Außenseiter weil kein Kinderwunsch

  • Hallo Leigh-Allyn

    ich muss jetzt doch kurz auf Deinen Beitrag antworten, dem ich inhaltlich so nicht ganz zustimme. Ich bin selbst 34 ohne Kinderwunsch, der bei mir auch noch nie vorhanden war, da ich so viele andere Interessen in meinem Leben habe, die mich voll in Beschlag nehmen, dass ich ehrlich gesagt nie ernsthaft daran gedacht habe, überhaupt ein Kind zu bekommen. Ich zähle wohl zu den 40% kinderloser Akademikerinnen, denn irgendwo müssen die ja her kommen :winking_face:

    Wenn ich ganz ehrlich bin, waren Kinder für mein Empfinden jemals positiv noch negativ besetzt. Vielleicht ist das jetzt ein blödes Beispiel, aber wenn jemand homosexuell ist, dann weiß er auch nicht (oder könnte es sich wohl nicht einmal vorstellen) heterosexuell zu sein. Genauso ist das bei mir mit Kindern. Diese Sehnsucht nach Nachwuchs kenne ich nicht, dazu müsste man wohl in eine kinderlastige Familie hinein geboren sein und schon in jungen Jahren sehr viel Zeit mit Kindern verbracht haben. Das ist bei mir aber nicht der Fall, so dass ich dem Thema "Kind" aus Sicht einer Mutter keine Bedeutung beimessen kann.

    Als Jugendliche habe ich mal eine Zeit lang Kinder gehütet und habe die Erfahrung gemacht, dass ich - wenn überhaupt - keine lauten und selbstdarstellerischen Kinder mag, sondern gerade die leiseren. Ich war selbst eher still, schon immer irgendwie intellektuell, wollte lieber etwas mit Erwachsenen zu tun haben und kann mich damit besser identifizieren. Weiß aber aus eigener Erfahrung, wie schwer es solche Kleinen gegen sogenannte verwöhnte Schreikinder haben und leider geht es heute mehr und mehr darum sich durchsetzen zu können. Zudem stimmen meine Erziehungsideale nicht mit der liberalen Anti-Erziehungshaltung überein. Und ich bin, dank zahlreicher anderer Interessen, die mir wichtig sind und woraus ich für mich persönlich einen Sinn ziehen kann, wahrscheinlich davor gefeit, eines Tages wie von Dir beschrieben "frustriert" zu sein.

    Warum auch? Zählen soziale Projekte für Tiere, alte bzw. hilfsbedürftige Menschen und die Dankbarkeit in deren Augen, ihnen neue Hoffnung gemacht zu haben nicht eben so als sinnspendend wie das Lächeln eines Kindes? Ich finde mich eher auf diesem Terrain zurecht bzw. bin bereit dort meinen Beitrag zu leisten, dann abends die Tür hinter mir zuzumachen und mir zusammen mit meinem Partner einen ruhigen Abend zu machen.

    Leider werden Menschen, die so leben wollen, sehr schnell als Außenseiter abgestempelt und oft nur aus Unwissen, weil viele leider allzu oft bereit sind traditionelle und überromantisierte Vorstellungen von "Heim und Kind" unreflektiert herunter zu beten. Besonders, wenn man irgendwo auf dem Land wohnt. Meine Frustration ist also eher dahingehend gerichtet, dass ich von mir aus in der Lage ohne Kind durchaus glücklich sein kann, aber nach außen ständig das Gefühl habe, mich dafür rechtfertigen zu müssen. Ich brachte das Beispiel der Homosexualität deshalb an, weil ich mir durchaus bewusst bin, dass es auch bei einem mangelnden Kinderwunsch um ein "Minderheitenthema" geht, dem die Mehrheit so wohl nicht folgen kann. Aber ist das meine Schuld, dass ich so bin wie ich bin? Sollte ich mich nur deshalb verbiegen, damit ich in den Club der "glücklichen Mütter" aufgenommen werden kann und man hierzulande leider nur auf diese Weise sozialen Anschluss findet? Ich möchte meine Freizeit eben nicht damit verbringen, mir über die Qualität von Babywindeln den Kopf zu zerbrechen und der tägliche Gang zum Spielplatz wäre mir auch viel zu langweilig.

