• Mein Freund hat Depressionen, ist aber nicht in ärztlicher Behandlung. Früher zog er sich drei bis fünf Tage zurück, dann konnte man ihn wieder erreichen. Seit einigen Wochen ist er jedoch im totalen Rückzug. Er ist weder für mich, Familien oder Freunde erreichbar. Ich möchte ihm gerne helfen, damit er wieder aus dieser Isolation rauskommt - weiß aber nicht wie. Ich möchte ja nichts falsch machen. Und je mehr ich über Depressionen lese um so größer ist meine Angst, dass ich etwas falsch machen könnte. Andererseits macht mich dieses "Nichts tun können" total irre. Vielleicht habt ihr einen Rat für mich. Schon im voraus vielen, vielen Dank.

  • Hallo Voller Sorge,

    du kannst nichts falsch machen, wenn du deine Hilfe ehrlich meinst, denn genau das kommt an. Ob es nur eine "Ich helfe weil man das tut" oder eine Aufrichtige Hilfe ist.
    Und ich denke bei dir ist es zweiteres.

    Es ist nicht einfach, als Aussenstehende wenn man sich zurrückzieht.
    Ich habe damit auch oft schon ein paar Menschen verletzt. Aber mehr als dich hin und wieder melden, deine Hilfe anbieten kannst du kaum tun.

    Rauskriechen muss dein Freund selber, du kannst "nur" die Hand hinstrecken.


    Gibt es denn irgendwas, was dein Freund gerne macht? Vielleicht könntest ihn dazu einladen.
    Kannst du ihn denn irgendwie erreichen, oder hat der Handy etc, aus?

    Gruß, Zyna

  • Hallo Zyna,

    das Handy hat er aus. E-Mails liest er wohl ab und zu, außerdem hört er wohl hin und wieder den AB ab. Würde er das nicht tun, hätte er den Stecker aus dem Telefon gezogen, so dass die Leitung tot wäre (das hatten wir auch schon mal). Aber es folgt halt nie eine Antwort, so dass ich nicht sicher sein kann, dass er es tatsächlich liest.

    Zu meinem Geburtstag hat er mir geschrieben und ein Geschenk geschickt. Ich war total glücklich und hoffte, dass es nun etwas besser wird, dass er evtl. wieder zu erreichen ist. Denn das war wirklich das einzige Lebenszeichen nach vielen, vielen Wochen. Aber es folgte nichts weiter. Seit dem ist wieder Funkstille.

    Das mit der Einladung habe ich schon versucht. Mein Freund ist eigentlich ein sportlicher Typ. Er walkt und skatet gerne. Dazu habe ich ihn auch schon eingeladen. Aber es kam keine Reaktion.

    ---------- Beitrag zusammengefügt um 00:20 ---------- vorhergehende Nachricht von 00:03 --------- -

    Hallo Zyna,

    hälst du es denn für wahrscheinlich, dass er von alleine wieder "rauskriechen" kann. Ich habe schon so viel über Depressionen gelesen, dass ich Angst habe, dass er es aus eigener Kraft nicht mehr schafft.

    LG, Voller Sorge

  • Tja, schwer. Zeige Ihm das Du es akzeptierst das er sich auch mal zurückzieht. Du musst Ihn nicht verstehn, aber akzeptieren wie es ist. Damit meine ich jetzt nicht das Du zuschauen sollst wie er in der Depri hängenbleibt. Mach Ihm klar das Du für Ihn da bist/sein wirst wenn er Dich braucht oder reden möchte. Auch wenn keine Rückantwort kommt. Allerdings ist es sehr schwer das richtige Maaß zu finden. Sicher ist es nicht ratsam mehrmals am Tag anzurufen. Aber so jeden zweiten würde ich es tun. Mal auf den AB quatschen das Du da bist, ne Mail schreiben. Am besten natürlich ohne Vorwürfe nach dem Motto: Das verletzt mich wenn Du Dich nicht meldest. Und sei nicht enttäuscht wenn nix zurückkommt. Er wird es trotzdem wahrnehmen und auch zu schätzen wissen, ganz bestimmt. Wenn man unter Depris leidet fühlt man sich sehr allein und nicht verstanden. Zeig Ihm das er nicht alleine ist und das Du versuchst Ihn zu verstehn. Ich denke das wäre das was ich erstmal versuchen würde. Alles Gute, Carry

  • Hallo Carry,

    danke für Deinen Tipp. Ich hatte Bedenken, dass ich ihn mit meinen Mails oder Anrufen lästig sein könnte und ich ihn damit mehr nerve als dass es ihm gut tut.

