Angst, einfach nur Angst

  • Hallo, ich war lange nicht mehr hier. Ich bin gerade im letzten Semster meines Grafikstudiums und das an sich kann man sagen, ist ja schon stressig.
    Auch noch mit dem Blick darauf, dass danach alles anders wird, ich mir eine Arbeit suchen muss und für mich selbst sorgen (noch zahlt Vater ja Unterhalt).
    Ich bin eigentlich sehr bedacht und habe mich meistens unter Kontrolle. Je mehr ich alte Sachen allerdings aufarbeite, desto mehr Schmerzhaftes kommt wieder hoch und ich finde es auch gut, dass ich das Stück für Stück nun wieder fühlen kann, denn es war ja lange wie abgetrennt von mir. Nur jetzt ist da diese enorme Angst, der ich mich so ausgeliefert fühle.

    Ich habe einfach vor allem Angst. Besonders aber vor Bewertungen und der anstehenden Prüfung, wo ich ja auch mein Projekt vorstellen muss. Ich habe mich bisher um alle Präsentationen meiner Arbeit gedrückt (diese sind freiwillig) und auch heute wieder, wo eigentlich die wichtigste stattfand. Ich konnte es einfach nicht. Ich weiß nicht, woran es genau liegt, denn ich hatte das eigentlich inzwischen besser im Griff (war bei den letzten Präsentationen zwar nervös, aber nicht mehr so in Panik wie in meiner Schulzeit). Ob es einfach nur ist, weil die Prüfung jetzt ja so eine Wichtigkeit hat? Ich habe so Angst, jemandem (ob es nun der Dozent ist, vor dem ich eh Angst habe, oder meine Mitstudenten) meine Arbeit zu zeigen und den Ansprüchen nicht gerecht zu werden.

    Ich glaube irgendwie, es steckt auch dahinter, dass ich einfach keinen Selbstwert habe und die ganze Zeit denke, ich bin viel schlechter als alle anderen und mich dafür schäme. Dann kommt es mir so vor, wenn ich in dieser Hinsicht versage, habe ich gar nichts mehr. Ich weiß, dass das nicht sein kann, aber ich kann gerade nur so fühlen.

    Es ist so schlimm, wie früher in der 5ten bis 7ten Klasse. Ich wurde eigentlich fast meine gesamte Schulzeit über gemobbt und ausgeschlossen. Es gab immer abwertende Kommentare oder verächtliche Blicke, ich wurde nahezu von jedem behandelt, als wäre ich nichts Wert. Und genauso fühle ich mich auch jetzt. Vielleicht rührt es daher? Zuhause habe ich von meiner Mutter zeitweise auch viel Druck wegen Leistungen bekommen und kaum Unterstützung. Das ich in der Schule immer Außenseiter war, wurde von meiner Familie auch als mein Fehler quasi gesehen, als ein Makel, den sie nicht verstehehn konnten, und den ich beheben sollte - zumindest kam es so bei mir an. Sie vermittelten mir auch, dass mit mir daher wohl irgendetwas nicht stimmen würde. Dieses Gefühl trage ich immer noch mit mir rum.

    Nach all den Jahren habe ich immer noch keinen Weg aus diesem Gefühl der Wertlosigkeit gefunden. Mir fällt auf, dass ich mich mit diesem Thema irgendwann auch gar nicht mehr beschäftigt habe. Es war so normal, so ein großer Teil in meinem Leben. Ich habe die letzten Jahre viele schwierige Erlebnisse verarbeitet (die Zusammenbrüche meiner schizophrenen Mutter, mehrere Auseinanderbrüche der Familie, Missbrauch durch Männer und anderes) und ich weiß, dass immer mal so ein Schub kommt, wo etwas hochkommt und ich da durch muss. Inzwischen komme ich da meistens gut wieder raus und habe danach auch das Gefühl einen Schritt weiter gekommen zu sein. Nur bei diesem Thema finde ich mich jetzt wieder so hilflos und ausgeliefert wie am Anfang. Oder wie damals vielleicht. Da ist so eine Sperre in meinem Kopf, dass es mir so vorkommt, als wenn ich es gar nicht richtig begreifen kann. Ich kann nicht gegen die Angst an, ich versuche in der Situation (also z.B. Präsentation wie heute) dann bloß davor wegzulaufen, unbemerkt davon zu kommen. Und mir scheint, es wird immer schlimmer. Das ist auch eine extreme körperliche Belastung für mich. Habe auch Magenprobleme und immer mal wieder wo anders Schmerzen.

    Ich wollte zum einen mir das hier einfach von der Seele schreiben aber ich möchte euch auch bitten mir eure Gedanken und Erfahrungen dazu mitzuteilen, da es mir gerade so vorkommt, als hinge ich in meinen Gedankengängen und Selbstzweifeln fest.