    Es wäre auch nicht gut für das Kind, wenn es spüren würde, dass es nur Mittel zum Zweck ist, um sozialen Anschluss zu finden. Das sollte ich dann wohl lieber den Wohnort wechseln :winking_face: Kurz: Ich könnte mir vorstellen, dass das Thema "Frustration" eher aus dieser Ecke rührt, weil Frau die Erfahrung macht, dass es sich ohne Kind ab einem gewissen Alter sozial schwer auskommen lässt. Was meinen nicht vorhandenen Wunsch dagegen betrifft, bin ich mir sehr sicher.

  • Hallo Allegra,

    ein interessanter Denkansatz, den du da hast. Aber es gibt doch bestimmt, gerade in deinem Bereich, noch andere Akademikerinnen, die genauso denken wie du und die daher einen guten Bekanntenkreis abgeben würden, oder?

  • Hallo gelberose,

    erstmal vielen Dank für Deine Antwort. Dass Ihr diesen Beitrag, der ja ursprünglich als Antwort auf ein ähnliches, schon länger zurückliegendes Thema gedacht war, als eigenen Thread veröffentlicht, geht für mich in Ordnung. Dies nur als Hinweis, damit sich niemand wundert, wegen der Anrede etc...

    Gelberose, wenn das mit dem "Bekanntenkreis" so einfach wäre, dann wäre ich nicht hier :winking_face: Wie ich erfahren konnte, kommt es wirklich darauf an, wo man lebt. Am Rand eines Ballungsraumes oder auf dem Land, wo automatisch die meisten Familien mit Kindern wohnen, wird man wohl kaum ähnliche Personen treffen. Hier hat jeder ab zwei Kindern aufwärts - was meinst du, worüber sich die meisten in dieser Kleinstadt den ganzen Tag unterhalten? Richtig, Kinder und Enkel. Ich kann das so überhaupt nicht nachvollziehen, weil das für mich ein derart eng gesteckter geistiger Rahmen ist, in dem ich überhaupt nicht leben könnte. Ich würde durchdrehen.

    Das empfinde ich persönlich als sozialen Druck, obwohl es objektiv betrachtet natürlich keiner ist. Man kann es drehen und wenden wie man will, das Thema "Kinder" ist zumindest bei uns in Deutschland ein heißes Eisen, das in den letzten Jahren zunehmend an Brisanz gewonnen hat. Kinder haben bei uns ungefähr die Bedeutung eines Statussymbols, sie öffnen viele Türen und es ist momentan Mode, viele Kinder zu haben. Ich weiß, das klingt absurd, allerdings auch verständlich, aufgrund der aktuellen Finanz- und Joblage versucht man die Misere durch den Rückzug ins Eigenheim wieder auszugleichen.

    Was meinen deutschen Bekanntenkreis betrifft... da würde wohl kaum jemand zugeben wollen, dass sie keine Kinder möchte. Das bedeutet, wie gesagt, auf dem Arbeitsplatz gemobbt und schief angesehen zu werden. Ich erinnere mich an den Fall einer Kollegin, sie war Single und Anfang 30, die schwer damit klar kam, dass ihr gesamtes Umfeld plötzlich zur "Gebärmaschine" mutierte und sprach in diesem Zusammenhang erbost immer von "Kinder werfen". Das klang schon ziemlich verbittert, und sie war es wohl auch, zudem völlig überarbeitet und kurzfristige Male im Krankenhaus. Ihr eigener Druck, den sie sich gemacht hatte, führte dann neben anderen Motiven dazu, dass sie mich aus der Firma gemobbt hat...

    Keine Ahnung, was ihr wirkliches Problem war, aber es schien so, als ob sie sich durch den neuen Lebensabschnitt der anderen allein gelassen fühlte, was ich durchaus nachvollziehen kann. Ich kann auch verstehen, dass man dann zeitweise aggressiv auf das Thema Kinder reagiert, weil diese ja scheinbar den Anlass geben, dass sich frühere Freunde und Bekannte zunehmend ins Privatleben zurückziehen.

