Cannabis - Der Freund mit 2 Seiten

  • Hallo liebe Community,

    Vorweg entschuldige ich mich gleich für den langen Text, der vielleicht unnötige Passagen enthält. Jedoch möchte ich meine Geschichte, durch die Anonymität des Internets gesichert, erzählen können und eventuell auch Meinungen dazu hören. Denn ich habe Angst, meiner Familie und auch meinen Kiffer-Freunden über die Ausmaße meines Problems zu berichten.

    ich bin einn 20-jähriger Student, der es im Leben eigentlich nie zu schwer hatte. Ich hatte keine Probleme in der Schule, auch wenn ich nichts lernte. Hatte damals viele Freunde und war allgemein ein sehr lebensfroher Mensch. Meine ersten Kontakte mit Cannabis hatte ich mit 14 bei bekannten in der Schweiz, deren Sohn (damals 17 Jahre alt) mit seinen Kollegen des öfteren konsumierte. Die typisch jugendlich-leichtsinnige Meinung, Cannabis kann keinen Schaden anrichten (oder zumindest nicht mehr als Tabak zu rauchen), übernahm ich damals lückenlos von ihm.
    Trotzdem blieb es für lange Zeit bei diesem einen Mal, bis später auch meine Freunde hier in Österreich das Kraut entdeckten und damit zu experimentieren begannen. Ab und zu trafen wir uns am Abend, rauchten ein bisschen was und hatten unendlich viel Spaß. Ich hatte keine schlechten Erfahrungen damit, dementsprechend verharmloste ich es total.

    Ernst wurde es, als mein bester Freund, den ich seit Kindestagen kannte, durch einen schweren Autounfall plötzlich aus unserer Mitte gerissen wurde. Damals war ich 18. Meinem ganzen Freundeskreis, allen voran mir, war die Situation viel zu viel, und wir behalfen uns mit vielen gemeinsamen Abenden an denen getrauert und exzessiv gekifft wurde, um mit dem Verlust umgehen zu können. Ich hatte damals auch schwere psychosomatische Auswirkungen, verlor zB 7 Kilo durch fehlenden Appetit (obwohl ich sowieso ein eher mageres Männlein war).

    Seitdem kiffe ich täglich, mit sporadischen und ungleichmäßig langen Pausen. Anfangs half es mir, das Fehlen meines Freundes zu verkraften. Allerdings wurde ich immer träger, mein Freundeskreis reduzierte sich auf die Leute, mit denen ich den Cannabiskonsum gemein hatte. Der Konsum rückte immer mehr in den Mittelpunkt meines Lebens, in alle meine Pläne musste ich Cannabis integrieren können.

    Letzten Sommer hatte ich dann den ersten größeren Zusammenbruch, nachdem ich beim Zivildienst (wo ich weit weg von Zuhause war und oft Tage alleine verbringen musste) den Cannabiskonsum pausierte und mit mir allein zu tun hatte. Innerlich zerfraßen mich Gedanken, Horrorszenarien, Ungewissheit. Ich bin von Haus aus ein sehr Gefühlsbetonter, auch sentimentaler Mensch, dementsprechend war ich durch die Depressionen den Tränen pausenlos nahe. Ich pausierte für insgesamt zweieinhalb Wochen, gegen deren Ende hin es mir schon besser ging und ich auch wieder Freude am Unterwegs-sein und einfach in der Natur verweilen hatte.

    Leider kam ich durch meinen Freundeskreis allerdings wieder zum Kiffen, was nun bis kurz nach Neujahr so weiterging. Nun, da ich seit etwas mehr als 3 Monaten studiere, fällt mir auf, wie schwer ich mir dabei tue. Ich bin ständig depressiv, apathisch und kann irgendwie nicht Lernen. Also fasste ich den Entschluss, das Kiffen mal für eine längere Zeit sein zu lassen.
    Ich bin nun den 5ten Tag clean, habe wie auch letzten Sommer Schlafstörungen, Gefühlsschwankungen und -ausbrüche, Appetitlosigkeit und auch aklimatisierungsschwierigkeiten (Kalt-Warme Schauer).

    Sobald ich mit Freunden unterwegs bin, oder auch nur mit diesen telefoniere, verschwinden zumindest temporär die Depressionen und schlimmen Gedanken, aber kaum bin ich wieder alleine in meiner Wohnung, gehts wieder los.