    Angst macht mir halt auch, dass er sich schon so lange zurückzieht. Ich habe mit jeder Woche die er im Rückzug ist mehr Angst, dass er nicht von selbst die Kraft aufbringen kann wieder Anteil am Leben seiner Familie und Freunde zu nehmen bzw. uns wieder Anteil an seinem Leben nehmen zu lassen.

    Und dann quält mich noch ein Frage. Sorry, wenn die sich vielleicht dumm oder naiv anhört. Wie wird es sein wird wenn er sich wieder meldet? Werden wir da anknüpfen können wo wir uns das letzte Mal gesehen haben? (Wir sind seit fast 10 Jahren zusammen und haben uns vor seinem Rückzug ganz liebevoll verabschiedet - also kein Streit oder ähnliches.) Oder sollte ich mich darauf einstellen, dass er ein ganz anderer sein wird?

    Liebe Grüße, Voller Sorge

  • Hallo,
    ich glaube ich verstehe wie Du das meinst. Aber leider habe ich keine Ahnung ob er sich verändert hat. Aber klar ist es eine einschneidene Erfahrung so heftige Depris zu haben. Ich verstehe das Du Dir mehr Sorgen machst je länger das ganze geht. Im moment ist es aber wohl so das er sich erstmal drüber im klaren werden muss das er Hilfe benötigt. Ich finde Deine Frage kein bisschen dumm und naiv, ganz im Gegenteil. Wie oft fühlt man sich merkwürdig wenn der Partner zwei Wochen nicht da war. (Urlaub usw) Obwohl man sich lange Zeit kennt ist man im ersten Moment doch wieder unsicher. Natürlich möchtest Du Ihm nicht auf die Nerven gehn. Ich glaube auch nicht das Du dies tust wenn Du Dich zwar regelmäßig aber eben nicht mehrmals am Tag bei Ihm meldest. Vorausgesetzt Du bedrängst Ihn nicht. Depris sind ne ganz üble Sache. Und meist verschwinden Sie nicht einfach über Nacht. Auf die Dauer gesehn wird er sich überlegen müssen wie er in Zukunft damit umgehen wird. Das was Du beschreibst hört sich für MICH viel eher nach ner handfesten Depri an als nach einem Stimmungstief. Irgendne Idee was der Grund sein könnte? War was besonderes in letzter Zeit? Viele Grüße, Carry

  • Servus Voller Sorge,

    da geb ich Carry vollkommen Recht, deine Fragen und Sorgen sind nicht naiv oder dumm, du bist genau richtig hier :smiling_face:

    Wie es hier schon geschrieben wurde, ohne deinen Freund wird sich nichts ändern und so wie du das alles beschreibst, da wird das mit hoher Wahrscheinlichkeit auch nicht einfach so verschwinden.

    Du machst dir wirklich große Sorgen, in wie weit geht diese Freundschaft eigentlich für dich?
    Ich frage das nicht aus reiner Neugierde, wobei es auch neugierige Männer gibt ;), aber wenn man jemand gerne mag, dann muss man selbst auch einige für sich Regeln beachten. Es ist wirklich toll, wenn sich Freunde so einsetzen, aber das wichtigste an allem ist, dass du dir selber dadurch nicht schadest - also bitte genau aufpassen, dass du nicht in eine Art 'Co-Abhängigkeit gerätst.