    Damit komme auch ich nicht klar. Ich erinnere mich an eine gute Freundin, die ungewollt schwanger wurde, nachdem sie ihr damaliger Freund und heutiger Ehemann lange genug unter Druck gesetzt hatte, die Beziehung irgendwie zu festigen. In einer der Versöhnungsnächte ist es dann passiert... Oft sind es scheinbar auch die Männer, die mit dem nicht vorhandenen Kinderwunsch der Frau nicht klar kommen. Was bei meiner Freundin allerdings nicht der Fall war, da sie sich mit 25 Jahren bereits als in die Jahre gekommen betrachtete und unbedingt ein Kind wollte, da war sie noch nicht mal mit dem Studium fertig. Das hat uns dann letztlich auch auseinander gebracht, da sich in ihrem Leben plötzlich alles nur noch um das Baby gedreht hat, und wenige Jahre danach kam das zweite. Es erfordert viel Toleranz, besonders in einer Freundschaft, wenn zwei Frauen so unterschiedliche Wege einschlagen. Das funktioniert dann irgendwann nicht mehr.

    Ich habe noch nie eine Frau getroffen, die sich öffentlich zu ihrem nicht vorhandenen Kinderwunsch bekannt hat. Vielleicht im Internet gelegentlich. Deshalb war ich auch auf der Suche, ob ich die einzige bin, der es so geht. Öffentlich muss man so tun, als hätte man gerne welche und könnte keine bekommen - das wäre wahrscheinlich sogar einfacher... Das führt dann dazu, dass man Gleichgesinnte schwer findet, weil jeder vorgibt, Kinder ganz toll zu finden, sowohl die aus seiner eigenen Familie, wie auch die von Freunden und Bekannten. Bei mir führt das nur dazu, dass ich irgendwann so genervt bin von Kindern, dass ich von dem Thema noch weniger wissen will.

    Zudem wird man ständig mit Vorurteilen bombardiert wie, "biologischer Uhr", "irgendwann wirst du es bereuen" etc... interessanterweise oft von Männern erfunden, die versuchen Frauen auf diese Weise unter Druck zu setzen, sich ihren familiären Zielsetzungen zu beugen. Das ging ja aus dem älteren Thread hervor, auf den ich geantwortet habe. Viele, die sich über ihren Kinderwunsch nicht sicher sind, tun das auch meiner Meinung nach, um die Partnerschaft nichts aufs Spiel zu setzen. Viele neurotische Kinderwünsche kommen wahrscheinlich genau daher - oder dass jemand unbedingt ein Kind will, obwohl es vielleicht die finanziellen Mittel nicht zulassen (dann gibt es bei uns ja das Kindergeld und Hartz IV), man auf normalem Weg keine bekommen kann (dann gibt es die Retorte) etc. oder sie vielleicht auch keine will, aber es sich krampfhaft einredet, weil sie von ihrem Umfeld unter Druck gesetzt wird und sich damit fremdbestimmen lässt. Was ich damit sagen will ist, dass die Realität oft anders aussieht als es scheint, und dass gerade das Thema "Kinder" häufig als soziales Druckmittel gegenüber Frauen eingesetzt wird und diese dann in die eine oder andere Richtung überzogen reagieren.

    Zum Glück ist mein Partner auch nicht so versessen auf Kinder. Er hätte wohl nichts dagegen, aber er will auch nicht unbedingt welche. Wir sind uns beide darin sehr ähnlich, auch was gemeinsame Interessen und die Liebe zu Tieren betrifft. Ich könnte auch nicht mit einem Partner zusammen sein, der unbedingt ein Kind wollte, da ich ständig das Gefühl hätte, dass ihm unsere Beziehung nicht mehr genügt, und es ihm eigentlich gar nicht um mich als Person geht, sondern um meine Rolle als Mutter seiner Kinder - und ich lasse mich nun mal ungern in eine Rolle pressen.

  • Zitat von Allegra;231116

    Was ich damit sagen will ist, dass die Realität oft anders aussieht als es scheint, und dass gerade das Thema "Kinder" häufig als soziales Druckmittel gegenüber Frauen eingesetzt wird und diese dann in die eine oder andere Richtung überzogen reagieren.

