Wieso belastet mich das so sehr?

  • Es geht um meinen Vater... Vielleicht haben einige schon Fetzen der Vorgeschichte mitbekommen... Ich muss ein "bisschen" weit ausholen, damit das alles deutlich wird, sorry...

    Meine Eltern sind seit über 8 Jahren getrennt, ich wohne bei meiner Mutter. Mein Verhältnis zu meinem Dad ist nicht gerade gut, besser gesagt gibt es keines. Ich habe ihn seit etwa 2 Jahren nicht mehr gesehen, d.h. ich war 2 Jahre nicht bei ihm, weil ich keinen Nerv auf ihn und auf seine verrauchte Bude (Kettenraucher...) hab/hatte (vorher war ich beinahe jeden Sonntag bei ihm..., wg. Mum). Den einzigen Kontakt, den ich zu ihm habe, ist per Telefon und das auch eher selten und dann auch nur, weil er irgendwas von meiner Mutter wissen will oder irgendwas braucht.

    Die Trennung der beiden kam hauptsächlich dadurch zustande, dass Mum nicht so gespurt hat, wie der werte Herr damals wollte. Wenn er sauer wurde, hat er entweder an die Decke gestarrt, beleidigt an der Tür zum Garten gestanden oder er ist abgehauen in den Wald (wollte sich angeblich mal vom Rand der "Kuhle" stürzen - ist so'n "Tal" in dem mal irgendwas abgebaut wurde)... Wenn's ganz dramatisch war, hat er sich volllaufen lassen und wollte sich mit einem Abschleppseil oder ähnlichen Utensilien, die greifbar waren, auf dem Dachboden aufhängen, d.h. strangulieren. Besagte Aktionen kamen "relativ häufig" vor und ich hab die meisten davon face to face miterlebt. Einmal musste sogar noch mein Bruder antanzen, weil Dad scheinbar Publikum wollte für seinen Wahnsinn. Ich seh die Szene noch vor mir, als wär's gestern gewesen. Letztendlich ist es aber nie soweit gekommen, weil Monsieur es erstens wohl ohnehin nicht durchgezogen hätte aus Feigheit, zweitens weil Mum es verhindert hat/hätte und drittens, weil es scheinbar hauptsächlich ein Druckmittel sein sollte.

    Wie dem auch sei: Nach einem erneuten Ausraster sind meine Mutter und ich jedenfalls abgehauen, als er gerade weg war. Und seitdem hab ich eine ziemlich üble Abneigung gegen meinen Vater - man könnte es auch als Hass bezeichnen; meine Schwester ist da aber noch wesentlich schlimmer...

    Wie gesagt, gut 8 Jahre sind seit dem Auszug vergangen und meine Mum kümmert sich nach wie vor um das Haus und alles, was dazu gehört. Sie besucht ihn regelmäßig und kocht und putzt usw., weil sonst alles völlig vermodern und verdrecken würde. Letzten Sonntag ging es Dad scheinbar ziemlich schlecht; Zittern, wenig gegessen, Schwächeanfall usw. Er rief abends, nachdem Mum nachmittags da gewesen war, an und sagte, dass er bereit sei, zum Arzt zu fahren. Mum ist daraufhin zu ihm gefahren und rief einen Krankenwagen, weil es ihm wirklich mies ging. Aber Monsieur hat sich geweigert, ins KH zu fahren (Sturkopf). Daraufhin sind Mum und er Montagmorgen zum Arzt gefahren, aber auch der konnte ihn nicht dazu bewegen, ins KH zu gehen. Dienstagmorgen wurden noch einmal Untersuchungen gemacht und die Ärztin meinte dann, dass er sofort ins KH muss. Er wurde dann auch eingeliefert und untersucht (volles Programm). Da stellte sich nun heraus, dass sein Herz viel zu groß ist und sowohl Lunge als auch Leber ziemlich angeknackst sind. Seit Dienstag ist er also im KH und Mum fährt täglich hin.

