Depression oder nur eine Phase

  • Hallo zusammen ich bin neu hier und weiss eigentlich garnicht so recht was ich nun eigentlich genau schreiben soll ... es fällt mir eigentlich doch schon schwer überhaupt als Mann über so etwas zu reden, aber ich versuche mir Mühe zu geben ...

    Mein Hauptproblem: Bin ich Depressiv oder nicht ? Es wird ja immer wider gesagt das es eine Krankheit ist aber es ist trotzdem schwer festzustellen.

    Privat und beruflich habe ich derzeit einige Probleme, das kann ich nicht von der Hand weisen, versuche es mir aber nicht anmerken zu lassen. Ich rede nicht gerne darüber auch Freunden nicht gegenüber .... zumal ich nur wenige davon habe und bisher eigentlich nur für meine Arbeit "existiert" habe.

    Erst jetzt wo ich meine Arbeit nicht mehr habe stelle ich fest das ich eigentlich nicht wirklich etwas besitze obwohl ich alles habe was man sich so eben wünscht, ein Auto, eine eigene Wohnung, ein kleines Segelboot und noxh vieles mehr. Habe festgestellt das ein alter Freund der jahrelang Arbeitslos, ist aber Familie hat, mehr hat wie ich ... nicht nur das Thema "Familie" meine ich damit, auch andere Dinge die man sich so nicht kaufen kann.

    Es ist inzwischen so das wenn ich in den Spiegel schaue, das ich sehe das ich was aus mir gemacht habe, aber zu dem geworden bin was ich immer am meisten verteufelt habe ... ich bin ein Arbeitstier, Geizig, Erfolgsorientiert und materialistisch. Ich habe Talent und ich habe Fähigkeiten und ich habe viele Chancen genutzt .... aber dadurch musste ich auf vieles verzichten oder gar Opfer bringen.

    Für einige Entscheidungen hasse ich mich mittlerweile, die Wut kocht in mir hoch und beim Sport (Kickboxen) habe ich mir letztens die Hand blutig geschlagen.

    Der Gedanke mich nur durch meine Arbeit zu definieren stimmt mich nicht wirklich glücklich. Manchmal sitze ich in meiner Wohnung Abends am Fenster und beobachte das treiben oder mache einen längeren Spaziergang aber nichts scheint mich wirklich aufzumuntern oder gar abzulenken. Ich koche ausgiebig und gerne, aber im nachhinein schmeiße ich es dann doch wieder weg. Ich zeichne und male sehr viel, auch schon aus beruflichen Gründen, aber momentan fehlt mir jegliche Inspiration, was ich mir in der Arbeit, wenn ich wieder eine hab, nicht erlauben kann.

    Ich habe Angst davor Arbeit zu finden, Angst davor zu versagen weil ich dann nichts mehr bin, nur weil mir die Inspiration und Motivation fehlt.

    Vor allem komme ich mir kalt und gefühllos vor, anderseits halte ich mich doch eher für sensibel, nur drücke ich das anders aus, früher malte ich Bilder, mein liebstes Motiv sind Hände da sie so vielfältig sind und soviel ausdrücken können ob alleine oder zusammen mit fremden Händen. Ich schreibe gerne Gedichte und führe sogar Tagebuch. Aber mittlerweile ... schwierig das zu beschreiben. Ich nehme den Bleistift in die Hand führe dann aber mit dem Radiergummi mehr Bewegungen aus als mit dem Stift.

    Ich flüchte mich in Beschäftigungen um mich beruflich in einigen Bereichen zu spezialisieren, erweitere meinen Horizont in Programmiersprachen usw. Hauptsache ich komme nicht großartig zum Nachdenken, versuche mich mit irgendwas abzulenken .... paar mal bin ich schon am Schreibtisch eingeschlafen.

    Ok, das war jetzt ziemlich viel, im wesentlichen will ich eigentlich darauf hinaus: Bin ich nun krank ? Bin ich noch normal ? Was kann ich tun ?

