Versteckter Alk in Lebensmitteln/Medikamenten

  • Hallo,

    auf Franz´ Anregung eröffne ich mal diesen Thread. Habe mich gestern wohl etwas zu drastisch/zynisch zum Handbuch-Thema geäußert und möchte mich dafür an dieser Stelle entschuldigen. Es ist eine meiner Macken, oftmals alle Geschütze aufzufahren, wenn ich etwas kritisiere. Das ist ganz besonders dann der Fall, wenn ich Dogmen wittere und/oder gängigen Theorien trotze.

    Ich für meinen Teil sehe den Umgang mit z. B. Schwarzwälder Kirschtorte oder alkfreiem Bier etwas differenzierter, denn ist es nicht auch die jeweilige Intention, die beim Umgang damit eine tragende Rolle spielt?! Wollte ich mich berauschen, wäre es sicherlich der denkbar schlechteste Weg, dazu ausgerechnet die beiden genannten Beispiele zu verwenden. Und fallen durch den Genuss alkfreien Bieres alle Schranken, und provoziere ich dadurch einen Rückfall, habe ich dann nicht einen entscheidenden Teil meiner Eigenverantwortung dem jeweiligen Nahrungsmittel übertragen ...?!

    Gehen hier möglicherweise nicht sogar die Prävention, der Sucht-Dämon und das "schwache Fleisch" des Betroffenen eine unheilige Allianz ein und liefern eine Entschuldigung frei Haus?! Ich kenne zur Genüge Beispiele aus meinem alten Bekanntenkreis, die sich durch das Hintertürchen des alkfreien Bieres in einen vermeintlich unbeabsichtigten Rückfall hinein manövriert haben, denn man kann immer damit argumentieren, etwas nicht gewusst zu haben (z. B. dass Alkfreies sehr wohl Alk enthält). Der Süchtige ist enorm erfinderisch, wenn es darum geht, seine Sucht zu verbergen. Warum sollte er diese Gabe nicht auch als Abstinenzler für einen Rückfall nutzen?!

    Spinnt man diesen Präventionsgedanken (konsequenterweise) ein wenig weiter, ergeben sich noch ganz andere Perspektiven, die einen Rückfall ermöglichen. Reicht da nicht der Duft der leeren Bierfässer, die ein vorbei fahrender Brauerei-LKW verströmt oder der Smell, der durch die geöffnete Kneipentür zur Straße dringt?! Und wie verhält es sich mit der allgegenwärtigen Werbung in Form von TV-Spots, auf Kneipenschildern und an Trinkhallen?! Wollte man sich all diesen Einflüssen entziehen, käme dies einem "Leben im Ganzkörperkondom" gleich.

    Es gibt Therapien gegen Flugangst und die Angst vor´m Autofahren, also gegen Ängste, die im Zusammenhang mit zivilisationsbedingten alltäglichen Praktiken stehen. Ich frage mich, warum es keine Therapie für den (selbst-) kritischen Umgang mit Schwarzwälder Kirschtorte, alkfreiem Bier oder Marzipan-Schokolade (ja, is´ auch Alk drin) gibt ...

    Gruß, Paule

  • Hi AliceDee,

    freut mich, dass du "ein wenig runtergekommen" bist.
    Tatsache ist halt, dass bei den von dir genannten Therapien nachweisbar Fortschritte erzielt werden, während durch Einnahme von verstecktem Alkohol das SUCHTGEDÄCHTNIS
    wieder aktiviert wird - und das hat keinerlei therapeutische Wirkung, im Gegenteil:
    Das tut weh, wirft einem zurück und kostet nen Haufen Energie und Zeit für dich selbst und natürlich leidet auch das Umfeld mit, wenn du deshalb im schwarzen Loch rumkriechst.

    Außerdem hilft doch das darauf achten, was man zu sich nimmt, sehr sich bewußt zu halten, dass man einfach achtsam sein WILL !!!

    Also, mir hat das noch nie geschadet - im Gegenteil.

    LG:Ganesha

  • Wunderbar, eine Diskussion bedeutet meist, man versucht sich zu verständigen und deswegen freue ich mich auch :smiling_face:

    Den Weg muss jeder selbst finden, eine Patentlösung gibt es leider nicht, wie man sich vor Rückfällen schützt.
    Leider aber kommt es eben vor, dass mancher durch eine "versteckte" Substanzeinnahme ziemliche Problem bekommen kann - wohlgemerkt kann!