    Heute Nachmittag hat nun ein Psychiater, der zu Hilfe genommen wurde, weil Dad gestresst hat, bei mir angerufen und mich über ihn ausgefragt, um u.a. abwägen zu können, ob er die Wahrheit sagt und was er vllt. verschweigt usw. Natürlich hat Dad nicht die Wahrheit gesagt... Er ist recht gut im Schauspielern! Aber der Psychiater hatte schon gemerkt, dass er auch nicht mehr richtig fit ist (btw: er ist 72!). Nachdem ich am Anfang der Woche schon dachte, dass es relativ unwahrscheinlich ist, dass Dad nochmal nach Hause kommt, schließt sich Mum jetzt meiner Meinung an. Eine Herz-OP steht scheinbar auf dem Programm und Dad fing schon gestern an, über seine Beerdigung zu reden und dass er dort niemanden sehen möchte. Abgesehen davon hat er den Wunsch geäussert, sich mit meiner Schwester noch zu versöhnen (lange Geschichte). Diese Kommentare verheißen nichts Gutes... Mum denkt mittlerweile auch, dass er nicht zurück in seine Wohnung kommen wird. Das heißt also, dass er entweder als Pflegefall im Heim landet oder unter der Erde.


    Und jetzt komme ich zu meiner eigentlichen Frage: Warum nimmt mich diese ganze Geschichte so sehr mit, wo ich doch eigentlich so einen Hass und eine Abscheu gegen diesen Mann habe, den ich meinen Vater nennen "darf"...? Als meine Schwester erfuhr, dass es ihm schlecht geht, waren ihre Worte nur "Na, vielleicht braucht er dann die Augen-OP ja gar nicht mehr." (Grauer Star im Endstadium...). Mich lässt das Ganze nicht so kalt. Und genau das ist es, was mich so irritiert. Normalerweise bin ich die erste, die über ihn schimpft und sich wünscht, ihn endlich los zu sein - so krass es auch klingen mag.

    :confused_face:

    Eine Verwirrte, die froh ist, sich das mal von der Seele schreiben zu können... :14:

  • Hallo Incertitude,

    oh Mann, das ist ja wirklich eine heftige Geschichte... Ich kann dir recht gut nachfühlen. Meine Mutter hat vor allem was mich betrifft auch jede Menge Mist gebaut, so dass ich alles andere als gut auf sie zu sprechen bin. In letzter Zeit geht es ihr psychisch auch ziemlich mies und ich habe auch Mitgefühl für sie. Mich wundert das auch etwas, dass ich da nicht einfach sagen kann: "Recht geschieht's ihr!" Vielleicht liegt es einfach daran, dass wir egal was auch geschieht ein Stück weit immer eine Bindung zu unseren Elternteilen haben, eben einfach weil sie unsere Eltern sind! Und es ist ein Zeichen, dass wir Gefühle zulassen können, dass wir verzeihen können und dass wir ein offenes Herz für unsere Mitmenschen haben. Deine Schwester hat es vielleicht auch, aber vielleicht hat sie einfach eine andere Art mit der Situation umzugehen, vielleicht ist die ganze Sache auch für sie belastend, nur dass sie es nicht so zu zugeben kann wie du... Wie gesagt: VIELLEICHT! Alles reine Spekulationen... Aber ist es wirklich so wichtig zu wissen, warum dich das so belastet? Kannst du es nicht "einfach" annehmen, DASS es so ist und es so stehen lassen? Das würde dir, denke ich, jede Menge Kraft sparen...
    Ich finde es gut, dass du trotz allem dir dein mitfühlendes Herz gegenüber deinem Vater bewahren konntest, aus welchen Gründen auch immer!

    Liebe Grüße
    rose

  • Hmm... Mitgefühl? Verzeihen? Ähm... Nö?!

