Nachdem ich dann jetzt meiner Meinung nach echt lange genug überlegt habe, ob ich das hier schreiben soll oder nicht, mach ich's jetzt einfach, weil mir das Rumüberlegen einfach auf die Nerven geht...Ich weiß nach wie vor nicht, ob das hier der richtige Platz dafür ist und ob ich vielleicht doch noch irgendwie 'ne Reaktion erwarte - und vorallem welche.
Wie dem auch sei, nu gibt's das Ganze hier schwarz auf weiß und es nicht mehr einfach damit getan, dass ich die Datei vom Rechner lösche...
ZitatAlles anzeigenEinmal saß ich mit meinen Eltern beim Mittagessen, es gab Möhrensuppe, und ich durfte nicht eher vom Tisch aufstehen bis ich nicht meinen Teller leer hatte. Ich mag Möhrensuppe, auch heute noch, aber ich konnte und wollte an diesem Tag nicht alles essen, es war einfach zu viel und mir war schon übel, aber darauf wurde keine Rücksicht genommen. Klein und dumm wie ich war, habe ich mich natürlich dazu gezwungen alles zu essen, weil ich ja aufstehen und glaube damals auch fernsehen wollte. Da mir aber doch ziemlich übel war, führte mich mein erster Weg aus der Küche zur Toilette...
Silvester war jedes Jahr auf's Neue ein grauenhafter Tag, denn es gab immer Fisch. Karpfen blau. Ich hasse Fisch, und gerade wenn ein eben solcher in der Mitte des Tisches vor einem liegt, mit dem Kopf zu mir, so dass ich ihm direkt in die Augen schauen konnte bzw. förmlich musste, gerade das verstärke das Übelkeitsgefühl ungemein. Aber natürlich wurde darauf keine Rücksicht genommen. Es gibt seit Jahren an Silvester Fisch bei meinen Eltern, das war nie anders und wird wohl auch nie anders. Und damit auch keinen Grund einmal etwas anderes zu machen oder zumindest zusätzlich vielleicht irgendetwas, was das Kind mag – Warum auch. Ich habe dann immer mal versucht nur Kartoffel zu essen, aber das ließen sie natürlich nicht durchgehen. Irgendwann habe ich mich dann einfach an den Esstisch gesetzt – musste ich ja – und den Fisch mit einem Tuch abgedeckt und nichts gegessen. Natürlich bekam ich ziemlichen Stress deswegen, aber den Rest des Tages wurde peinlich genau darauf geachtet, dass ich ja nichts anderes esse, weil ich ja das ach so tolle Mittagessen verschmäht hatte. Die Jahre danach war ich Silvester entweder bei den Nachbarn, sofern sie zu Hause waren, und habe mich dort zum Essen eingeladen, oder versucht bei Freunden zu sein. Das ein oder andere Jahr habe ich meine Eltern einfach auch nur angelogen und ihnen erzählt ich wäre bei Freunden nur um dem Mittagessen zu entgehen und möglichst nichts von dem Geruch wahrnehmen zu müssen.
Und die dritte Sache passierte irgendwann im Sommer. Wir haben gegrillt und ich aß, wie so ziemlich alle Kinder, nur Würstchen. Allerdings bekam meine Mutter erst nach dem Essen mit, dass die Würstchen schon leicht grün waren. Also wollte sie mich zwingen das ganze wieder zu erbrechen, was sicherlich das richtige war, aber irgendwie war die Art und Weise nicht gerade angenehm. Sie hat mich also förmlich ins Bad gezwungen und meinte, ich solle mir den Finger in' Hals stecken sonst würde sie es tun. Funktioniert hat es nicht. Also saß ich ungefähr eine Stunde später im Krankenhaus auf einer Liege, neben mir ein Arzt, der mir einen Becher Pfefferminz-Tee nach dem anderen in die Hand drückte. Nach fünfeinhalb großen Tassen spie ich ihn dann an, was mir sehr peinlich war, er lachte allerdings nur darüber. Naja, von meinen Eltern gab's deswegen natürlich riesengroßen Ärger, was ich mir erlauben würde, ich hätte gefälligst besser aufpassen sollen etc.Ich denke, früher mochte ich Essen, vor allem Französisch und Griechisch. Natürlich haben sich meine Favoriten im Laufe der Zeit noch erweitert
Dann setzte irgendwann die pubertäre Phase ein und ich fing an auf meine Ernährung, mein Gewicht und meinen Körper zu achten. In dieser Zeit bekam ich allerdings auch mit, dass eine sehr gute Freundin von mir sowie deren beste Freundin so ihre Probleme mit der 'Bulimie hatten bzw. bis heute haben. Bei meiner Freundin legte sich das im Laufe der Zeit wieder, bei ihrer Freundin allerdings nicht. Ich weiß nicht genau, wie lange sie schon 'Bulimie hat(te), aber mittlerweile hat sie eine längere Therapie hinter sich und es auch ganz gut unter Kontrolle. Jedenfalls kam meine erste Kotz-Zeit parallel dazu und diente damals zwar einerseits schon dazu nicht dick zu werden, in erster Linie allerdings dazu etwas gemeinsam zu haben mit dieser Freundin, ihr nahe zu sein! (Aus dem gleichen Grund habe ich das Rauchen anfangen!) Ich weiß, das ist seltendämlich, aber damals war dieses Gefühl und das Verlangen nach diesem Gefühl einfach stärker als dass der Verstand es verhindern konnte.