    Ich bin mir nun garnichtmehr sicher, ob das nur am Cannabisentzug liegt, denn mir ging es auch mit Konsum teilweise gleich/ähnlich. Könnte es sein, dass die Depressionen von dem Verlust meines Freundes (es war eine wirklich außergewöhnliche Freundschaft, auch wenn es kitschig klingt waren wir "wie Brüder") her rühren, den ich mit Cannabis überdeckt habe? Evtl. kommen die Probleme, die ich damit hatte und habe, jetzt durch das Absetzen der Droge gesammelt ans Tageslicht?

    Ich will und kann auf jeden Fall nicht so weitermachen wie jetzt. Ich könnte den ganzen Tag auf der Couch sitzen und das Gedankenkarussell kreisen lassen, ohne den Drang zu irgendwelchen Taten zu verspüren. Auch kann ich mein Studium so nicht weiterführen, da dort wirklich viel verlangt wird.
    Mit 16-17 war ich unbeschwert, wurde von vielen aufgrund meiner Zwanglosigkeit und Lebensfreude beneidet. Es kommt mir so vor, als wäre damals die Blüte meines Lebens gewesen und jetzt ist der Abend, was aber angesichts meines Alters sogar meinem Hausverstand lächerlich erscheint.


    Ich habe eingesehen, dass ich ein Problem habe, kann dieses jedoch nicht genau entschlüsseln. Was meint ihr? Drogenberatung? Psychologische Behandlung?

    Vielen Dank an alle, die meine Geschichte bis hierher verfolgt haben!

    Liebe Grüße

    Einmal editiert, zuletzt von gapminder (10. Januar 2013 um 16:07)

  • Servus gapminder,

    ich finde es toll wenn wer gleich mit dem ersten Beitrag einen guten Überblick schafft.
    Unser Server hat genug Speichervolumen , also kannst ruhig weiter so "viel" schreiben, in 5 oder 10 Jahren werde ich mich dann mal beschweren - wenn denn dann alle so viel schreiben :winking_face:

    Deine Geschichte ist leider klassisch, natürlich mal abgesehen von diesem schlimmen Todesfall.
    Auch da sehe ich nichts kitschiges, wie du eine Freundschaft beschreibst, viele wären froh das so behaupten zu können ...
    Wenn damals die Trauerarbeit wirklich eher das 'Kiffen war, dann ist da nicht viel passiert. Doch die Zeit kann man nicht zurück drehen und deswegen muss man nun sehen was du machen kannst :smiling_face:

    Zu deinem aktuellen Stand kann man nur sagen, halte durch, das geht vorbei - du hast ja schon mal über 2 Wochen gestoppt!
    Genau was du da beschreibst, also dass es dann "bergauf" geht, das beschreiben so gut wie alle und das geht ja so in etwa weiter und wird immer besser.
    Auch was damals das Problem war, also das gewohnte Kifferumfeld, das hast verstanden, das klappt halt so bei den meisten nicht.

    Eigentlich hätte ich dir jetzt unser Online-Ausstiegsprogramm "Lass das Gras" angeboten, doch leider haben wir gerade einen Aufnahmestopp - alle Plätze belegt :frowning_face:
    Das kann sich zwar schnell ändern, aber wenn daran Interesse haben solltest, dann findest des auch selbst raus :smiling_face:
    Auf der Seite von LdG findest auch andere Infos ...

    Weder der damalige Stopp von gut 2 Wochen, noch der jetzige mit 5 Tagen können nun Klarheit geben.
    Ich meine damit, hab etwas Geduld und warte noch etwas ab, meiner Meinung dauert ein Cannabisentzug etwa 14 Tage was körperliche Belange angeht.
    Dass dann erst der wesentliche Teil der Entwöhnung beginnt, dass muss aber auch klar sein, das kann Wochen oder Monate dauern!
    Doch erst wenn mal von dem scheiß THC runter bist, dann kann sich alles so nach und nach normalisieren.

    Bestehen auch dann noch deine 'Depressionen, dann sollte aber wirklich ein Therapeut hinzugezogen werden!
    Es könnte also auch sein dass wirklich ältere Geschichten aufgearbeitet werden müssen, aber zuerst solltest nun ein Problem angehen, nicht alle auf einmal :face_with_tongue:
    Verschlechtert sich dein psychischer Zustand extrem, dann muss man natürlich schon gleich handeln.

    LG Franz

  • Hallo gapminder,

    Deine Art und Weise dein Leben zu reflektieren gefällt mir und spricht für ein Gelingen deines Vorhabens.
    Ich selbst (wie so viele in dem Forum) befinde mich in einer ähnlichen Situation- wenn auch einen Schritt hinter dir. (Hab heute morgen den letzten geraucht)
    Ich würde mich auch gerne ausführlicher zu deinem Beitrag äußern, muss allerdings zugeben, momentan keinen Nerv dazu zu haben =)
    Ein ander mal bestimmt, denn ich bin auf weiteres von dir sehr gespannt!
    Viel Glück wünsch ich dir!

    lg, goldy

  • Hallo gapminder,

    Du bist auf einem guten Weg und hast dafuer auch die richtigen Entscheidungen gefunden.