    Ich find/fand es total bescheuert und mal wieder sowas von typisch von meinem Vater, dass er sich weigerte, ins KH zu gehen, obwohl das schon seit Jahren mehr als nötig ist. Ich weiß nicht, wann er zuletzt mal beim Arzt war... Muss schon Jahrzehnte her sein!
    Und ich rege mich auch darüber auf, dass Dad den Ärzten und Psychologen Mist erzählt, um besser dazustehen oder schneller wieder aus dem KH rauszukommen (was jetzt wohl eh gestrichen ist => OP u.ä.). Das sieht ihm auch ähnlich und es nervt mich!

    Ich glaube kaum, dass meine Schwester irgendeine andere Art von Reaktion zeigen wird/würde. Selbst wenn unser Erzeuger das Zeitliche segnet... Sie ist da scheinbar so kalt wie eine Hundeschnauze.


    Na ja, das Ding ist: Ich will nicht, dass es mich belastet. Erstens kann ich mir sowas momentan nicht leisten. Zweitens versteh ich's einfach nicht, warum ich hier wie versteinert sitze, wenn Mum mir sagt, dass sie denkt, dass Dad nicht mehr nach Hause kommt. Die ganze Geschichte mit meinem Dad "nervt" mich ja schon seit unserem Auszug vor 8 Jahren. Ich möchte endlich meine/unsere Ruhe. Vllt. geht es jetzt auch nur zu schnell sozusagen? Ich hab keine Ahnung.
    Vorhin gingen mir sonderbare Gedanken durch den Kopf. Ich hab mich plötzlich nach einer "normalen", intakten Familie gesehnt. Eine Familie, die nicht aufgespalten ist. Und v.a. einen Vater, von dem man nicht sagen muss, dass er 'nen Knall hat, senil ist und wegen dem man sich nicht zu schämen braucht.......

    Manchmal wäre ich gern gefühlskalt.

  • Hallo incertitude,

    ich habe eine Mitschülerin in meiner Klasse, die hat von ihrem Vater auch nie Liebe und Geborgenheit erfahren. Sie hatte auch immer eine Abneigung gegen ihn.

    Nun ist er krank geworden und ist ein halber Pflegefall. Sein Verhalten ihr gegenüber hat sich nicht geändert. Aber sie hat auch Mitleid mit ihm und kann sich das nicht erklären.

    Sie selbst hat halt immer noch insgeheim die Hoffnung, dass von seiner Seite mal ein Dank oder eben was Nettes (wenn's auch nur ein Danke ist) rüberkommt.

    Leider kann ich Dir für Deine Gefühle keine Erklärung geben....da musst Du schon selbst in Dich hineinhören und wirst sicher irgendwann eine Antwort darauf bekommen.

    LG

    schell

  • Hallo Incertitude,
    teilweise kann ich schon gut nachvollziehen, was du meinst. Meine Eltern sind auch geschieden und während ich als Kind meinen Vater noch einmal pro Woche besucht hab, gibt es jetzt seit ca. 3-4 Jahren gar keinen Kontakt mehr, obwohl er nur wenige Kilometer entfernt wohnt. Meine Mutter hat allerdings, anders als bei dir, auch keinen Kontakt zu ihm.
    Mein Vater hat eine neue Frau geheiratet und eine Firma gegründet, mit der er jede Menge Kohle verdient. Kindesunterhalt für mich springt dabei leider nicht raus, und weil er auf der anderen Seite der Grenze wohnt, kann er sich das auch leisten (hier in D ist er schon mehrmals verurteilt worden, aber es kann nicht vollstreckt werden).
    Da Geld für ihn immer das Wichtigste war und meine Mutter und ich durch ihn nur Probleme haben/hatten, hab ich den Kontakt irgendwann abgebrochen und eigentlich bin ich auch nicht besonders gut auf ihn zu sprechen. Die meiste Zeit belastet mich das auch nicht so arg, da ich einfach nicht an ihn denke.
    Aber manchmal gibt es schon so Situationen, in denen ich an ihn denken muss, und ich glaube, wenn ihm was passieren würde, würde mich das auch belasten, obwohl er so ein A*** ist. Ich glaub, es ist sehr schwer, das irgendwie abschalten zu können. Immerhin hat man als Kind die ersten und intimsten Momente mit seinen Eltern erlebt und sowas wie Familie hat glaub ich für jeden einen Wert (und wenn's nur genetisch veranlagt sein sollte, wer weiß? ).
    Jedenfalls finde ich es nicht schlimm, wenn man in sich in so einer Situation betroffen fühlt, auch wenn man es nicht möchte. Es darf nur nicht zuviel werden. Als Kind hat mich der ganze Scheidungs-Kram viel mehr mitgenommen, das hatte sozusagen Macht über mich. Heute sehe ich das lockerer, es sind zwar Dinge schief gelaufen, aber ich komme mit meinem Leben trotzdem klar. Das find ich wichtig.
    Also wenn du das Gefühl hast, dass dir die Situation zwar nicht egal ist, aber auch nicht komplett "fertig macht", würd ich nichts unternehmen. Das ist normal, denn es kam ja jetzt auch etwas überraschend und muss von jedem erstmal auf seine Art bearbeitet werden.
    Drüber reden hilft da sicher auch schon eine ganze Menge, deswegen find ich es toll, dass du das hier erzählt hast.
    Ich wünsch dir auf jeden Fall alles Gute.