    Eigentlich hasse ich das Wort Normal weil ich es viel zu oft gehört habe ich sei es nicht ... durfte mir oft anhören das ich "komische" Hobbys habe oder "seltsam" bin, vermutlich habe ich deshalb Abstand von anderen genommen nur um mich nicht mit solchen Äußerungen auseinander zu setzen. Musste mir damals immer wieder anhören das ein Mann gefälligst andere Hobbys haben sollte.

    Ich kann verstehen wenn das alles seltsam klingt, erwarte auch nicht wirklich Hilfe, vielleicht hilft es auch schon das ich das alles hier mal niederschreibe um meine Gedanken zu ordnen, den Kopf mal leer zu kriegen.

    Naja, morgen erstmal ein Vorstellungsgespräch, vielversprechend, aber wie schon gesagt die Sache mit der Angst und Motivation ...

    Gruss Sven

  • Hallo Sven

    Ob du Depressionen hast oder eben nicht kann nur ein Arzt diagnostizieren. Ich les es so, als ob du in deinem Leben an einem Punkt angekommen bist, wo du dich selbst fragst , ob das alles sein kann? Und du eben sehr unzufrieden bist mit dem was du erreicht hast. Ich finde solche Momente im Leben wichtig, denn dadurch kannst du deinem Leben eventuell eine andere Richtung geben. Nämlich die Richtung in die du Gefühlsmäßig möchtest.

    Durch solche Momente kannst du bewußt feststellen was dir fehlt und was du noch erreichen möchtest. Und ob andere deine Hobbys seltsam finden, da solltest drüber stehen. Aus Erfahrung weiß ich das Hobbys die anderen gefallen, einen nur selten glücklich machen. Also bleib bei dem was dir Freude bereitet. Ich find es sehr wichtig in der Freizeit Dinge zu tun die einen erfüllen. Das gibt, zumindest mir, Kraft für den Alltag.

    Sollte deine Antriebs- und Freudlosigkeit allerdings anhalten, dann würde ich dir zu einem Arztbesuch raten.

    Warum schmeißt du dein selbst gekochtest weg? Kein Hunger oder nicht zufrieden mit dem Ergebnis? Ich koch selbst total gern und ich schmeiß ganz ungern etwas weg. Kochen ist ein tolles Hobby *find*

    lg
    destiny

  • Danke für eine schnelle Resonanz ... ich denke mal es ist aktuell einfach nur ne Phase die vorüberstreichen wird. Eigentlich sollte ich zufrieden sein mit dem was ich habe aber irgendwie bin ich das nicht und weiss nicht warum, es gibt Menschen denen es deutlich schlechter geht wie mir und dann komm ich mit so einer Kleinigkeit daher. Zu dem kochen: Es ist entweder so das ich mit dem gekochtem nicht zufrieden bin oder ich einfach gar keinen Hunger mehr habe bzw. keine Lust habe etwas zu essen ... das ist mittlerweile so schlimm das ich in den letzten Tagen gar nicht mehr am Herd stand oder schon wehrend des versuchs mich die Unlust einholt ... dann bestell ich mir etwas oder geh einfach noch Abends in ein lokal oder esse gar nichts ... von welchen Zeitraum sprechen wir, ab wann es eventuell ratsam wäre eine Arzt aufzusuchen wenn meine Antriebslosigkeit anhält.

  • Hallo Sven,

    diese Antriebslosigkeit kann über Jahre hinweg dauern. So geht es mir zumindest. Sie hat viel was damit zu tun, wie erfüllt man ist, von dem, was man hauptsächlich macht, aber auch von den sozialen Kontakten, die man pflegt.

    Ich kann mich noch gut erinnern an Sylvester 2008. Statt mich auf das nächste Jahr zu freuen, verkroch ich mich in mein Bett, zog die Decke über den Kopf und schluchzte. Es gab einfach nichts, worauf ich mich freuen konnte. Ich fühlte mich so einsam und hatte schreckliche Sehnsucht nach der einen, großen Liebe, die mir bis dahin nicht begegnet war. Mein Studium füllte mich nicht aus, da war so eine Leere in mir, und auch meine Komilitonen waren so ganz anders als ich.

