"Verlorengegangene" Aggressionen?

  • Ich frag mich schon seit längerer Zeit, ob es so was wie "verlorengehende" Aggressionen gibt.
    Ich meine, mir ist klar, dass es viele verschiedene Arten von Aggressionen gibt und wie sie sich äußern. Und dass 'SVV auch eine dieser Arten ist.

    Ich habe früher immer gesagt, ich sei nicht aggressiv. Aber habe trotzdem geritzt.. demzufolge war ich nicht ganz ehrlich, vor allem zu mir selbst nicht.

    Aber jetzt frage ich mich, wenn es diese Aggressionen doch gab, wenn ich sie hatte und auch ausgelebt habe... Wo sind sie dann jetzt hin?
    Ich meine, eigentlich können sie sich ja nicht einfach so in Luft aufgelöst haben. Irgendwohin müssen sie doch sein.

    Komischerweise ist aber seit dem Aufhören mit dem 'SVV kein anderes Symptom stärker geworden, also keine Verlagerung in andere Arten der 'Selbstverletzung. Und ich bin weder verbal noch körperlich aggressiver geworden...


    Habt ihr 'ne Idee dazu?


    Liebe Grüße
    Fibra.

  • Ich meine es gilt für die Psyche, ähnlich wie für die Physik der Erhaltungssatz der Energie.

    Wenn ich mich richtig erinnere, war auch S. Freund dieser Auffasung.

    Agression ist ein Teil unserer Libido (Lebenskraft) und kann sich auch gegen uns selbst richten.
    Natürlich sind wir nicht immer gleichermaßen aktiv, was ja auch von den Stimmulanzen möglicher Befriedigung abhängt.

    Übrigenz hatte ich heute im Gespräch mit einer Freundin eine sehr ähnliche Frage gestellt, wo ist mein Sadismus geblieben. Ihre Antwort war, Du hast ja niemanden, an dem du ihn auslassen kannst.

    Vor Jahren fragte mich mal eine Therapeutin, warum verweigerst Du dich deiner Lebensfreude. -- Ich hatte keine Antwort darauf, mußte aber feststellen, daß es meinem Verhalten entsprach.

    Ich denke wir führen viel zuviel Kämpfe im eigenen Bauch. Und genau da bleibt denn auch unsere kraft.

  • Hm, ich hab also mehr mit mir selbst zu tun und zu kämpfen, ich hoffe, damit hab ich dich richtig verstanden.
    Aber habe oder hatte ich das nicht ohnehin? Also auch früher?

    Über das, dass sie möglicherweise nicht gleichermaßen stark aktiv sind, wie du meintest, muss ich erstmal :50:
    Aber könnte schon sein, dass die Energie, die eigentlich für die gebraucht wurde, jetzt in anderen Bereichen verwandt "werden muss".

    Aber dass sie deswegen richtiggehend verschwinden sollen, das kann ich mir trotzdem nicht wirklich vorstellen...


    Vielen Dank für deine Antwort, Stehauf!

  • Hm, bei mir ist es ein Wechselspiel... Wenn es mir schlecht geht, dann habe ich auch mehr Aggressionen... Aber wenn es mir gut geht, nun dann gibt es ja auch keinen Grund dafür.... Irgendjemand, irgend ein kluger Kopf sagte mal (keine Ahnung mehr wer das war, glaub Einstein... keine Ahnung): Wenn du keine Energie gibst, in das was dich stört, löst es sich auf (oder so ähnlich, aber vom Sinn her passt es).

    Theoretisch kann es also doch durchaus sein, dass Aggression von aggressiven Handlungen lebt, sich davon ernährt. Vielleicht muss man nicht die Aggressionen in den Griff bekommen, um aggressive Handlungen zu stoppen, sondern umgekehrt...

    Ok, ich drifte wieder ab... Lassen wir das besser, sonst wird es wieder zu hoch für mich... :grinning_squinting_face: Aber vielleicht hat ja trotzdem jemand verstanden, was ich meine... :winking_face:

    Liebe Grüße
    rose

  • Ich finde das total gut, was gelberose gesagt hat. Ich denke auch, dass aggressive Handlungen Aggressionen nähren können. Z.B. Selbstverletzung. Kurzfristig baut es ja die Aggressionen ab, weil man sie gegen sich auslebt, langfristig ist man total wütend auf sich, dass man sich so wenig unter Kontrolle hat und wird deswegen wieder aggressiv gegen sich.
    Ich glaube aber auch, dass Aggressionen sich nicht "einfach in Luft auflösen". Wir sind doch in einem stetigen Prozess und setzen uns mit uns, unserer Vergangenheit und unseren Erfahrungen auseinander. Dadurch sind wir ja auch in der Lage, Bewertungen und Perspektiven zu verändern und damit vielleicht auch unsere Aggressionen. Bewertungen, Gedanken und Gefühle hängen ja immer zusammen. Wenn ich es also schaffe, eine Erfahrung neu zu bewerten, schaffe ich es ja auch mein Gefühl darüber zu verändern.
    Vielleicht Fibra, hast Du ja so einige Aggressionen "verloren"?
    Andererseits glaube ich auch, dass man Gefühle die unangenehm sind gut verdrängen kann und dann nicht mehr so gut spürt. Die sind dann nicht weg, nur nicht mehr bewusst spürbar. Irgendwann kann es dann passieren, dass sie sich in irgendeiner anderen Form wieder äußern. Kann nur dazu sagen: Gefühle sind total wichtig, auch die unliebsamen wie Aggression. Wut und Aggression reguliert unsere Distanz zur Umwelt und zeigt uns unsere Grenzen. Man muss nur lernen sie adäquat auszuleben. Btw bin ich davon, trotz all des klugen Geredes gerade, weit davon entfernt ;).
    LG Minun

  • Mir sagte mal ein trockener Alkoholiker, wenn er nur einen Schluck trinkt, dann drehen sich seine Rädchen im Kopf verkehrt. -- Alles läuft dann nach und nach ins Negative, wie eine Spirale, die sich plötzlich nach innen dreht.
    Mir scheint, daß es sich mit dem SVV nicht anders verhält.

    Es ist ein wesentlicher Unterschied, ob ich meine Agression nicht warnehme, oder nur gerade nicht auslebe. Letzteres ist eine Frage der Entscheidung, nicht der Selbstwahrnehmung.
    Selbstwarmehmung ist nicht notwendiger weise, das bewußte schwelgen in und reflektieren von Emotionen, es reicht oft sie zu spüren und dann auch wieder loszulassen.
    Kommen und gehen lassen, heißt meine Devise, auch wenn mir das keineswegs immer gelingt.

    Oft setze ich mich genervt und verspannt zwischen die Schafe in die Scheiße und lasse meine Gedanken locker schweifen. Tagesreste klingen nach, verdrängte Gefühle steigen auf und klingen auch wieder ab. Nur Wenig, was mich länger beschäftigt.
    Und dennoch bleibt auch vielles ungelöst im Koffer meiner Erinnerung. Lediglich für den Moment werde ich frei und schöpfe Kraft.

    Solche Integrationsphasen gelingen mir nicht immer, aber immer öfter. Auch sind sie individuel. Manch einer Meditiert, macht Yoga, Tai Chi, Tanzt, Improvisations Theater, oder findet es beim Joggen.

    Dennoch ist das kein Weg der Selbstkontrolle, von wenigen grundsätzlichen Entscheidungen einmal abgesehen. Sondern ein Weg sich selbst anzunehmen und zu zulassen. Als ich meine Gefühle noch beherrschen wollte, wollte ich mich auch stimmulieren und habe gesoffen.

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