  • Hey schelliiee,
    ich glaube, die Situation Deiner Mitschülerin und meine lassen sich nur bedingt vergleichen. Du schreibst, sie hätte nie Liebe und Geborgenheit von ihrem Vater erfahren. Das kann ich von mir jetzt nicht so richtig behaupten, auch wenn ich es insgeheim gern tue. Meine Mum bindet mir das immer wieder auf die Nase, wenn ich mal wieder gegen Dad wettere... "Dein Vater hat Dich wirklich geliebt, geradezu vergöttert - im Gegensatz zu Deiner Schwester!" Na ja, so richtig gemerkt hab ich das nie wirklich. Allerdings kann ich mich nur bruchstückhaft an meine Kindheit erinnern. Bei mir sind fast nur noch die Ereignisse präsent, die eben am dramatischsten waren, sodass ich nicht sagen kann, ob wir früher ein besseres Verhältnis hatten oder nicht. Die Erinnerungen drehen sich bei mir eben hauptsächlich um die Sonntage, die ich nach der Trennung meiner Eltern bei Dad verbracht habe und um seine SM-"Versuche" und Ausraster.


    Ich weiß, dass ich ihm nicht egal bin, sonst würde er Mum nicht nach mir fragen, wie es mir geht, wie es in der Schule läuft und all das. Aber er versteht nicht, warum ich mich nicht mehr bei ihm blicken lasse. Nach 2 Jahren fragt er Mum immer noch, warum ich denn nicht mehr zu ihm komme. Abgesehen von den Erinnerungen, die das Haus birgt, ertrage ich seine Anwesenheit einfach nicht. Sein verwirrter Kopf und dieses Ekelgefühl... Ich bin mir sehr sicher, dass er in Tränen ausbrechen würde, wenn ich ihn besuchen würde - egal, ob jetzt im KH oder bei ihm zu Hause. Und ich geb zu, dass ich darüber nachgedacht habe in den letzten Tagen, ob ich ins KH fahren sollte. Aber ich kann nicht.......


    Hi Santi,
    bei uns ist es ja nicht einmal ein Kilometer Entfernung. Innerhalb von 5 Minuten könnte man bei ihm sein...
    Und dass ich Dad damals noch besucht hab, lag nur an Mum. Sie hat mich mehr oder minder dazu gezwungen. Dad hätte ein Recht darauf, mich zu sehen... Die sonntäglichen Streitereien zwischen Mum und mir, weil ich auf keinen Fall mitkommen wollte, wurden zu einem "Ritual". Mum wurde sauer, weil ich dann Sonntags nur zu Hause hängen würde, wie sie sagte, und nichts essen würde usw. Na ja, gut, sie hatte quasi Recht, schließlich ist es tatsächlich seit 2 Jahren so, aber das liegt an mir selbst. Seit wir ausgezogen sind, krieg ich Sonntags nicht mehr gebacken. Ich schieb das mittlerweile nur noch auf den Zusammenhang mit Sonntagen bei Dad... Keine Ahnung, ob das berechtigt ist, oder nicht.

