Hallo Jemenpyton,
ich war mal regelrecht chatsüchtig. Mir waren die Bekanntschaften im Chat wichtiger, als mein reales Leben, habe zu meiner Höchstzeit ca. 20 Stunden im Chat verbracht, mal eben schnell was gekocht, bisschen geputzt und wenn es PLING gemacht hat, saß ich wieder vorm PC.
Internetbekanntschaften scheinen intensiver zu sein, weil man mehr von sich preisgibt. Im realen Leben tauscht man selten so viele Worte aus, die einen innerlich berühren. Meine liebste Freundin habe ich auch im Chat kennengelernt, aber wir sind sehr schnell dazu übergegangen auch zu telefonieren und uns auch zu treffen.
Wenn das Reale fehlt, verfällt man schnell einem Irrtum. Man fängt an Gefühle für sein Gegenüber zu bilden und liebt dabei nur die eigene Projektion. Es passt alles so wunderbar, so harmonisch - so unwirklich. Es ist eine virtuelle Welt. Oft ist man enttäuscht, wenn man ein Foto des Gegenübers sieht oder ihn persönlich kennenlernt. Die Phantasie hat einem einen Streich gespielt. Gefühle, die im Chat real schienen, waren es in Wirklichkeit gar nicht.
Es ist gut, dass es Chats und Foren gibt. Gut, wenn man phasenweise einsam ist oder Probleme hat, über die man mit realen Menschen nicht sprechen kann. ES IST ABER KEIN ERSATZ FÜRS LEBEN.
Ich habe das irgendwann gemerkt und mich gezwungen, weniger zu chatten und viel mehr raus zu gehen, unter die Menschen. Das Seltsame war, dass ich die virtuelle Welt einfach vergessen hatte, als das reale Leben mich wieder hatte. Die virtuelle Welt kann nicht halten, was sie verspricht.
Deswegen würde ich jedem raten, erst einmal sachlich und mit Abstand an diese Dinge heranzugehen. Gibt es einen Menschen, der tiefe Gefühle in mir hervorruft, so frage ich meistens, ob wir telefonieren können, ggf. uns treffen. Gibt es klar nachvollziehbare Gründe, warum das nicht möglich ist (z.B. er wohnt in Amerika), so ist chatten ok. Redet er sich heraus, so ist wahrscheinlich jedes investierte Gefühl keinen Pfifferling wert. Menschen, die sowieso anonym bleiben wollen, sind mir generell suspekt. Ich spreche jetzt nicht von Nicks, die sind ein guter Schutz!!! Das ist vollkommen ok!!! - Ich spreche von Menschen, die anonym in Chats oder Foren posten, die keinen realen Kontakt möchten.
Es ist natürlich immer ein Risiko, sich mit jemandem aus dem Chat zu treffen und ich würde allen jungen Mädchen oder einsamen Frauen generell abraten, sich alleine mit demjenigen zu treffen und schon gar nicht, wenn keine Info über ihn vorhanden ist, die nachprüfbar auch stimmt (also Adresse, Tel. usw.). Ich bin nicht der Schisser oder Zweifler, aber eine gewisse Sicherheit sehe ich als unabdingbar.
Im Chat habe ich immer wieder erlebt, dass sich Paare angeblich ineinander verliebt haben. Von den ca. 20 Paaren sind 19 wieder auseinandergegangen, nachdem sie sich ein paar Mal getroffen hatten. Ein Paar ist lediglich befreundet, kein Liebespaar. Ich glaube, wenn man im Chat einen Partner Sucht, dann ist man zu offen und dankbar für Aufmerksamkeit und Zuwendung. Vielleicht interpretiert man auch zu viel hinein in diese *Beziehung*.
Jedenfalls ist das reale Leben das Leben, welches du an erster Stelle leben solltest. Hast du kein reales Leben mehr und bist nur noch in der virtuellen Welt - so läuft was schief! Wenn du merkst, du bist abhängig von deinem PC, drehst schon durch, wenn der Server mal blockiert ist und du nicht ins Internet kommst, dann ist das wohl ein Zeichen für Sucht.
Alles kann Gift oder Medizin sein, es kommt auf das richtige Maß an.
Reale Freunde haben den Vorteil, sie können dich umarmen.
Ich kann dich nur virtuell umarmen. Da hast du nicht wirklich was von.