Irgendwann legte sich das allerdings wieder, gleichzeitig wurde das Verhältnis zu dieser Freundin besser. Oder besser gesagt: genau anders herum – das Verhältnis zu dieser Freundin besserte sich und damit "musste" ich ja auch nicht mehr kotzen!
Mein Essverhalten normalisierte sich also und alles ging einige Zeit gut, bis die 'Depressionen und der Selbsthass stärker wurden. Ich fing wieder an, die bulimischen Phasen hatten mich wieder. Ich wusste inzwischen sehr genau wie schädlich die ganze Sache ist – und genau deswegen habe ich es getan, mir wieder angewöhnt. Um mir UND dem Körper zu schaden! Absichtlich und heute am liebsten mehr als gestern!
Mehr oder weniger zufällig sind dann zwei Dinge passiert, die mich wieder davon weggebracht haben.
Ich hab mich verliebt :O Ich hab dann zwar immer mal eher nichts gegessen als mich zu übergeben, wenn ich sehr traurig war. Aber das schreib' ich eben der Situation zu, in der es mir ansich nicht gut ging, und wo viele Menschen ebenso reagieren – Was ja hin und wieder auch okay ist, wenn man danach wieder normal isst. Im Endeffekt haben all diesen neuen Gefühle, das akzeptiert werden, wie man ist, das Verliebtsein und alles, was damit zusammenhängt, einen sehr großen Teil dazu beigetragen, dass ich mir das Erbrechen wieder abgewöhnen konnte.Und heute?
Es gibt nach wie vor Tage, an denen ich der Toilette am liebsten nach jeder Mahlzeit einen Besuch abstatten würde. So ganz spurlos sind vergangenen Jahre also nicht an mir vorbeigegangen. Aber heute weiß ich, dass ich nicht dem Drang nicht einfach nachgeben kann und will. Ich denke zwar nicht wirklich, dass ich eine 'Essstörung habe – Aber eine Tendenz und eine große Gefahr sehr leicht in eine reinzurutschen, wenn ich nicht gut darauf aufpasse, kann und will ich gar nicht abstreiten!
Mit der schon erwähnten Freundin habe ich ein abschreckendes Beispiel, was die Folgen angeht. Vom Haarausfall bis zu den ruinierten Stimmbändern, wegen denen sie letztlich ihr Studium abgebrochen hat, das sind alles Dinge, auf die ich gerne verzichte!
Und vielleicht habe ich sogar einen Vorteil – zu wenig Selbstdisziplin. Selten, dass das einmal positiv ist, aber in diesem Fall ist es das eindeutig. Ich würde es einfach nicht durchhalten eine 'Essstörung zu haben. Nichtsessen würde ich keinesfalls durchhalten, spätestens nach zwei Tage gäbe ich auf – Nicht, dass ich das nicht auch schon probiert habe! Und Erbrechen, nein, das ist einfach nur ekelhaft.
Ps: Heute mag ich Möhrensuppe und Pfefferminztee! Aber bloß keinen Fisch und nach Möglichkeit auch keine selbstgegrillten Würstchen, auch wenn ich mich bei den letzten beiden Dingen hin und wieder versuche – und jedes Mal erneut feststelle, dass die Antipathie immer noch vorhanden ist