    Das liebe Geld spielte bei uns nie so eine große Rolle, glaub ich. Und es wird auch nie eine große Rolle spielen. Dad ist Rentner und hatte keinen allzu "fetten" Job, dementsprechend bunkert er wohlkaum irgendwo die Millionen..... Unterhalt bezahlt er aber, das haben er und Mum auch abgesprochen - ohne Anwalt und Gedöns, schließlich sind sie ja auch nur getrennt und nicht geschieden.

    Langsam glaube ich, dass diese Unsicherheit und dieses ganze Gefühlswirrwarr Angst ist. Angst vor einer neuen Situation, die schon eingetreten ist. Solange er in seinem Haus hockte und ich vllt. alle 2 Monate etwas von ihm gehört habe, war alles normal. Er lebte sein Leben und ich meines. Jetzt ist er im KH und die "normale" Situation existiert nicht mehr... Ich kann nach wie vor nicht viel mit der ganzen Geschichte anfangen. Ich muss wohl abwarten, wie es sich entwickelt.
    Ich weiß wirklich nicht, ob mich das alles jetzt wirklich "fertig macht" oder ob es was anderes ist. Ich vermisse ihn nicht, ich hab auch keine positiven Gefühle ihm gegenüber. Warum sollte es mich dann so berühren? Ich merke nur momentan, wie all die Erinnerungen an die Zeit, bevor wir ausgezogen sind, wieder hochkommen. Vielleicht ist das der Grund für das Chaos?


    Happy Vatertag... :wall:

  • Vielleicht möchte Dein Unterbewusstsein gerne ein klärendes Gespräch mit Deinem Vater? Gegebenfalls eine Aussöhnung oder einfach nur eine Entschuldigung von seiner Seite aus?

    Ich denke mal, da steht ein riesiger Berg zwischen Euch und keiner hat den Mut bis zum Gipfel zu steigen um den anderes sehen zu können?!

    Deinem Vater geht es im Moment nicht so gut und (so schlimm wie es jetzt klingen mag) jeder von unserer Mitte muss einmal "gehen". Wenn da noch ungeklärte Dinge zurückbleiben, kann es ein Leben lang sehr belastend sein.

    Kann es sein, dass es so ist?

    Würdest Du denn gerne mit Deinem Vater wieder Kontakt haben und es geht nicht?

  • Ich weiß es nicht... Ich kann das alles nicht einordnen!

    Vielleicht möchte ich eine Erklärung, warum er das alles getan hat damals (z.B. die SM-Versuche als Druckmittel oder was auch immer)... Aber eine solche werde ich nicht mehr bekommen. Ich denke nicht, dass er noch wirklich weiß, was er uns damit angetan hat, geschweige denn, dass er noch eine Ahnung hat, warum er es getan hat.

    Ich wollte ihm schon so lange sagen, wie sehr mich sein "Terror" angekotzt hat. Ich wollte ihm meine Meinung sagen, dass seine Aktionen fast die Familie kaputt gemacht hätte. Ich wollte schon lange richtig auf den Tisch hauen und meinem Frust freien Lauf lassen. Aber das kann ich ja doch nicht - und jetzt schon gar nicht.

    Ich glaube nicht, dass er jemals realisiert hat, dass da etwas zwischen uns steht. Er dachte lange (oder immer?), dass hauptsächlich meine Schwester schuld daran ist, dass ich ihn nicht besuche, d.h. dass sie mich beeinflusst - was völliger Blödsinn ist. Deswegen kann ich auch weder eine Erklärung noch eine Entschuldigung erwarten. Er hat es nie begriffen... Nach Jahren dachte er ja auch immer noch, dass Mum und ich zurückkommen würden zu ihm.