    Ich zweifelte an mir und der Welt. Das war ein Wendepunkt in meinem Leben.

    Das Jahr darauf suchte ich verstärkt den Kontakt zu anderen Menschen (u.a. auch in einem Selbsthilfeforum wie diesem hier), ich begann mich zu öffnen und für andere zu interessieren. Ich war zwar immer noch einsam, aber ich merkte, dass ich nicht die einzige meiner Art war. Ich begann wieder Gedichte zu schreiben, mich für Männer zu interessieren und unternahm auch recht viel. 2009 war ein gutes Jahr. Was mich rettete, war Musik, Meditation, das Schreiben, Bewegung an der Sonne und Entspannung im Freien.

    2010 startete leider mit einem tragischen Familienunglück, begleitet von einem Leistungsabsturz im Studium und ich war so unglücklich wie noch nie zuvor in meinem Leben. Aber dann traf ich meinen Schatz, der mich mit seiner Liebe aus diesem Loch rettete. Er regte mich zu vielem an, u.a. eine belastende Arbeitssituation zu beenden. Ich ging auch zu einer Psychologin, die mir half, mich besser zu verstehen.

    Momentan geht es mir aufgrund meiner Antriebslosigkeit in Bezug auf das Ende meines Studiums nicht so gut, aber bald ist auch diese Episode in meinem Leben geschafft. Ich bin im Begriff, mich von meiner Familie abzunabeln, was mir aber auch schwer fällt. Ich überlege mir, später eine Therapie zu machen, wie mir meine Psychologin empfohlen hat, um tief liegende Kindheitstraumata zu verarbeiten und belastende Verhältnisse zu meiner Familie aufzulösen.

    Was ich dir mit meiner kurzen Lebensgeschichte sagen will: Das Leben ist ein Auf und Ab. Gerade, wenn es dir am schlimmsten geht, passiert irgendetwas Unerwartetes Gutes. Halte nur noch ein wenig durch. Alles hat seinen Sinn, auch die schweren Zeiten. Sie lassen uns überhaupt erst die guten Zeiten wertschätzen. Es wundert mich nicht, dass du gerade jetzt, zu Jahresbeginn, über dein Leben reflektierst. So ging es mir auch, all die vergangenen Jahre. Ich denke, es ist eine Phase. Eine Phase, die sich zwar über mehrere Jahre erstrecken kann, aber auch diese Phase geht vorüber. Ich denke, am Ende eines Lebensabschnitts hat jeder mehr oder weniger solche Phasen. Denk bitte daran, dass jedes Ende zugleich den Beginn für etwas Neues markiert. Es ist nur gesund, darüber nachzudenken, was man aus seinem "alten Leben" in das neue mitnehmen will und was man ändern will.

    Ich wünsche dir alles Gute, viel Kraft und Hoffnung.

    Liebe Grüße

    Anna

    P.S.: Ob es "nur" eine Phase ist oder eine ausgewachsene Depression, weiß ich nicht. Es könnte auch eine schwere depressive Phase sein. In allen Fällen würde dir vermutlich ein Gespräch mit einem Psychologen weiterhelfen. Es gibt auch sehr unterschiedliche Formen von Depressionen, die unterschiedlich heilbar sind. Es gibt zum Beispiel manisch Depressive, die sich nur schwer behandeln lassen. Es gibt aber auch Depressionen, die durch eine Lebenskrise verursacht werden und dementsprechend durch eine Verbesserung der Lebensumstände geheilt werden können. Ich gehe mit meiner Depression oder was es auch ist zwar nicht hausieren, aber es ist auch nichts, wofür man sich schämen müsste. Es gibt viele Betroffene, Tendenz steigend. Ich habe mal gelesen, dass nicht die Menschen an sich krank sind, sondern ihr Leben sie krank macht. Da ist viel Wahres dran, wenn man den Stress im Beruf, die Hektik im Alltag und die Einsamkeit im Privaten bedenkt. Schließlich sind wir auch nur Menschen!