    Was mir auffaellt ist das mit Deinen Depressionen. Vermutlich haengt das zusammen mit dem Tod Deines Freundes. Durch den Cannabiskonsum hast Du Dir meiner Meinung nach eigentlich die richtige Trauerarbeit nicht nur erschwert sondern irgendwie noch gar nicht wirklich abgeschlossen. Das was Du da fuer Dich noch nicht verarbeitet hast, das kommt natuerlich wieder hoch, da gilt es glaube ich noch die Trauer weiter zu erleben, vor allem, die Trauer auch zuzulassen. Abschied nehmen oder einen endgueltigen Abschied zu akzeptieren der durch den Tod eines (geliebten) Menschen notwendig wird, das ist nun mal leider nicht einfach. Das kann Jahre dauern bis Du das verkraftet hast. Vielleicht mal in Deiner Naehe nach einem Trauerkreis oder aehnlichem suchen. Das kann Dir bei der Verarbeitung helfen und es sollte auch ein Thema bei einem Therapeuten werden wenn Du da irgendwelche Therapien ins Auge fasst. Es ist ja nun doch ein sehr einschneidendes Erlebnis fuer Dich gewesen das durchaus traumatische Auswirkungen haben kann.

    Viele Gruese:

    Siegfried

  • Hallo Leute!

    Vielen Dank für eure aufmunternden Worte, das hilft mir sehr!

    Mir geht es mittlerweile ein bisschen besser, die letzten Tage war ich aber stark am zweifeln, ob das wirklich mit dem Cannabiskonsum bzw. -entzug zu tun hat, bzw. ob der Entzug wirklich etwas hilft. Aber ich bin stark geblieben, und froh darüber.

    Mittlerweile habe ich mich auch meiner Mutter anvertraut. Mir war schon immer wichtig, mit meiner Mutter über alles reden zu können, deshalb wusste sie auch, dass ich konsumiere. Über das eigentliche Ausmaß habe ich ihr aber erst jetzt erzählt, und sie steht voll und ganz hinter mir. Das war schon mal ein großer, aber ich denke auch wichtiger Schritt für mich.

    Mir ist bewusst, dass die ganze Sache Zeit braucht. Ich hätte diese Zeit auch gerne, habe aber immer diesen innerlichen Stress und Druck, mein Studium schaffen zu müssen (zur Zeit ist die harte Prüfungsphase). Ich fühle mich aber zur Zeit intelektuell zu wenigem fähig, was die Ängste und auch Zweifel, ob ich ein Studium überhaupt schaffen könne, hochkochen lässt. Meine Mutter hat mir geraten, zur Zeit keine wichtigen Entscheidungen zu fällen (also ob ich das Studium abbrechen soll oder nicht), wo ich ihr voll und ganz zustimme. Von meinem Gefühl her würde ich jedoch am liebsten alles hinschmeißen.

    Ich bin zur Zeit auf der Suche nach Hobbys, zumal ein großteil der Zeit ja dem Kiffen gewidmet war. Ich gehe nun regelmäßig laufen, was mir auch hilft im Kopf ein bisschen klarer zu werden. Die meiste Zeit verbringe ich aber damit Videospiele zu spielen und meine Wohnung zu putzen (nicht krankhaft, bin aber ein Mensch ders gerne sauber hat :18: ). Ich möchte auch Gitarre lernen, da ich erstens recht musikalisch begabt bin (habe 4 Jahre Klavier gespielt) und zweitens schon vor meinem jetzigen Studium mit dem Gedanken gespielt habe, Grundschullehrer zu werden, wo Gitarrenkenntnisse kein Nachteil sind.

    Morgen habe ich meinen (überhaupt) ersten Termin bei einer Psychologin und ich bin schon sehr gespannt. Ich denke zwar die ganze Zeit nach, was ich ihr sagen solle und wie das Ganze ablaufen wird, dennoch versuche ich ohne jede Einstellung dazu hinzugehen. Ich berichte euch dann, wie es gelaufen ist :smiling_face:


    Ihr setzt euch hier für was Gutes ein, gerade auch für Leute die mit ihren Problemen nicht gerne an die Öffentlichkeit gehen. Das finde ich spitze! Vielen Dank nochmal!

    Und liebe(r) Goldy, viel Glück auch dir! :smiling_face:


    Liebe Grüße

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