    Was kann man nun machen?
    Hast du es mit einem Brief versucht?
    Den kann man auch per Einschreiben verschicken, also kommt der zumindest auch wirklich an - was aber nicht heißt, dass er den dann auch liest :frowning_face:

    An deiner Stelle würde ich ihm wirklich alles so schreiben, so wie du es hier ja auch getan hast. Deine Sorgen, 'Ängste, deine Gefühle dazu und und und ...
    Wie aber Carry auch geschrieben hat, es darf ihn halt auch nicht erdrücken, doch sagen darfst eigentlich alles und falsches gibt es da nicht groß.

    Nach deiner Schilderung ist es meiner Meinung nicht wahrscheinlich, dass er da von alleine raus kommt. Also bräuchte es jetzt zumindest nen Beratungstermin, ein Gespräch mit nem Therapeuten oder so was in der Richtung. Auch verordnete Medikamente könnten ihm da sehr helfen, aber ob das notwendig ist, dass muss natürlich dann der behandelnde Arzt entscheiden - do irgendwas muss passieren, weil es wird immer nur schlimmer, wenn man nichts macht.

    Viele haben Probleme sich zu öffnen, schämen sich, aber wir haben erst eine Studie gelesen, wo es heißt, dass 43 % aller Deutschen mindestens einmal im Leben psychische Probleme haben. Ich will damit sagen, psychische Erkrankungen sind heut nicht mehr ein Einzelfall, man ist damit nicht allein und hat viele Möglichkeiten, das Ganze anzugehen :smiling_face:

    Vielleicht ist ja auch unser Chat am Sonntag was für sich und das heute eingestellte Interview sollte auch paar interessante Ansätze beinhalten.

    LG Franz

  • Liebe Carry, lieber Franz,

    "Freund" war zu locker in der Formulierung. Es ist mein Lebenspartner. Wir leben aus beruflichen Gründen in verschiedenen Städten und sehen uns nur am Wochenende. Ursprünglich hatte ich seine "Rückzugsphasen" auf Beziehungsprobleme zurückgeführt, zumal es in dem Zusammenhang immer wieder Streit gab. Doch die Probleme die er nannte waren - zumindest meiner Meinung nach - nicht wirklich welche. Um zu klären, dass ich da nicht auf dem Holzweg bin habe ich das Gespräch mit einem Psychotherapeuten gesucht. In Gesprächen klärte sich, dass nicht unsere Beziehung sondern die Depri das Problem ist. Ich habe versucht mit meinem Freund darüber zu sprechen. Im Sommer letzten Jahres sagte er bei einem Spaziergang ganz unvermittelt, dass er vermutet Depressionen zu haben. Zu dieser Zeit hatten sich die Rückzugsphasen schon verlängert. Waren es früher jeden zweiten Monat mal 3 bis 5 Tage, dann waren es auf einmal 14 Tage, 3 Wochen ... Und die Abstände zwischen den Depris wurden immer kürzer. Aber wir hatten zumindest keinen Streit mehr, er fühlte sich von mir verstanden. Auf meine Bitten zu einem Arzt oder Therapeuten zu gehen ging er nicht ein. Aber er hat sich in das Thema eingelesen und versuchte auf seine Weise zu kämpfen. Er fing an sich bewusster zu ernähren, mehr Sport zu treiben, Entspannungsübungen zu machen etc.

    Es ging auch 6 Monte lang gut. Aber irgendwie spürte ich, dass wir auf einem Pulverfaß sitzen. Kann nicht erklären warum. Unsere Beziehung lief super harmonisch. Dann kriegte er eine Magen-Darm-Grippe, war irgendein Virus, den andere zu der Zeit auch hatten. Ich besuchte ihn, kaufte für ihn ein. Plötzlich sagte er, dass es mal wieder soweit sei und ihm wieder alles zu viel wird. Ich sah das noch als positiv an, weil er das erste Mal offen sagte, dass die Depri losgeht. Wir haben uns noch eine Weile darüber unterhalten und ich hatte beim Gehen ein ganz gutes Gefühl. Er hat sich mit ganz lieben Worten verabschiedet, die sich aber schon nach einem Abschied für längere Zeit anhörten ... Und das wars. Monatelang Sendepause - für niemanden zu erreichen.