  • Danke dir Anna für deine ausgiebige Antwort und deinem Auszug aus deinem Leben ... irgendwie ist es schon was anderes, zu lesen das man mit einem solchen Problem kein Aussenseiter ist. Ich kann Dir aus Erfahrung berichten das, dass Ende des Studium eine Veränderung ist, aber versuch dabei nicht an die Arbeitslosigkeit zu denken sondern vielmehr an die Möglichkeiten die dir offen stehen. Ich musste auch erst akzeptieren das Arbeitslosigkeit nichts schlimmes ist und sie wird auch vorübergehen.

    Um es nochmal zu präzisieren, bei mir ist es nicht so das mir eine Frau fehlt, damit habe ich schon vor langer Zeit abgeschlossen. Damit meine ich das jeder mal vor der Entscheidung steht Karriere/Arbeit oder Frau/Familie. Ich habe mich damals für die Karriere entschieden und werde das auch weiterhin tun. Ersatz für die nicht vorhandene Familie habe ich in anderen Tätigkeiten gefunden, in meiner Freizeit bin ich Jugendleiter beim DRK und Sporttrainer im Verein, alles Ehrenamtlich. Ich arbeite gerne mit Kindern zusammen und versuche Ihnen zu helfen da wir viele Sozialfälle behandeln. Ich hatte es als Kind selber nicht leicht und weiss wie das ist und hätte ich damals solche Unterstützungen gehabt wäre ich dankbar gewesen, deswegen kann ich Ihnen etwas geben was ich damals nie hatte.
    Durch diese Aktivitäten habe ich natürlich auch viel Kontakt mit Menschen, muss mich viel mit Ihnen beschäftigen aber bis heute kann ich nicht wirklich Behaupten jemanden darunter zu kennen der mich versteht oder so akzeptiert wie ich bin, den ich einen besten Freund schimpfe oder mit dem ich mal zusammen ins Kino geh. Bin da eher derjenige der mal so nebenher gefragt wird und dann einfach mitgeht. Ich bin auch nicht jemand der dabei auf Resonanz hoft oder Bestätigung, die habe ich in meinem Beruf schon zu genüge.

    Aber scheinbar kenne ich mich selbst nicht gut genug ansonsten wüsste ich nicht woher diese Freud- und Antriebslosigkeit kommt.

  • Ich finde, was du schreibst, ist sehr widersprüchlich. Einerseits lässt du niemanden an dich heran, andererseits wünschst du dir einen besten Freund. Einerseits hasst du deine Entscheidung für die Karriere und gegen Familie, andererseits hast du mit Frau/Familie "abgeschlossen". Ich verstehe übrigens nicht, wie man damit abschließen kann! Für mich gehört Familie UND Arbeit selbstverständlich zum Leben dazu. Da muss man nix opfern, man kann beides haben. Aber mir musst du es ja nicht recht machen, sondern dir! Aber scheinbar wirst du dir eben nicht gerecht.

    Du lebst sehr kopflastig. Du kalkulierst, triffst bewusst Entscheidungen, lebst danach und wunderst dich, warum dein Herz nicht mitmacht. Deinem Herzen fehlt was, obwohl es ihm laut deiner Berechnung an nichts mangeln dürfte! Aber wie kannst du deinem Herzen befehlen, was es zu fühlen hat? Warum bist du so hart zu dir und verwehrst dir das nur allzu natürliche Bedürfnis nach Geborgenheit bei Frau und Familie?

    Es ist leichter, sich um fremde Menschen zu kümmern, als um die eigene Familie oder um sich selbst. Weil man sie einfach nicht so nahe an sich heranlassen muss. Du hast Angst vor Nähe! Hast du Nähe jemals erfahren?

    Du lebst ein scheinbar selbst bestimmtes Leben, aber in Wahrheit bist du ein Getriebener deiner Vergangenheit. Du baust dein Leben um Liebe und Nähe herum. Du stürzst dich in Aktivitäten, um das traurige Kind in dir nicht wahrnehmen zu müssen. Du gibst vor, Liebe nicht zu brauchen. Und verleugnest damit deine Natur.

