So, nun habe ich wieder kleine Situationen überstanden, in denen mich das Gras eingeholt hat, ich es aber nicht an mich heran gelassen habe. Zum Einen hab mal wieder versteckte Reste von meinem Eigenanbau gefunden. Wenn man einmal viel hatte, verliert man wirklich den Überblick, wo man überall noch etwas versteckt hat. Ich habe es jetzt vergraben und mir zum Andenken einen kleinen Grabstein als Abschied zu meiner Sucht gesetzt, der demnächst auch noch eine Inschrift bekommt, sobald mir die zündende Idee für einen Spruch gekommen ist. Auf das es wieder Erde werde, aus der es gewachsen ist und mich nicht mehr festhält. Zum Anderen habe ich am WE wieder eine lustige kleine Tanzparty mitgenommen, bei der der Geruch dezent in der Luft lag. Diesmal musste ich mich nicht einmal dazu zwingen, nicht mit zu rauchen, sondern hatte gar keine Lust. Klar, regt der Geruch meine Sucht an, lässt mich noch lang nicht kalt. Aber es ist schön, das so bewusst wahrnehmen zu können ohne ein wahnsinns Verlangen danach zu haben, was mit Gewalt unterdrückt werden muss.
Interessanter Weise hab ich in letzter Zeit öfter mal Lust auf ein Bier nach einem langen Arbeitstag, obwohl ich Bier eigentlich gar nicht so mag. Da versucht mich meine Sucht wohl auf anderem Wege zu verarschen. Aber ich kann das spüren und bewusst wahrnehmen und gehe dem nicht nach. Gestern hatte ich auch das seltsame Erlebnis, dass eine stinknormale Zigarette plötzlich nach Gras geschmeckt hat. Ich betrachte das mal als die letzten Ausläufer meiner Sucht. So richtig glücklich darüber bin ich spätestens am nächsten Morgen, wenn ich stocknüchtern mit einem guten Buch ins Bett gegangen bin und mich müde gelesen habe. Das Erwachen nach einem natürlichen Schlaf ist toll. Die Träume sind nicht mehr so heftig, aber vorhanden und ich weiß noch tagelang, was ich geträumt habe. Teilweise erinnern sie mich an Menschen, von denen ich lang nichts mehr gehört habe und bei denen ich mich mal wieder melden möchte, um zu hören wie es ihnen so geht.
Meine Panikattacke von letzter Woche hat sich wieder restlos beruhigt. Die Panik wurde auch nicht von einem Euphorieanfall abgelöst. Allgemein kehrt zur Zeit eine angenehme Ruhe und Gelassenheit in mir ein. Man soll den Tag ja nicht vor dem Abend loben, aber ich genieße das grad sehr. Meine Grübelein halten mich nicht mehr gefangen, sie lösen sich, fallen in kleinen Brocken ab und verwandeln sich in Energie, die ich nutzen kann, um nach vorn zu schauen - in Ruhe, ohne Eile.
Gerade habe ich auch einen Job, der mir höchste Konzentration und Aufmerksamkeit abverlangt und siehe da, es geht! Ich kann mich viele Stunden am Stück konzentrieren, ohne diese kiffertypischen Ausfälle zwischendurch, diese plötzlich aufkommende Begriffsstutzigkeit, mit der ich mich schon fast arrangiert hatte. Mitte Mai habe ich auch wieder eine Prüfung - harter Tobak - bei der ich beim ersten Versuch durchgefallen bin. Jetzt habe ich ganz bewusst erstmal Zeit verstreichen lassen bis zum Wiederholungstermin, weil mir klar geworden ist, dass ich mich doch erstmal intensiver mit meinem Entzug auseinander setzen muss und das nicht mal so eben nebenbei machen kann. Inzwischen kann ich mich auch ganz gut damit abfinden, dass alles ein Stück Zeit braucht und es durchaus o.k. ist, mir die Zeit zu nehmen, alle aufkommenden Gedanken und emotionalen Auswürfe niederzuschreiben. Ich lasse mich jetzt einfach nicht mehr von mir selbser stressen. Auch meine Nikotinsucht lasse ich erstmal noch zu. Mit allem auf einmal aufhören zu wollen, hat mich dann doch überfordert. Ich schaue sie mir an, stehe ihr kritisch gegenüber, aber ich lasse mir damit Zeit. Zumindest bis ich mit meinem Studium durch bin. Dann habe ich hoffentlich Zeit und genügend Kleingeld für einen ausgiebigen Wanderurlaub und packe das Problem nochmal erneut an. Bis dahin (im Herbst) habe ich wohl auch genug Abstand zu meiner Cannabissucht gewonnen und kann mich mit der gleichen Ausdauer der Nikotinsucht widmen.
mit entspannten Grüßen
Luc