    Meine Mum telefoniert gerade mit meinem Bruder und erklärt ihm die Situation. Er kriegt ja nichts von den aktuellen Geschehnissen mit, schließlich wohnt er in BY. Ich hab ein bisschen was vom Gespräch mitbekommen und ich weiß auch, dass Mum nachher zu Dad ins KH fährt. Ich glaube, ich sollte mitfahren. Mir wird schon schlecht bei dem Gedanken daran, aber ich glaube, dass ich das tun muss. Ich würde es ewig bereuen, wenn ich es nicht machen würde und er in der nächsten Zeit sterben würde - und scheinbar ist das gar nicht so unwahrscheinlich...

    "Würdest Du denn gerne mit Deinem Vater wieder Kontakt haben und es geht nicht?"
    ==> Nein... Aber ich weiß, dass er es sich wahrscheinlich wünscht, mich zu sehen. Und abgesehen davon hätte ich für den Rest meines Lebens ein schlechtes Gewissen... Warum auch immer?! Ich bin ihm schließlich zu nichts verpflichtet.


    Ich frage mich, ob ich es überhaupt schaffe, das KH zu betreten... :frowning_face:

  • Zitat

    Also wenn du das Gefühl hast, dass dir die Situation zwar nicht egal ist, aber auch nicht komplett "fertig macht", würd ich nichts unternehmen.


    Edit: Es MACHT mich fertig!! :loudly_crying_face: Und nun?!

  • Ich habe es geschafft, dass KH zu betreten und ich habe es auch geschafft, in sein Zimmer zu gehen. Ich habe ihn im Bett liegen sehen... Eine Leiche... Kein Mensch mehr... Haut und Knochen... Ich bin "zusammengebrochen", konnte den Anblick nicht ertragen. Er hat nicht einmal mitbekommen, dass ich da war. Ich stand 5 Minuten oder so an seinem Bett, an den Schrank gelehnt, um nicht umzukippen. Er hat es nicht bemerkt. Er hat mich weder gesehen noch hat er realisiert, dass ausser Mum noch jemand da war. Insgesamt war ich 15 Minuten im KH, die Hälfte der Zeit standen Mum und ich draußen mit dem Arzt. Ich hab nur geheult...

    btw: Er hat sich auch noch 'ne Lungenentzündung eingefangen. Man muss abwarten, ob die Medikamente anschlagen und dann kann man weitersehen, wie es sich mit ihm entwickelt. Der Arzt fragte meine Mutter vorhin, ob man ihn ggf. auf die Intensivstation verlegen soll und alle technischen Möglichkeiten ausschöpfen soll... Mit anderen Worten: Sollen lebensverlängernde Maßnahmen getroffen werden?


    Bin am Ende. :loudly_crying_face:

  • Hallo incer,

    kann mir gut vorstellen, dass Du am Ende bist. Diese Situation hast Du wohl so nicht erwartet.

    Lass' es erstmal sacken....mehr Worte habe ich im Moment nicht dafür.

    LG

    schell

  • Ich glaube, ich habe den Schock jetzt überwunden. Ich brauchte ein wenig Zeit für mich, um das ganze zu verarbeiten. Jetzt kann ich darüber reden. Vorhin fehlten mir die Worte, sodass ich Mum abgewiesen hab, als sie reden wollte.

    Mein Bruder hat vorhin angerufen und meine Mum hat ihm die aktuelle Situation geschildert. Er scheint ziemlich fertig zu sein. Und da es mit Dad sehr akut ist, wird mein Bruder morgen von BY hierher kommen, um Samstag zu ihm ins KH zu fahren. D.h. meinem Bruder geht es ganz genau wie mir. Wir haben vorhin noch kurz geredet und er meinte auf meine Frage, ob er sich das wirklich antun will, ob ich mit dieser Last ewig leben könnte. Natürlich nicht, sonst wäre ich vorhin nicht ins KH gefahren.

    Jetzt stellt sich mir aber wieder die Frage, WARUM... Warum kann es sein, dass man ein schlechtes Gewissen bekommen kann, wenn einem an diesem Menschen nichts (mehr) liegt...? Warum ist es meinem Bruder und mir so "wichtig", unseren Vater noch einmal zu besuchen...?? Und warum kann meine Schwester das nicht nachvollziehen? Warum lässt es sie so kalt, obwohl Dad uns beide "genauso" innerlich zerstört hat wie sie?