    Weißt du was Selbstliebe ist?

    Du lebst, aber du liebst nicht. Du existierst, aber du lebst nicht.

  • Zitat

    Um es nochmal zu präzisieren, bei mir ist es nicht so das mir eine Frau fehlt, damit habe ich schon vor langer Zeit abgeschlossen. Damit meine ich das jeder mal vor der Entscheidung steht Karriere/Arbeit oder Frau/Familie. Ich habe mich damals für die Karriere entschieden und werde das auch weiterhin tun.

    Hmm... ob man diese Entscheidung nun so grundlegend treffend muss, sei einfach mal dahingestellt. Selbst wenn man karriereorientiert ist, gibt es genug Partner, die eben diese Orientierung mittragen, vielleicht selbst ähnliche Prioritäten für sich setzen. Die Form eines Zusammenlebens ist so unterschiedlich wie die Menschen, die Dieses gestalten. Die Karriereorientierung einer Partnerschaft muss nicht zwangsläufig etwas über deren Qualität aussagen.

    Ich hoffe, ich trete dir nicht zu nahe, wenn ich nach deinem Alter frage. Das würde mich einfach an der Stelle mal interessieren.

    Du sagst, du hättest mit dem Thema Partnerschaft und Familie abgeschlossen. Ich persönlich würde mich nicht wundern, wenn dein aktuelles Problem damit auch irgendwo in Verbindung stünde. Ich glaube ja, dass eine fehlende Partnerschaft in jüngeren Jahren nicht so wild ist, durch vielerlei andere Sachen kompensiert werden kann. Je älter man wird, umso mehr treten mit großer Wahrscheinlichkeit andere Gesichtspunkte zunehmend in den Vordergrund. Was nützt schon das ausgefüllteste Leben, wenn da niemand ist, der es mit einem teilt, die eigenen Leistungen und Anstrengungen im Mitauskosten spiegelt? Ich glaube ja persönlich, dass hier ein urmenschliches Bedürfnis liegt, mit welchem man nicht einfach "abschließen" kann. Das hat auch nichts mit Bestätigung oder Bewunderung zu tun, sondern damit, dass wir Menschen uns oft schwer tun damit, Glück zu empfinden, wenn wir dies isoliert für uns empfinden sollen. Resonanz ist jedoch schon ein wichtiges Thema, finde ich. Fällt unser Wirken nicht auf einen nährenden Resonanzboden, strahlt es irgendwo nur als Teil, den man gegeben hat in die Welt hinaus.

    Viele schaffenskräftige, hochproduktive Menschen kannten ähnliche Phänomene, wenn sie lange an einem wie auch immer gearteten Werk arbeiteten, Dieses fertig stellten und es in die Welt entließen. Freud verglich diesen Zustand wiederholt mit postpartaler Traurigkeit, die viele Frauen befällt, wenn sie ihr lange so nah getragenes "Produkt" in die Welt entließen. Der unmittelbare Widerhall des Geschaffenen fehlt. Natürlich wird ein Schreibender immer binnen kurzer Zeit Kritik bekommen, ob nun wohlgesonnen oder nicht, aber die eigentliche Wirkung, das Echo seines Werkes, das unverkennbare Zeichen von Selbstwirksamkeit, wird er vielleicht Zeit seines Lebens nicht mehr vernehmen dürfen.

    Mal rein um dein Beispiel mit dem Essenkochen herumassoziiert und -fantasiert, kommt für mich irgendwo diese Problematik durch. Schließlich kenne ich dieses Phänomen auch von mir selbst. Bin ich allein zu hause, soll nur für mich kochen und mache mir mal Mühe damit, schmeckt es mir oft dennoch nicht. Oft esse ich dann sogar nur trockene Brötchen, weil mir schlichtweg der Antrieb dazu fehlt. Das hat auch nichts damit zu tun, dass ich mir das nicht wert wäre. Nein, es fehlt mir einfach der rechte Spaß an der ganzen Geschichte.