    Oft erscheint es zu pauschal, wenn man gesagt bekommt, nie wieder ein Suchtmittel, egal welches.
    Gerade aber am Beginn der Abstinenz ist ein absolutes Suchtmittelverbot für manche die einzig praktikable Möglichkeit.

    Kenn das von mir.
    Nach meinem "Unfall" wurde ich über Monate im Krankenhaus gut zugeballert, manchmal war ich echt dicht von dem Zeug.
    Ich erinnere mich, am heftigsten war es bei der Dialyse, wenn dann 'Schmerzmittel direkt in die Schläuche (also IV) gegeben wurden.

    Seitdem muss ich auch jetzt noch 'Schmerzmittel nehmen, in meinem Fall Tilidin.
    Eine gewisse Zeit hab ich mich gegen solche Mittel nach dem Krankenhaus gewehrt. Mir war auch klar, ich nehm da ein 'Opioid, also nicht recht viel anders als 'Heroin.

    Vor einigen Wochen habe ich die Tilidintropfen abdosiert, jetzt gibt es nur noch Tilidin Retard.
    Die Tropfen haben Schmerztherapeuten angeprangert, weil se ja nach Bedarf genommen werden, also doch sehr viel mehr suchtfördernd sind.
    Wenn ich auch nie ne Dosissteigerung hatte, im Grunde auch nie breit war, trotzdem wollte ich es wissen, ob ich mit einem eisernen Willen drauf verzichten kann.
    Ok, Tilidin hat Nebenwirkungen, man wird träger, bei mir vor allem mit den Tropfen.

    Mir sind aber einige Fälle bekannt, also Ex-Junkies, die aufgrund von extremen Schmerzen Suchtmittel einnehmen müssen - ich seh da auch kaum ne andere Möglichkeit.

    Vielleicht ist da mein Vorteil, auch in meiner aktiven Zeit habe ich nie Ersatzstoffe genommen. Nur einmal beim abdosieren hab ich 2 Subus genommen.

    Es zeigt, manchmal hat man keine Wahl, aber ich denke, wenn man sich gut damit auseinandersetzt, dann geht das auch.
    Ich wurde immer eng begleitet, es wurde genau beobachtet, wie mein Tilidinkonsum ist - Hausärztin achte da genau, musste aber nie eingreifen.

    Ansonsten nehm ich keine anderen Sachen, ich kiffe nicht, was ich auch noch lange nah dem H gemacht hatte.

    Jetzt komm ich zum Alk :winking_face:
    Ich trinke nämlich welchen, wenn auch sehr selten. Mal ein Weißbier zum Essen, oder ein Glas Wein oder wenn ich mal weggeh, da genehmige ich mir mal was.
    Es ist aber heute was ganz anders als vor 20 Jahren.
    Dieser Konsum dient nicht zum dichtmachen, es ist ein Genuss, es artet auch nicht aus.

    Deswegen kann ich gut verstehen Paule, dass es für manchen zu extrem rüber kommt, wenn da welche mit erhobenen Zeigefinger sagen - Finger weg von Allem!

    In der Regel rate ich auch kompletten Substanzverzicht, es ist der einfachere Weg, für viele auch der einzige.
    Mit der Zeit muss dann jeder für sich herausfinden, wie man weiterlebt. Wie du Paule auch schreibst, eine Torte will ich auch mal, wobei bei mir jetzt nicht der Alk so im Vordergrund steht.

    Ich muss aber auch zugeben, mit dem 'Kiffen hab ich auch lange anders gedacht.
    Lange hab ich noch gekifft, hab da kein Problem gesehen. Als ich anch über 11 Jahren rückfällig war, also mit H, da hat mein damaliger Therapeut gesagt, das war abzusehen.
    Mit dem 'Kiffen hab ich mein Gehirn brav weiter an meine 'Sucht erinnert, hab ähnliche Rezeptoren angesprochen, wenn auch in geschwächter Form.
    Der Knackpunkt ist ja dann, passieren Dinge die einen aus der Bahn werfen - dann ist das Suchtgedächnis von gleich auf jetzt wieder da.

    Hui, hab weit ausgeholt :grinning_squinting_face:
    Punkt ist, wenn alles optimal läuft, dann kann mancher auch mal eine Torte essen, wo Alkstoffe drinnen sind.
    Aber was ist, wenn man das dauernd macht, ist da die Gefahr nicht zu groß, dass man seine 'Sucht unbewusst mitträgt?
    Zudem, wenn es denn so sein sollte, dann ist die Gefahr eines Rückfalls doch um ein vieles höher, wenn irgendein Knackpunkt im Leben kommt, oder?