    Morgen Abend kommt mein Bruder an, am Samstag wird er also mit Mum ins KH fahren. Ich werde ihn begleiten und das alles noch einmal auf mich nehmen. Ich hoffe, mein Bruder steht das durch......

  • Guten Tag Incer,

    hab dein Thema hier schon die ganze Zeit mitverfolgt und wusste nie was ich schreiben könnte, denn ichwollte auch nichts schreiben, das vollgestopft ist mit Sinnlosen.

    Aber jetzt will ich doch ein zwei Worte loswerden.
    Du hast die Frage in den Raum gestellt, warum man ein schlechtes Gewissen bekommt, obwohl einem am Menschen nichts mehr liegt,.. ich mcöhte hier ein paar Gedanken von mir in den Raum werfen.

    Hier wurde schonmal erwähnt, dass es vielleich tim Untebewusstsein der Mensch, bzw du noch etwas erwartest. Ich denke das Unterbewusstsein spielt generell eine große Rolle bei sowas.

    Ich kann dir ein zwei Zeilen aus meine Leben erzählen. Doch das trifft natürlich nicht 100% zu.
    Als mein Opa im Sterben lag war es ähnlich. Ich persönlich hatte wenig Kontakt zu ihm. Hab mich generell vor Besuchen gedrückt, wiel ich mcih nich wohl gefühlt habe. Doch dann lag er also im sterben und dann kam die Reuhe, das schlechte Gewissen und man war so oft im Krankenhaus. Ich denke man hat die Angst, es eben nicht wieder machen zu können. Man hat auch vielleicht Angst, wenn man nicht hingeht, dass man als schlechter Mensch dasteht. Ich weiß es nicht. DOch auch hier denke ich, spielt das Unterbewusstsein eine große Rolle.

    Doch ich muss sagen, dass ich es sehr gut von dir finde, dass du heute ins KH gegangen bist. AUch wenn es nich tleicht war. Aber du bis tgegangen und hast für einen kurzen Moment vergessen was war und hast dich auf die Momentane Situation eingelassen.
    Das ist für mich sehr stark!


    *dich in den Arm nehm*
    Ich hoffe, die nächsen Tage bringen auch positive Dinge mit sich!
    Alles Liebe
    Zyna

  • Danke Dir, Zyna!

    Es hat mich unglaublich viel Überwindung gekostet, heute ins KH zu gehen. Ich habe mich auch ein bisschen über mich selbst gewundert, weil ich nicht weiß, woher ich diesen "Mut" hatte. Normalerweise mach ich um Krankenbesuche einen Bogen, v.a. wenn es darum geht, ins KH zu gehen für diesen Zweck. Ich ertrage den Geruch nicht und die Atmosphäre. Aber es stand für mich heute Mittag fest, dass ich das einfach tun muss. Und ich kann mir nach wie vor nicht erklären, warum das so ist/war.

    "Ich denke man hat die Angst, es eben nicht wieder machen zu können."
    Genau darum geht's ja. Ich (und mein Bruder scheinbar auch) hab Angst, dass ich es irgendwann bereuen würde, nicht noch einmal da gewesen zu sein. Ich habe Dad wie gesagt seit 2 Jahren nicht gesehen und hatte auch nie das Bedürfnis, ihn zu sehen. Warum passiert es dann jetzt? Nur, weil er im KH ist und es danach aussieht, als würde er es nicht lebend wieder verlassen? Da fällt es mir aber spät ein, ihn besuchen zu wollen... Es ist ja quasi 5 vor 12. Ich versteh einfach diesen Zusammenhang nicht. 8 Jahre lang hab ich Dad mehr oder weniger ignoriert und jetzt plötzlich hab ich das Bedürfnis, ihn zu sehen, jetzt, da es bald nicht mehr möglich sein wird.
    "Man hat auch vielleicht Angst, wenn man nicht hingeht, dass man als schlechter Mensch dasteht." Kann es wirklich das sein? Kann es sein, dass ich nicht als schlechter Mensch dastehen möchte...? Ich glaube eher, dass man als schlechter Mensch dasteht, wenn man kurz vor Toreschluss erst aktiv wird...