    Ist natürlich nur eine Fantasie von mir um dein Geschriebenes herum, aber diesen Gedankengang möchte ich dir dennoch gern mitteilen:
    So recht Depressiv im Sinn einer ausgewachsenen Depression mit Krankheitswert kann ich dich mir schlecht vorstellen. Auf mich wirkst du desillusioniert bezüglich deines Lebensentwurfs, schlägst dich mit dem herum, was man so gern Sinnkrise nennt. Die vielzitierte Midlifecrisis ist ja nun auch nicht an ein spezifisches Lebensalter gebunden, auch wenn diese natürlich gehäuft entsprechend üblicher äußerer Umstände in diesen Zeiten zu Tage tritt.

    Eine thematische Empfehlung hätte ich für dich. Nicht weil ich dich dafür hielte, sondern weil ich der Überzeugung bin, dass sich viele Menschen in unserer Gesellschaft damit auseinandersetzen sollten: Die narzisstisch orientierte Persönlichkeit. Die negative Besetzung muss man natürlich erst einmal ignorieren, genau wie die literarische Bedeutung der übersteigerten Selbstliebe. Im Wesentlichen geht es eigentlich darum, was passiert, wenn ein Mensch an seinen ureigenen Bedürfnissen vorbei lebt. Viele im weitesten Sinne im Feld der Psychologie Arbeitenden halten das ja für ein im Moment eher gesamtgesellschaftliches Phänomen.
    Nun, auf jeden Fall denke ich, dass du da die eine oder andere Antwort auf gewisse Fragen finden könntest.

    LG
    WbD

    PS: Ganz vergessen: Allein bist du damit absolut nicht. Mich plagen regelmäßig auch ähnlich geartete Sinnkrisen, Fragestellungen und Gefühle... beruflich war ich seinerzeit auch mal auf einem ähnlich aufsteigenden Ast, bevor ich die Notbremse zog, ziehen musste. :grinning_face_with_smiling_eyes:

  • Hallo WrongByDesign,

    ich finde es sehr sinnig, was du geschrieben hast! An den menschlichen Bedürfnissen vorbei leben. Gesamtgesellschaftliches Problem. Narzistisch orientierte Persönlichkeit als Lösung. Hm. Passt alles zusammen.

  • Vielen dank für die ausgiebigen Antworten,

    ich versuche das niedergeschriebene nochmal zu verarbeiten. Um auf die Frage auf mein Alter zurück zu kommen, ich bin mittlerweile 32 Jahre jung, habe auch schon einige Beziehungen gehabt und versucht, dabei habe ich festgestellt das ich in Beziehungen immer ziemlich viel Kraft investiere das früher oder später die Arbeit darunter leidet. Ich war leider der Typ in der Beziehung der viel gibt und wenig dafür erwartet, leider konnte ich das nie kontrollieren und war oft mit Geschenken und Gefühlen zu verschwenderisch.

    Es gab Beziehungen die ich sehr früh beendet habe, vielleicht auch zu früh weil ich Angst hatte die Kontrolle darüber zu verlieren, es gab Beziehungen in der Sie mich betrogen hat, Beziehungen in der Sie einfach verschwunden ist ohne das ich Sie etwas Fragen konnte, Beziehungen die mir Kraft gaben und inspirierten die aber leider beendet werden mussten weil sie ins Ausland ging oder Beziehungen die ich eingegangen bin weil andere es für gut befanden.

    Ich bin mittlerweile ein sehr vorausschauender Mensch, Plane und durchdenke viele Aspekte und Dinge bevor ich mich wirklich in etwas zu sehr vertiefe oder hinein fallen lasse, das ist mittlerweile sogar ein Art Zwang ... warum ich das tue, kann ich nur spekulieren, es gibt mir Sicherheit und das Gefühl der Überschaubarkeit und Kontrolle.
    Natürlich kann man Beziehungen, Gefühle und derartiges nicht wirklich kontrollieren ... und gerade deshalb halte ich mich wahrscheinlich bewusst davon fern, ist das aber so falsch ?
    Ich bin bisher wunderbar, seid 3 Jahren, ohne den Gefühlsstreß deutlich besser zurecht gekommen, konnte mich ganz der Arbeit widmen und habe mich im Beruf weiterentwickelt und Dinge erreicht auf die ich Stolz bin.

