste nicht genau, in welcher Rubrik ich das Thema erstellen sollte - also falls es hier komplett falsch ist, wäre es sehr nett, wenn jemand es verschieben könnte!

    Ich bin ziemlich verzweifelt wegen meiner Familie. Meine gesamte Familie ist Depressiv - sie schottet sich ab - pflegt keine Kontakte, haben keinen Antrieb - sitzen viel vor dem Fernseher und fühlen sich schon durch Kleinigkeiten überfordert usw. - aber das belastenste ist die Tatsache, dass sie sich selbst vernachlässigen! Der Eine hat ein Problem mit dem Herz und jeder sagt ihm, wie wichtig es ist sich zu bewegen und sich wenigstens einigermaßen gesund zu ernähren. Trotzdem hat er wieder stark zugenommen nach der OP, bewegt nicht null, verschweigt Sachen beim Arzt, ... Der Andere hat eine chronische Krankheit und ist daher nicht nur dauerhaft belastet und sollte darauf achten möglichst gut damit zu leben, sondern ist auch krebsgefährdet - deshalb ist es sehr wichtig regelmäßig zu Untersuchungen zu gehen usw. - tut er leider auch nicht. Und gerade ist die Krankheit wieder sehr akut.

    Ich mache mir sehr große Sorgen - auch Sorgen, dass ich sie verliere, weil sie nicht auf sich achten - ihre Krankheiten nicht ernst nehmen. Früher war ich oft gereizt (ich war überfordert...), doch ich habe erkannt, dass ich nur helfen kann, wenn ich Verständnis zeige, rede und heikle Situationen meide, wenn es mir selbst nicht gut geht. Doch es scheint aussichtslos. Ich habe einige Gespräche geführt - lange Gespräche, Gespräche, wo ich sehr viel preisgegeben habe. Ich habe klar gesagt, wie es ist, ohne zu verletzen und habe gesagt, wie ich mich fühle, dass ich mir Sorgen mache und dass ich mich so sehr wünschen würde, dass sie auf ihre Gesundheit achten.

    Keine Reaktion! In den Gesprächen kommt manchmal die Aussage "Ja, aber ich habe mich abgefunden mit der Situation." und zwei Minuten später "Es ist doch alles gut so wie es ist."

    Ich weis nicht, wie ich mit der Situation weiter umgehen soll. Es ist nicht erst seit zwei Monaten so - dann könnte ich damit umgehen - sondern schon seit Jahren. Ohne das sich etwas verbessert. Und das alles soll kein Vorwurf sein - ich verstehe wie schwierig es für sie ist!

    Ich weis, ich kann sie zu nichts zwingen - ich kann nicht mehr tun, außer Verständnis zu haben, da zu sein und hin und wieder etwas anzusprechen - oder gibt es doch etwas, was ich tun kann? Wie geht man am Besten mit so einer Situation um?

    Vielleicht gibt es hier einige, die in einer ähnlichen Situation sind - aus Sicht von meiner Familie oder von mir und kann mir helfen besser zu verstehen und mit der Situation umzugehen!

    LG, Sonnenstrahl

  • Hallo Sonnenstrahl, herzlich willkommen hier im Forum.
    Leider kann ich Dir nicht viele Tips geben. Ich scheitere in meinem Leben auch immer wieder an solchen Dingen. Es ist unmöglich, jemanden, also Deine Familie zu verändern oder sie dahin zu bewegen, daß sie auf sich achten, wenn sie, wie du schreibst, sich damit abgefunden haben. Ich glaube, dann musst du Dich damit abfinden, daß sie sich arrangiert haben so, wie ihr Leben verläuft. So wie du schreibst, erkenne ich, daß du schon alles versucht hast. Man kann niemanden zwingen. Achte Du auf Dich, leb Dein Leben, wie du es für richtig hälst, tu Dir gutes und fühle Dich bitte nicht schlecht, daß du nichts ändern kannst. Ich musste diese Woche auch die Erfahrung machen. Es geht nicht. Sie möchten so leben, dann lass sie so leben. Mehr kannst du nun wirklich nicht machen, als immer wieder auf sie einzureden. Mit der Zeit werden sie dich nur noch als nervend betrachten, wie, die schon wieder. Achte schön auf Dich, du hast wirklich alles versucht. Sie müssen selber handeln. Mach Dich damit nicht kaputt.
    Du kannst sie nicht ändern, aber du kannst von Dir erzählen, wie es auf dich wirkt und was es mit dir macht. Das macht dich doch bestimmt wütend. Dann versuche ihnen das auch zu sagen. Ich weiß nicht was ich Dir noch sagen könnte. Nur viel Kraft wünschen bei Deinem Problem.

