Es geht um meinen Vater... Vielleicht haben einige schon Fetzen der Vorgeschichte mitbekommen... Ich muss ein "bisschen" weit ausholen, damit das alles deutlich wird, sorry...
Meine Eltern sind seit über 8 Jahren getrennt, ich wohne bei meiner Mutter. Mein Verhältnis zu meinem Dad ist nicht gerade gut, besser gesagt gibt es keines. Ich habe ihn seit etwa 2 Jahren nicht mehr gesehen, d.h. ich war 2 Jahre nicht bei ihm, weil ich keinen Nerv auf ihn und auf seine verrauchte Bude (Kettenraucher...) hab/hatte (vorher war ich beinahe jeden Sonntag bei ihm..., wg. Mum). Den einzigen Kontakt, den ich zu ihm habe, ist per Telefon und das auch eher selten und dann auch nur, weil er irgendwas von meiner Mutter wissen will oder irgendwas braucht.
Die Trennung der beiden kam hauptsächlich dadurch zustande, dass Mum nicht so gespurt hat, wie der werte Herr damals wollte. Wenn er sauer wurde, hat er entweder an die Decke gestarrt, beleidigt an der Tür zum Garten gestanden oder er ist abgehauen in den Wald (wollte sich angeblich mal vom Rand der "Kuhle" stürzen - ist so'n "Tal" in dem mal irgendwas abgebaut wurde)... Wenn's ganz dramatisch war, hat er sich volllaufen lassen und wollte sich mit einem Abschleppseil oder ähnlichen Utensilien, die greifbar waren, auf dem Dachboden aufhängen, d.h. strangulieren. Besagte Aktionen kamen "relativ häufig" vor und ich hab die meisten davon face to face miterlebt. Einmal musste sogar noch mein Bruder antanzen, weil Dad scheinbar Publikum wollte für seinen Wahnsinn. Ich seh die Szene noch vor mir, als wär's gestern gewesen. Letztendlich ist es aber nie soweit gekommen, weil Monsieur es erstens wohl ohnehin nicht durchgezogen hätte aus Feigheit, zweitens weil Mum es verhindert hat/hätte und drittens, weil es scheinbar hauptsächlich ein Druckmittel sein sollte.
Wie dem auch sei: Nach einem erneuten Ausraster sind meine Mutter und ich jedenfalls abgehauen, als er gerade weg war. Und seitdem hab ich eine ziemlich üble Abneigung gegen meinen Vater - man könnte es auch als Hass bezeichnen; meine Schwester ist da aber noch wesentlich schlimmer...
Wie gesagt, gut 8 Jahre sind seit dem Auszug vergangen und meine Mum kümmert sich nach wie vor um das Haus und alles, was dazu gehört. Sie besucht ihn regelmäßig und kocht und putzt usw., weil sonst alles völlig vermodern und verdrecken würde. Letzten Sonntag ging es Dad scheinbar ziemlich schlecht; Zittern, wenig gegessen, Schwächeanfall usw. Er rief abends, nachdem Mum nachmittags da gewesen war, an und sagte, dass er bereit sei, zum Arzt zu fahren. Mum ist daraufhin zu ihm gefahren und rief einen Krankenwagen, weil es ihm wirklich mies ging. Aber Monsieur hat sich geweigert, ins KH zu fahren (Sturkopf). Daraufhin sind Mum und er Montagmorgen zum Arzt gefahren, aber auch der konnte ihn nicht dazu bewegen, ins KH zu gehen. Dienstagmorgen wurden noch einmal Untersuchungen gemacht und die Ärztin meinte dann, dass er sofort ins KH muss. Er wurde dann auch eingeliefert und untersucht (volles Programm). Da stellte sich nun heraus, dass sein Herz viel zu groß ist und sowohl Lunge als auch Leber ziemlich angeknackst sind. Seit Dienstag ist er also im KH und Mum fährt täglich hin.
Heute Nachmittag hat nun ein Psychiater, der zu Hilfe genommen wurde, weil Dad gestresst hat, bei mir angerufen und mich über ihn ausgefragt, um u.a. abwägen zu können, ob er die Wahrheit sagt und was er vllt. verschweigt usw. Natürlich hat Dad nicht die Wahrheit gesagt... Er ist recht gut im Schauspielern! Aber der Psychiater hatte schon gemerkt, dass er auch nicht mehr richtig fit ist (btw: er ist 72!). Nachdem ich am Anfang der Woche schon dachte, dass es relativ unwahrscheinlich ist, dass Dad nochmal nach Hause kommt, schließt sich Mum jetzt meiner Meinung an. Eine Herz-OP steht scheinbar auf dem Programm und Dad fing schon gestern an, über seine Beerdigung zu reden und dass er dort niemanden sehen möchte. Abgesehen davon hat er den Wunsch geäussert, sich mit meiner Schwester noch zu versöhnen (lange Geschichte). Diese Kommentare verheißen nichts Gutes... Mum denkt mittlerweile auch, dass er nicht zurück in seine Wohnung kommen wird. Das heißt also, dass er entweder als Pflegefall im Heim landet oder unter der Erde.
Und jetzt komme ich zu meiner eigentlichen Frage: Warum nimmt mich diese ganze Geschichte so sehr mit, wo ich doch eigentlich so einen Hass und eine Abscheu gegen diesen Mann habe, den ich meinen Vater nennen "darf"...? Als meine Schwester erfuhr, dass es ihm schlecht geht, waren ihre Worte nur "Na, vielleicht braucht er dann die Augen-OP ja gar nicht mehr." (Grauer Star im Endstadium...). Mich lässt das Ganze nicht so kalt. Und genau das ist es, was mich so irritiert. Normalerweise bin ich die erste, die über ihn schimpft und sich wünscht, ihn endlich los zu sein - so krass es auch klingen mag.
Eine Verwirrte, die froh ist, sich das mal von der Seele schreiben zu können...