    Und die Erfahrung zeigt, es kommen wieder Situationen, in denen haben wir früher immer zu irgendwelchen Suchtmittel gegriffen ...

    Ok, man verzeihe meine Themaverfehlung :]

    Ich denk, es kann nur hilfreich sein, wenn man irgendwo nachsehen kann, kann ich diese Torte bedenkenlos essen und bin danach nicht gleich betrunken oder so :winking_face:
    Hoffentlich bekommen wir da gemeinsam was gutes zusammen!

    LG Franz

  • Hallo, Franz,

    ich möchte jetzt nur mal einen Punkt aufgreifen, um mich nicht in der Komplexität Deines gesamten Beitrages zu verlieren, und zwar nehme ich die Schwarzwälder Kirschtorte. Hier kommt wieder die von mir genannte Intention ins Spiel. Was bezwecke ich damit, wenn ich sie mir so oft wie möglich reinziehe?! In dem Fall könnte man mir schon eine Absicht unterstellen, nämlich die, mich an dem darin enthaltenen Kirschwasser berauschen zu wollen. Findet im Schwäbischen, wo ich einige Verwandte habe, eine Feier statt, esse ich nur ein Stück davon, weil ich mich ohnehin noch an den anderen Kuchen laben möchte :2:.

    Und zu den Geboten und Verboten allgemein: Was könnte in dem noch nassen Alki vorgehen, wenn er - noch bevor er sich überhaupt zu einer Entgiftung entschlossen hat! - realisiert, dass sein Weg in die Trockenheit mit lauter No-Gos gepflastert sein wird?! Ich könnte mir vorstellen, dass viele, wenn sie hören, dass sie das und das und das und das und das nicht mehr essen/trinken dürfen, von vornherein die Flinte ins Korn werfen und bei den abzusehenden Abstrichen an Lebensqualität lieber weiter saufen.

    Ich möchte die Sache ja nicht komplett in Frage stellen, sondern nur aufzeigen, dass auch sie eine Kehrseite hat ...

    Gruß, Paule

  • Das ist ein interessantes Thema! Ich frag mich nämlich auch, weshalb es mir "vergönnt" ist (finde im Moment keinen passenderen Ausdruck), in der Lage zu sein, ab und an mal was zu trinken, ohne das Bedürfnis nach mehr zu verspüren? Immerhin musste ich zwei mal vom Alk entgiften, glücklicherweise ohne Delier o.ä. (wie desorientiert zu sein).
    Ich weiß aber noch, wie sehr es mich jeden Morgen, vor dem ersten Bier geekelt hat und ich hätte gerne drauf verzichtet, wär da nicht dieser Tremor und die Beklemmungen gewesen. - So ähnlich erging es mir nach meiner 18 monatigen Therapie (wegen H - also ich bin nicht politox.) - da war ich 9 Jahre stabil, in dem Sinne, dass ich meiner damaligen Lebensgefährtin, so alle 3 -4 Monate, einen Rückfall zugestand, an dem ich natürlich teilgenommen habe. Anders hätt ich sie, in diesem Zustand auch nicht ertragen! Aber ich habe, im Vorfeld, immer versucht, sie davon abzubringen, weil ich auch so etwas wie Ekel empfunden habe! Nur wenn das erst mal in ihrem Kopf war, konnte ich argumentieren, wie ich wollte. - Nach einer solchen Aktion war dann auch tatsächlich Schluß. Ich sollte vielleicht erwähnen, daß sie nie im Leben eine längere Cleanzeit hatte und dazu noch seit vielen Jahren mit HIV infiziert war. Ich will damit sagen, dass ich ihre Ängste (vorm Sterben) gut nachvollziehen konnte und diese Rückfälle so ne Art Erholungspause, vom Nachdenken waren. Dass ich nach so langer Zeit, wieder voll drauf gekommen bin, hing mit vielen Schicksalsschlägen zusammen, die mich in einer sehr kurzen Zeitspanne regelrecht "überrannten", womit ich nicht klarkam. Ich hatte damals das Gefühl, ich müsse mich "in Watte packen" - also H nehmen, um das nicht so an mich ran zu lassen.
    Was den Alk angeht, kenne ich nur Menschen, denen es ausschließlich mit totaler Abstinenz, gelingt trocken zu bleiben - bzw. die sofort komplett abstürzen, wenn sie auch nur den Versuch machen mal ein Bier zu trinken. Hop oder Top, das ist in diesem Fall die Devise. Ich habe noch gut in Erinnerung, wie körperlich und psychisch zerstört manche der Langzeitalkoholiker, auf der Entgiftungsstation waren. Zum Teil irreparable Schäden (wie z.B. Korsakov-Syndrom) und ich denke vielleicht ist es auch der Respekt, vor der zerstörerischen Gewalt des Alkohols, der mich da "im Lot" hält. Jedenfalls hab ich diesbezüglich keinen Suchtdruck - dafür macht mir halt das Pulver zu schaffen... und das will und muß ich unbedingt ändern.