    Das siehst Du irgendwie recht einseitig. Gerade die Realitaet fuer Frauen mit Kindern sieht ja oft echt nicht rosig aus. Sie bekommen keinen Job weil da ein Kleinkind mit dran haengt um das sie sich als Mutter kuemmern muss. Sie bekommen oft schwerer eine neue Wohnung weil Kinder ja alles kaputt machen und vielleicht noch auf dem Hinterhof Fussball spielen koennten worunter bei so manchem Vermieter mit Sicherheit die eine oder andere Scheibe kaputt geht. Und wenn dann noch die Frau alleinerziehend ist dann hat sie es sicher auf sozialer Ebene nicht einfacher. Auch mal so kurz am Rande erwaehnt, wenn eine deutsche Frau im Ruhrgebiet mehr als zwei Kinder hat wird sie teilweise als Asoziale beschimpft.

    Letztendlich muss es jede Frau fuer sich entscheiden ob sie Kinder haben will oder nicht. Wenn der passende Partner dabei im Leben eine Rolle spielt ist das doch vollkommen in Ordnung.

    Viele Gruesse:

    Siegfried

  • Zitat

    Ich habe noch nie eine Frau getroffen, die sich öffentlich zu ihrem nicht vorhandenen Kinderwunsch bekannt hat. Vielleicht im Internet gelegentlich.


    Hier, ich! :winking_face: Ich bin so eine, die keine Kinder will! :winking_face:

    Hm, wenn du in deinem sozialen Umfeld so unter Kinderdruck stehst, vielleicht umziehen?

  • Ich bin auch eine der sich Bekennenden, die keine (eigenen) Kinder haben will.
    Okay, könnte sein, dass das eine momentane Einstellung ist (die ich allerdings seit der Jugend habe) und dass sich das ändern wird bzw. mir ist klar, dass sich das jederzeit ändern kann - Aber momentan schließe ich das eben aus.
    Und auch wenn um mich herum zunehmen Kinder geboren werden, eine Freundin es gerade auch (langfristig) plant und ein Bekannter gerade die Elternwerden-Botschaft erhalten hat - Ich freu mich da für jeden, der sich drüber freut.

    Für mich ist das allerdings nichts, ich bin eher jemand der in der Ubahn den Sitzplatz wechselt, weil ihm eine Mutter mit Kind gegenübersitzt (also wenn das Kind laut ist).
    Ich hatte glaube noch nie ein besonderes Empfinden gegenüber (kleinen) Kindern. Solange ich sie nach einer gewissen Zeit wieder abgeben kann, okay, dann komm ich klar. Aber Muttersein und ein Kind 24 Stunden am Tag haben, das kann ich mir so gar nicht vorstellen. Sobald Kinder größer sind, ist es dann wieder anders, das is' dann okay.
    Ein Beispiel mal: Eine befreundete Mutter saß mir mit Kind gegenüber. Dann musste sie kurzfristig weg und drückte mir ihren Sohn in den Arm, dass ich ihn kurz halte und weg war sie. Ich sagte dann zu meinem Sitznachbar "nimm du das Ding".. Ich meinte das wirklich nicht böse, nur ist genau dieser Satz eben genau das, was ich da empfinde - ich empfinde gegenüber Babys/Kleinkindern nichts. (Außer sie machen Krach, dann nerven sie mich).

    Und ja, in meinem Umfeld wissen die meisten, dass ich mit Kindern nichts anfangen kann. Aber das wird soweit auch akzeptiert. Ausnahmen gibt's in besonderen Situationen immer mal, aber das ist dann auch okay.

  • Hallo,

    ich bin zumindest mal auch ne Kinderlose - wenn auch eher unfreiwillig. Aber ich find, daß es definitiv einen Rechtfertigungszwang gibt, wenn man als Frau Mitte 40 keine Kinder hat.

    Die Erwartung der Umwelt ist hoch - und ich finde auch, daß sich viele Mütter sonderbar benehmen - so als ob sie mehr wert seien, als kinderlose Frauen.

    Wenn ich mir nun die Reaktionen, die ich so ernte, vor Augen halte, und dann bedenke, wie sie wohl wären, wenn ich nicht sagen würde "ich bin halt unfruchtbar und hatte keine Lust auf eine künstliche Befruchtung", dann kann ich mir den Druck gut vorstellen.

    So ernte ich ja eher noch ein Bedauern, aber anders da wird ja schon als "Verräterin" behandelt.

    Lass dich mal bloß nicht beeindrucken, Allegra! Ein Zitieren von Liedertexten ist ja leider verboten hier, aber da hat uns Frauen doch Nina Hagen schon viel Unterstützung mitgegeben.

    LG Wolke

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!