    Etwas ausschlaggebendes was mich auch zu dieser Überzeugung geführt hat war die Firma für die ich gearbeitet habe. Anfangs habe ich das gar nicht bemerkt doch jetzt wo ich über alles Nachdenke... . Mir wurde immer veranschautlicht: "Eine Familie hält dich auf" .... ich kenne viele beispiele, wo der Kollege eine Babypause eingelegt hat und nach dieser Zeit nicht mehr zu alter stärke zurückgefunden hat, das resultat war natürlich das er versetzt wurde oder einer , welcher mit seiner Lebensgefährtin zusammen zog, seitdem immer pünktlich Feierabend machte um rechtzeitig daheim zu sein, das Resultat auch hier, dass er berufliche Einschnitte machen musste. Weil ich quasi in diesem Umfeld aufgewachsen bin, da ich dort mein Studium und meine Ausbildung gemacht habe, denke ich das sich viel dieser Mentalität abgefärbt hat.

    Doch der Gedanke daran, mittlerweile zu einer Maschine geworden zu sein war auch der Hauptgrund warum ich mich entschieden habe dort auszusteigen.

    Es war meine Schwester die mich Sylvester dazu gedrängt hat mal darüber nachzudenken was aus mir geworden ist, sie meinte ich wäre eine gespaltende Persönlichkeit wo die Grenzen nicht erkennbar sind, einerseits der nette Ausbilder und Jugendleiter der Spass hat auch mal das Kind rauszulassen, anderseits der typische Business Mensch der kalkuliert, berechnet, plant und sich strenge Regeln setzt, der kapitalistisch und materialistisch.

    In zuvielen Situationen, so meint sie, gewinnt dieser Business Mensch die Oberhand und setzt Verstand vor allem anderen.

    Das war der ganze Auslöser. Seitdem geht es mir eben so "mies" ... mit ein paar treffenden Worten hat sie mir einen Spiegel vorgehalten was schon schmerzlich war. Anderseits hat es gut getan mal zu hören wie ich bin, war ich doch sonst von Angestellten und Mitarbeitern umringt die stets meine Aufmerksamkeit wollten und um meine Gunst gebettelt haben.

    Aber nun weiss ich eben nicht weiter ... natürlich werde ich wieder anfangen zu arbeiten doch irgendwas sträubt sich dagegen. Es ist inzwischen schwierig zu erkennen, handel ich überhaupt noch richtig ? Ist es eine Frage des Verstandes oder sollte ich mehr aus dem Bauch hinaus entscheiden ? Das sind schon alltägliche Entscheidungen die mir zu schaffen machen ... aber nun gut nun muss ich los, das nächste Vorstellungsgespräch wartet mal wieder.

  • Ich habe jetzt nicht alles gelesen, aber für mich klingt's ein bisschen, als wärst du überarbeitet, was nicht heißen soll, dass du dich anstellst o.ä. Überarbeiten sein ist genauso schlimm wie Depressionen, nur lässt es einen nicht aus der Verantwortung, wie es die Diagnose Depressionen tut. Bei einer Krankheit ist es viel leichter, sich hängen zu lassen, als wenn man z.Bsp. überarbeitet ist, weil man dann selber gefragt ist, etwas zu ändern.