  • Danke für deine Antwort, Tine05! Ich habe auch schon oft gedacht: "Du musst lernen so viel Abstand davon zu nehmen, dass es dich nicht immer wieder aufs Neue verletzt." Aber: Das ist extrem schwer. Den Grad zu finden, den Kontakt zu halten und gleichzeitig sich nicht immer wieder Sorgen zu machen. Ich frage mich, wie man seine Sorgen in den Griff bekommt?! Sich jedes Mal selber sagen: "Du kannst nicht mehr für Sie tun, als du tust."?

    Deine Antwort und deine aufbauenden Worte waren mir auf jeden Fall hilfreich. Ich bin dankbar für jeden Erfahrungsaustausch!

  • Hallo Sonnenstrahl!

    Ich kann verstehen wie es dir geht. Ich war mal in einer ähnlichen Situation bzw. hatte auch mit einer depressiven Person zu tun.
    Leider ist es bei vielen so, dass sie in ihrer Krankheit verharren.
    Ich weiß, es ist schwer mit solchen Menschen umzugehen. Ich verstehe auch deine Sorgen.
    Aber ganz wichtig dabei ist, dass du dich dabei nicht vergisst. Achte darauf, dass du das nicht zu nah an dich ranlässt und dich zu sehr da rein steckst.
    Ich weiß, dass es schwierig ist, aber es ist machbar.
    Irgendwann muss man vielleicht auch einsehen und akzeptieren, dass solche Menschen sich nicht helfen lassen wollen. Deine Sorgen vielleicht auch nicht hören wollen.
    In solchen Situationen bleibt einem fast nichts anderes übrig, als dies zu akzeptieren, so schwer es auch fällt.

  • Hallo Sonnenstrahl,
    schön, daß Du zu uns gefunden hast.
    So wie Du Deine Familie beschreibst, könnte ich fast ein Mitglied davon sein.
    Durch eine körperliche Behinderung und starken Schmerzen habe ich mich komplett zurück gezogen und mich regelrecht in meiner Depression gesuhlt.
    Das ging mehrere Jahre so, bis es einer aussenstehenden Person gereicht hat, und die meinen Arzt informiert hat. Der hat dann Nägel mit Köpfen gemacht, und mich in die Psychatrie geschickt. Dort wurde ich einigermassen stabilisiert, und lebe nun in einer betreuten Wohngemeinschaft, in der auch nach meinen körperlichen Problemen geschaut wird.
    Aus meiner Sicht, der Sicht eines chronisch Depressiven, war das der einzigste Weg, mich aus meiner Depression zu reissen, denn ich fand das Alles gar nicht so tragisch.
    Sprich doch mal mit den Ärzten Deiner Familie. Es gibt sicher Möglichkeiten, bis zu Ihnen vorzudringen. Nur mit Geduld und Verständnis ist einem Depressiven nicht beizukommen. (Ich spreche aus eigener Erfahrung)

  • dunge: Wirklich? Wie hat der Arzt dich denn dazu bekommen "mit zu machen"? Ich kann mir nicht vorstellen, dass es nur mit Zwang geht?!

    Ich könnte mit meinem Hausarzt sprechen. Der ist sehr engagiert. Ein Familienmitglied ist eigentlich in psychologischer Behandlung - er nimmt auch Tropfen. Aber das verändert auch nichts. Und er geht nur alle zwei bis drei Monate und so wie ich es immer höre, kümmert sie sich nicht wirklich, sondern beschwert sich eher immer über ihren Job. Er war auch schon in Kur. Aber auch da hat er nur von den Psychologen gehört, er würde ja keinen an sich heranlassen... es ist wirklich enorm schwierig mit ihm!

    Aber manchmal geschehen Wunder - Sorgenkind Nr. 2 hat das Gespräch mit mir gesucht und angenommen was ich gesagt habe. Scheinbar kommt da etwas in Bewegung :D:D ...

  • Naja, Zwang war es nicht wirklich. Er hat mir in einem zweistündigen Gespräch klar gemacht, was geschieht, wenn ich nicht in die Psychatrie gehe, und mir etwas passiert, dann wäre ich nämlich eingewiesen worden, und das wäre reiner Zwang gewesen. Da ich irgendwo in meinem dunklen Hirn doch wahrgenommen habe, daß erwas geändert werden musste, bin ich freiwillig gegangen. Das war im August, und seit dem bin konstant in psychatrischer Obhut, was mir aber eigentlich recht gut tut.

    Frag mal hier im Forum rum, hier haben sich einige die Finger wund geschrieben, um mich endlich zum handeln zu bewegen. Ohne dieses Forum wäre ich nicht so weit, wie ich jetzt bin!