  • @ Darwina:

    Da hast Du mich wohl etwas missverstanden. Ich rede nicht davon, hin und wieder mal ein Bier oder ein Glas Wein zu trinken, nein, ich meine hin und wieder ein Alkfreies, ein Essen mit einer Weinsauce oder ein Stück Kuchen/Torte, das geringe Alkspuren enthält. Ein Glas Bier oder Wein dürfte bei den meisten trockenen Alkis sowieso flach fallen, denn wenn sie´s beim ersten Versuch nicht geschafft haben, kontrolliert zu trinken, warum sollte es dann beim zweiten Mal funktionieren ...?!

    Gruß, Paule

  • Doch, ich hab das schon verstanden. Aber Alk ist eben Alk und wie Du schon sagtest, ist in alkfreiem Bier, eben auch Alk drin! Du gönnst Dir ab und an mal ne Torte und ich mir hin und wieder mal ein Glas Rotwein! Fakt ist, aus irgendeinem Grund gelingt es uns trotzdem, nicht wieder abzustürzen. Weshalb das so ist ??? Aber ich bin mir sicher, dass es für viele andere, ein "Spiel mit dem Feuer" wäre, es zu testen.

  • Also ich meine, dass es schon ein gehöriger Unterschied ist, ob man ein alkfreies oder ein "normales" Bier trinkt. Würde ich jetzt ein ganz normales Bier trinken, würde ich die Wirkung des Alkohols spüren. Und das ist bei einem Clausthaler absolut nicht der Fall. Beim Alkfreien geht es mir vordergründig um den Geschmack, beim anderen um mehr ...

    Gruß, Paule

  • O.K. ich verstehe - Du magst einfach gerne den Biergeschmack. Ich war ja damals ausschließlich auf Bier und es hat mich richtig geekelt, deshalb trink ich heute praktisch keins mehr (einmal einen Radler - aber auch das war nicht mein Ding). Einen trockenen Rotwein (zu einem guten Essen) kann ich jedoch genießen und ich fühle mich auch nicht angeheitert oder so. Jedenfalls sind es nur seltene Momente und sonst, so im normalen Tagesgeschehen, hab ich überhaupt keinen Drang danach was zu trinken. Jedenfalls, bin ich froh darüber, meiner Familie nicht auch noch sagen zu müssen "Seit neustem bin ich auch noch Alkoholikerin" und das müsste ich tun, wenn bei Familientreffen, was eingeschenkt wird und ich wäre dadurch gefährdet. Ich denke meine Teufelsdroge ist das H - es fällt mir schwer, mir das Leben ohne vorzustellen (zumal ich dann zu Depressionen neige - war nach jeder Entgiftung so, bin immer in ein tiefel Loch gefallen... und dann wieder Rückfall...) LG Darwina

  • Ich stelle mal die Behauptung auf, dass, wenn man noch H konsumiert, der Alkoholgehalt eines Glases Wein nicht ausreicht, um eine berauschende Wirkung zu erzeugen, weil der Körper an "Räusche" ganz anderen Kalibers gewöhnt ist. Nur bin ich jetzt seit gut 15 Jahren trocken, habe seit 17 Monaten nicht mehr gekifft. Ein Glas Wein oder eine Flasche Bier hinterließe bei mir wohl ungefähr die Wirkung wie bei einem 13-Jährigen. Ich bin momentan so clean wie zuletzt vor 30 Jahren.

    Gruß, Paule

  • Da geb ich Dir wohl recht, Alice Dee - allerdings bin ich mit dem H auch soweit runter, dass ich nur keinen Affen habe. Allerdings hab ich in diesem "Minimalzustand" null Bock auf Alk - aber das mcht mich nicht unglücklich!!!

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