    Vielleicht hilft es dir, ein paar Tage lang mal wirklich nur Dinge zu machen, die Spaß machen. Wahrscheinlich wirst du jetzt sagen "mir macht aber im Moment nichts Spaß" oder "ich muss immer alles perfekt machen und dann macht's auch keinen Spaß mehr", aber vielleicht kannst du dich einfach drauf einlassen. Ich habe jahrelang selber auch hauptsächlich "funktioniert" und irgendwann dann festgestellt, dass ich vor eine Wand laufe. Letztes Jahr habe ich dann gleich den gleichen Fehler wieder gemacht, bis ich irgendwann merkte, es geht nicht mehr und zum Glück genau dann die Ferienzeit kam und ich einfach mal wieder ausspannen konnte. Mir hat es geholfen, mir ein neues Hobby zu suchen, mich zu zwingen 'gut zu mir zu sein'. Das heißt, ich koche mir ganz bewusst mal etwas zu essen mit dem Gedanken, das mache ich jetzt nur, um mir selber etwas gutes zu tun. Wenn's Essen schief geht, dann kipp ich noch ein wenig Salz hinterher, damit's noch schrecklicher schmeckt und mach mir dann ein Späßchen daraus, drei Löffel zu essen und dann herzlich über meinen Misserfolg zu lachen.
    Herbert Grönemeyer singt in einem seiner Lieder "Lach, wenn's nicht zum weinen reicht!" und manchmal ist das das beste, was man machen kann.

    Ob du an Depressionen leidest, das kann nur ein Spezialist klären. Ich persönlich finde, dass viele Depressionen einfach nur schlechte Phasen sind, die keiner Medikamente sondern einfach nur ein wenig Coachings bedürfen, um einen wieder auf die Spur zu bringen. Vielleicht musst du einfach wieder lernen, dass man auch ausspannen darf, eine Freundin/Frau an der Seite haben kann, mit Freunden abends abhängen, mal pünktlich Feierabend machen, etc.
    Manche der erfolgreichsten Menschen sind übrigens Familienmenschen. Freizeit und Freunde, sowie Familie sind sehr wichtig um die eigene Batterie immer wieder aufzuladen und dafür zu sorgen, dass man weiter rund läuft. :smiling_face:

    Hast du mal an Burnout-coaching gedacht? Falls es deine finanzielle Situation zulässt, gibt's sehr viele 'Kurs'-angebote, in denen man ein paar Grundlagen gelehrt bekommt und bei vielen reicht das schon, um ihnen neue Wege aufzuzeigen. Das Wichtigste in den meisten Lebenskrisen ist, dass man weiter macht und neue Wege findet. Stagnation ist das Ende und oft auch der Anfang einer ausgewachsenen Depression.

  • Hallo Wattwurm!

    Immer funktionieren zu müssen - ich glaube das ist das Problem, worunter der moderne Mensch leidet. Wir schaffen uns im Grunde eine Welt, die menschenfeindlich ist, die die menschliche Natur verleugnet. Die Arbeit wird zum einzigen Lebensinhalt und irgendwann ist der Mensch nur eine leere Hülle, eine Maschine, nichts weiter. Er gibt die Selbstbestimmung über sein Leben aus der Hand. Wir denken, wir tun das alles nur für unsere Karriere. Schließlich zwingt uns ja niemand dazu. Aber auf dem Weg dahin bleiben wir als Persönlichkeiten auf der Strecke. Am Ende wundern wir uns, warum wir uns so leer fühlen, warum uns nichts erfüllt. Wir geben uns selbst die Schuld, schließlich hätten wir es besser wissen müssen, worauf wir uns da einlassen. Oder wir geben zu, dass wir einfach nicht so leistungsfähig sind und fühlen uns minderwertig, gar wertlos. Ich weiß nicht, wer Schuld daran hat, das System oder der Einzelne oder beide. Man muss sich schon sehr früh wehren, wenn man nicht eine leere Hülle von vielen werden will. Man muss schon sehr früh begreifen, was das System mit einem macht. Es macht nichts anderes als mindfucking auf höchstem Niveau mit uns. Es lockt uns mit dem Versprechen nach einem besseren Leben, spielt unsere Eitelkeit gegen uns aus, etwas Besseres sein zu wollen als wir sind, missbraucht unsere Hoffnung, vergewaltigt unsere Seelen und hinterlässt uns als leere, ausgelutschte Hüllen. Und da wundern wir uns noch, dass wir nicht erfüllt sind von Freude? Wir sind erbärmlich. Das ganze Streben nach Anerkennung, Geld und Macht drängt uns in ein Dasein, das des Menschen nicht würdig ist.

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