  • Oh, wie gut ich das Gefühl nur selber kenne. Diese immer wieder kehrende Hilflosigkeit, das Mund fusselig reden und das unsägliche Gefühl, mit dem Kopf gegen eine Wand zu rennen. Man redet und redet und redet und erreicht doch nichts.
    Als ich selber in einer Klinik war wegen schweren Depressionen, sagte der Chefarzt zu mir, er würde mich am liebsten packen und durchschütteln. Das Gefühl habe ich bei depressiven Familienmitgliedern und Freunden auch oft. Aber jemanden zu packen und durchzuschütteln, ist sehr schwer. Hast du das Thema mal ganz direkt angesprochen? Angesprochen, dass du dir Sorgen machst und Angst hast?
    Manchmal hilft es, wenn man den behandelnden Arzt anspricht und ihm die Situation aus deiner Sicht schildert. Vielleicht kann er / sie etwas bewegen und etwas beeinflussen.

    Das einzige, was du tun kannst, ist da sein und immer wieder neue Möglichkeiten aufzeigen. Versuche es mit kleinen Dingen, wenn große Sachen schon überfordern. Meine Mutter hat es damals bei mir mit kleinen gemeinsamen Aktionen versucht. Wir haben mal zusammen Kuchen gebacken, oder sind eine viertel Stunde spazieren gegangen. Einfach kleine Schritte, dass die Betroffenen merken, es geht aufwärts, aber ohne sie gleich zu überfordern.

    Aber das allerwichtigste ist, dass du auf dich Acht gibst. Es ist keine Schande, sich zurück zu ziehen, wenn man merkt, es geht nicht mehr. Wenn die Situation bei mir zu Hause unerträglich ist, gehe ich auch heute noch oder ziehe mich dahin zurück, wo ich mich wohl fühle und mich aufgefangen fühle. Hast du Freunde, mit denen du darüber sprechen kannst und die dich ein wenig auffangen können?

    Ich nehm dich in den Arm, wenn ich darf. :smiling_face: Wie alt bist du eigentlich, wenn ich fragen darf?

  • dunge: Es freut mich sehr für dich, dass es bei dir langsam aufwärts geht und dir die Therapie / Betreuung gut tut.

    Wattwurm: Ja, du triffst es auf den Punkt :winking_face: - reden, reden, reden - aber man hat übersehen, dass man mit einer Wand redet. Ja, so direkt habe das Thema bei beiden angesprochen - ich habe beiden gesagt, dass ich mich sorge und Angst habe, wohin das noch führt. Aber bisher hat auch das nicht viel gebracht. Vielleicht ist dunge's Ansatz, mit einem Arzt zu sprechen und die Person dann irgendwie dahin zu bekommen (ein Sorgenkind sagt Arzttermine gerne einfach ab ;)), noch ein möglicher Versuch.

    Ja, ich habe damals auch zu Ihnen gesagt - setzt euch kleine Ziele. Habe zig Beispiele gebracht, wie sies anfangen könnten. Hat bei dem Einen nichts gebracht, bei dem Anderen bin ich mir noch nicht so sicher - er weicht grade ein bisschen auf (zum ersten Mal seit Jahren...).

    Ich mache recht viel Sport und habe auch schon überlegt die beiden zu animieren mit mir zu kommen. Wenigstens ab und zu - es scheint dir ja geholfen zu haben "mitgeschleift" zu werden, das macht mich zuversichtlich!

    Ja, habe eine sehr liebe Freundin (die leider auch sehr viele Probleme hat...) - wir bauen uns immer gegenseitig auf! Und ja, ich werde versuchen mich wirklich ein bisschen zurück zu ziehen und mich in Gelassenheit zu üben!

    Danke für's Drücken - bin übrigens 20!

  • So schwer es uns manchmal fällt das zu akzeptieren, jeder ist für sich selber verantwortlich. Meine Mutter zum Beispiel weigert sich auch ins Schlaflabor zu gehen, obwohl sie weiß, dass es notwendig wäre. Aber man kann Menschen leider nicht zwingen und oftmals hilft auch reden nicht. Ich vermute mal, dass es sich zum Teil auch um deine Eltern, oder gerade um deine Eltern handelt, oder?
    Mir hat ein Therapeut mal ganz direkt gesagt, dass ich nicht für meine Eltern verantwortlich bin. Es sollte andersherum sein und gerade am Anfang des Erwachsenseins kann man solche Probleme nicht gebrauchen. Versuche einen Teil der Verantwortung abzugeben. Wenn zum Beispiel bei den abgesagten Arztbesuchen akute Gesundheitsgefährdung besteht, kannst du auch die Behörden einschalten. Oder einfach mal bei der Krankenkasse anfragen, was es da für Möglichkeiten gibt. Die Rechtslage ändert sich da andauernd, dass keiner mehr mitkommt. :winking_face:

    Ich find's schön, dass du dich so um deine Familie kümmerst und sorgst. Aber nimm dir Zeit für dich und sage ganz offen, wenn es dir zu viel wird. Wenn deine Familie merkt, was sie dir aufbürden, werden sie vielleicht auch irgendwann wach werden und den ersten Schritt wagen. Denn letztendlich müssen sie selber etwas unternehmen, damit es etwas bringt. :smiling_face:

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