    Mum meint, ich hinterfrage zuviel. Aber was soll ich machen? Ich versteh das alles einfach nicht und damit hab ich ein Problem.

    (Mist... Ich sollte doch heute Abend nicht mehr nachdenken... :O )

  • Das es dir sehr viel Überwindung gekostet hat, dass du hingegangen bist, das glaub ich dir! Und wie schon gesagt, ich finde das sehr stark!

    Ja ich werde dir morgen auf en Rest antworten, .. denn ersten, werd ich mich gleich in mein Bett verkrümeln und des weiteren ist versuch dich heute noch so gut es geht abzulenken. Einfach mal 5 Minuten abschalten (wiedermal leichter gesagt als getan)
    Aber ich hoffe du hast einen guten Schlaf.

    Gute Nacht :wink:
    Bis morgen, leibe Grüße

  • The last hours.......

    Wir waren heute wie geplant zu dritt im KH, Mum, mein Bruder und ich. Diesmal war es für mich nicht so schwer, ich wusste ja einigermaßen, was mich erwartet. Meinem Bruder ging es da nicht so gut. Ich denke, er war ziemlich geschockt, konnte sich aber "sehr gut" zusammenreissen. Dad hat ihn scheinbar sogar erkannt, zumindest schien es, als würde er weinen, als mein Bruder an seinem Bett stand.
    Sein Zustand war sehr schlimm. Er hat gezuckt und gewimmert vor Schmerzen, trotz der Mittel, die er bekommen hat. Nach einer Stunde bin ich gegangen, weil ich es nicht länger ertragen konnte, da zu sitzen. Mum und mein Bruder sind dageblieben.

    Vorhin bekamen wir dann einen Anruf vom KH, dass Dad operiert werden muss, weil festgestellt wurde, dass er ein Loch im Darm oder Magen oder so hat. Der Chirurg wollte quasi die "Erlaubnis" meiner Mum, da Dad nicht mehr in der Lage ist, eine Entscheidung zu fällen geschweige denn sich erklären zu lassen, was gemacht werden soll. Er kriegt davon nichts mehr mit...
    Einige Zeit später kam ein zweiter Anruf vom KH. Die behandelnde Ärztin wollte uns nochmals darüber aufklären, dass Dad nun operiert wird und dass es sein kann, dass er diese OP nicht übersteht.

    Um etwa 20:30h kam ein weiterer Anruf. Ein Arzt teilte uns mit, dass Dad auf der Intensivstation liegt und dass jetzt feststeht, dass er sterben wird. Wann genau das sein würde, konnte er uns nicht sagen. Aber es war schon vor der OP klar, dass es schwer sein würde...
    Mum und mein Bruder sind jetzt also seit ca. 20:45h im KH... und ich sitze hier allein...

    Ich weiß nicht, was ich machen soll... Ich hoffe für ihn, dass er es schnell "schafft", denn ich habe heute gesehen, wie sehr er sich quält und das wünsche ich niemandem.
    Ich bin so froh, dass mein Bruder noch die Gelegenheit hat/hatte, sich zu verabschieden bzw. unseren Vater zumindest noch einmal zu sehen. Aber wie soll es weitergehen? Was passiert jetzt? Ich kann kaum klar denken... Ich hab solche Angst vor der Zeit, die jetzt auf uns/mich zukommt.

  • Mein Beileid, Incertitude! Ich wünsche dir ganz viel Kraft für die kommende Zeit!

    Liebe Grüße
    rose

  • auch von mir ein herzliches beileid!

    ich drück dich mal, wenn ich darf *drück*.
    und wenn du reden magst, weißt ja wo du mich findest.

    lg,
    Mea

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