    Mich quält das sehr. Ich habe zwar liebe Freunde die sich kümmern und ich gehe auch weg und versuche mein Leben gut zu leben. An manchen Tage geht es mir gut dabei - an anderen bin ich das heulende Elend und ertrage den Zustand und meine Ohnmacht kaum. Ich komme mir vor als würde ich einem Zustand nachtrauern der nie mehr so sein wird. Und wir hatten halt in den Phasen ohne Depri eine so super Beziehung, da kann man eigentlich nur von träumen.

    Aber wie ist das mit dieser Co-Abhängigkeit? Stecke ich da Eurer Meinung nach schon drin? Wenn ja, was soll / kann ich da machen?

    Der Therapeut (den ich oben schon nannte) legte mir nahe in meinem eigenen Interesse über eine Trennung nachzudenken. Aber der Gedanke macht mich fix und fertig. Ich liebe meinen Freund noch immer und er ist ja auch ein liebenswerter Mensch der halt mit seiner Erkrankung nicht zurecht kommt.

    Einen Brief schreiben finde ich eine gute Idee. Aber wenn ich ihm meine Gefühle und Ängste schildere - hat er dann nicht ein schlechtes Gewissen. Schließlich liebt er mich ja noch (hoffe ich zumindest) und will mir ja mit seinem Verhalten nicht weh tun (das hat er früher zumindest immer wieder gesagt).

    Das Interview habe ich mir angehört. War sehr interessant. Und auf den Chat am Sonntag bin ich sehr gespannt.

    Liebe Grüße und vielen, vielen Dank für Eure Mühe,

    Voller Sorge

  • Hi Voller Sorge,

    nein, ich denke nicht, dass du in einer 'Abhängigkeit steckst, aber aber mit dem wenigen Text kann man das so auch nicht zu 100% ausschließen.
    Es sollte einfach mal anklingen, dass man auf sich achtet, nicht über seine eigenen Grenzen geht. Eigentlich erkennt man sehr schnell wenn da eine Schwelle überschritten ist - in dem Moment, wenn du dir alles auferlegst, selber nicht mehr zurecht kommst.

    Wenn du dich aber deinen Freunden anvertraust, jemand zur Aussprache hast, dann bitte halt auch so jemand, dass die dir unverblümt Veränderungen an dir mitteilen sollen.

    Irgendwie hab ich es mir gedacht, dass da etwas mehr als nur der "entfernte Freund" ist :winking_face:

    Einen Grund für ne Trennung sehe ich jetzt nicht, aber das kannst nur du für dich entscheiden. Wenn dich das Ganze dermaßen belastet, du dir mehr Vorteile aus der Trennung vorstellen kannst, dann solltest es durchziehen.
    Auf der anderen Seite, du schreibst hier, ich denke du willst ja noch so einiges versuchen.

    Zum Brief, also ich finde schon, dass du ganz normal deine Punkte aufführen solltest.
    Natürlich wird es auch bisserl weh tun, aber dir tut es auch weh und du gehst ja nicht her und verletzt absichtlich.
    Du hast Sorgen, stark begründete, die darfst schon schreiben und genauso aber zeigen, hallo, ich will dich mit meinen Möglichkeiten unterstützen. Dazu müsst ihr aber reden können, vlt auch mit einem Therapeuten zusammen, wie auch immer.
    Genauso könntest die Empfehlung des Therapeuten aufführen, aber auf der anderen Seite klar sagen, dass will ich so nicht - ich liebe dich und will es mit dir zusammen durchstehen.

    Und ganz ehrlich, 'Depressionen die sich über Monate hinziehen und unbehandelt bleiben, die gehen nicht einfach so wieder weg. Viele schämen sich, denken das muss man selber schaffen, aber warum soll man sich selbst so schädigen, wenn es wirklich gute Hilfe für diese 'Depressionen gibt. Es kann ja alle möglichen Ursachen haben, sogar körperliche, aber auch das wurde im Interview angesprochen.

    Ich hoffe du findest schnell einen Weg, dass ihr mal quatschen könnt und für ihn hoffe ich, dass er schnell erkennt, dass er nicht allein alles erledigen muss - was ich eh fast für unmöglich halte.

    LG Franz

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!