    Grüße,
    Ingwer

  • Hey Ingwer,

    ich kann dir nur zu gut nachempfinden wie du dich fühlst... mir ging es früher (gerade zu schulzeiten) nie anders und auch heute stehe ich oft noch vor dem selben problem... alles muss perfekt sein. das der anderen schaut besser aus. der kollege macht seine arbeit besser wie ich. kenne ich alles nur allzu gut. wie gesagt, auch bei mir musste immer alles perfekt sein - und das muss es heute noch. musste ich beispielsweise in der schule ein referat halten, hatte ich weniger das problem, dass der inhalt nicht stimmt - ich war vielmehr so aufgeregt, dass ich die ersten minuten nur dämlich rumgestottert hab. und eigentlich bin ich ja eher eine person, die viel zu erzählen hat und meist auch die klappe nie zu bekommt. ich war schlicht zu aufgeregt. fangen alle an mit lachen? hab ich das thema verfehlt? zwar war ich meist perfekt vorbereitet, aber kurz davor habe ich mir meist fast in die hosen gemacht... ganz ehrlich? ich denke, dass eine gewisse aufregung dazu gehört. wärst du nicht aufgeregt und hättest eine gewisse angst zu versagen, würde das nicht nur zeigen, dass es dir scheiß egal ist? und ist es nicht nur die ersten minuten schlimm? bei mir war das so. ob in der schule oder bei auftritten (ich war viele jahre tanzmariechen) kurz davor scheißt man sich immer an, hat angst, sich zu verplappern, zu vertanzen und jeder sieht es. jeder redet später darüber. aber mal ganz ehrlich: ich glaube nicht wirklich, dass es den anderen besser geht in dem moment. letzten endes ist es eine frage der konzentration. angst hat jeder. die wahre kunst ist es, sie zu beherrschen. Beim tanzen fiel mir das leicht. kaum war ich auf der bühne und hatte die ersten schritte gemacht, wusste ich einfach, dass ich jeden schritt beherrsche. und beim projekt vorstellen ist es doch nichts anderes, oder? du hast dein thema und bereitest dich intensiv darauf vor. du stellst dich ja nicht da vorne hin und hast keinen plan von dem, was du da redest. was kann dir schon passieren, wenn du über dein thema bescheid weist? und glaub mir, gerade ein dozent hat in seiner laufbahn mehr als nur eine mieße präsentation erlebt. er wird unterscheiden können zwischen nervosität und planlosigkeit weil nicht vorbereitet.

    auch wenn ich die schule bereits vor ein paar jahren verlassen hab, so geht es mir heute nicht anders auf arbeit. zwar gehe ich nicht mit druck dahin, aber ich merke schon, wenn mein kollege gelobt wird, dass mich das beißt. sofort denk ich: warum mach ich das eigentlich, der kann es eh viel besser wie ich... sowas passiert mir oft. mangelndes selbstbewusstsein, da hast du nicht ganz unrecht. was mir heute noch hilft? ich denke daran, was ich gut kann. na dann soll der doch besser englisch können wie ich, dafür werde ich bei den gästen viel mehr geliebt, weil ich eben charme hab. versuch doch mal das positive in dir zu sehen. was kannst du richtig gut? vielleicht sogar besser als andere... bau darauf auf. es gibt im leben immer leute, die in manchen dinger besser sind wie du. und das ist aber auch gut so. sei stolz auf dich, weil du das und das kannst. gerade in solchen momenten, wo irgendetwas negatives an meinem selbstwertgefühl krazt sage ich mir solche sätze auf. mir hilft das ungemein. es stärkt mich wieder von ganz tief drinnen.

    perfektion ist tatsächlich das wort, das mein leben begleitet. habe ich nen neuen mann kennengelernt und er besucht mich das erste mal zu hause: alles muss perfekt sein. da darf nichts sein, was ihn abschrecken könnte. ob das nun die haare in der bürste sind oder die kaffeetasse die immer noch dreckig in der spüle steht... ich will für ihn perfekt sein. das essen, dass ich auftische - es muss perfekt sein. ist mir mein fleisch auch nur ein klein wenig zu durch geworden bin ich sofort tief enttäuscht und mal mir aus, dass er mich nicht haben will, weil ich so schlecht koche. kritik ertrage ich nur sehr wenig. auch das ein zeichen von mangelndem selbstbewusstsein. dabei bin ich doch eigentlich genau richtig, so wie ich bin! nur, weil er mein fleisch eben scheiße findet - irgendwo gibt es jemanden, der das genauso mag. mir hilft diese art zu denken sehr.

    alles hat seinen grund - und alles passiert, weil es passieren muss. vergiss das nie. denk mal ein paar jahre zurück. als dinge passiert sind, die für dich einfach nur schlecht waren und dich bis tief unter die erde gezogen haben und du lange zeit gebraucht hast, um wieder aufzustehen. was ist passiert, weil..... wenn ich so zurück denke: wäre ich z.B. damals nicht zu diesem idioten gezogen, von dem ich dachte er liebt mich, aber seine aggressionen mir gegenüber nicht im griff hatte, hätte ich nie in dem neuen betrieb angefangen und all diese wunderbaren menschen kennengelernt, die mich so lieben wie ich bin. Wenn ich eines gelernt habe ist es: hinfallen darf jeder, nicht nur einmal, man muss nur wieder aufstehen und das positive erkennen, das sich daraus ergeben hat. mir hilft das.... :top:

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