Anklagebrief an eine Mutter

  • Hm, ich dachte, ich hätte ihn schon mal gepostet, aber auf der Suche nach ihm, hab ich ihn nicht gefunden.... Ja, diesen Brief habe ich vor über 1,5Jahren mal geschrieben...

    Anklagebrief an eine Mutter

    Du hast mir nie das Gefühl gegeben, dass ich liebenswert bin, dass es gut ist, wie ich bin, dass ich überhaupt etwas wert bin. Ich durfte nie so sein wie ich wollte, musste einem perfekten Bild einer tollen Tochter entsprechen, um Liebe zu bekommen. Und wenn ich nicht so war wie du mich haben wolltest, war ich es nicht mehr wert, dass du mit mir gesprochen hast. Das tat so weh! Ich hätte fast alles getan, damit du mich anschreist, anstatt dieses Schweigens.
    Ich war klein, sechs oder sieben Jahre, und brachte dir einen Strauß Blumen. Du fragtest: „Was soll ich mit dem Unkraut?“ Ja, es waren Pflanzen, die man allgemein als Unkraut bezeichnet, aber sie sahen schön aus und waren mein Geschenk an dich.
    Du warst nie sauer, wenn ich schlechte Noten hatte, aber die Enttäuschung in deinem Gesicht und in deinen Worten tat mehr weh als jede Wut. Ich hatte doch mein bestes gegeben. Doch das war nie genug.
    Wenn ich etwas ausprobieren wollte, durfte ich es nicht, denn du hast mir nie etwas zugetraut. Und bald habe ich mir selbst nichts mehr zugetraut.
    Ich durfte nicht laut lachen, denn das tut „man“ nicht. Aber wenn ein Kind nicht laut lachen darf, was bleibt ihm dann?
    Brachte ich mal nicht so gute Noten mit nach Hause, zählten immer nur die, die besser waren. Solange ich nicht die beste war, zählten auch gute Noten nicht viel und die, die schlechter waren als ich schon gar nicht. Die gab es gar nicht. Es gab und zählten immer nur die besseren, lieberen, braveren Kinder, an denen ich mir ein Beispiel nehmen sollte, so dass ich immer das Gefühl hatte, an letzter Stelle zu stehen, dass alle anderen mehr wert sind als ich.
    Wenn andere redeten, hatte ich ruhig zu sein. Nie durfte ich meine Meinung sagen, außer sie entsprach der deinen. War ich anderer Meinung als du, hieß es: „Darüber diskutiere ich nicht. Du bist das Kind und hast deswegen das zu tun, was ich sage.“ Wie oft ich diesen Satz von dir hörte, kann ich heute nicht mehr zählen.
    Eines Abends als ich ca. 8 Jahre alt war, aß ich abends im Bett nach dem Zähneputzen noch Schokolade. Du kamst unerwartet rein und hast es gesehen. Du wolltest dir eine Strafe überlegen, die auch durchaus gerechtfertigt war, versprachst mir aber auch auf mein Bitten hin, es nicht meinem Vater zu sagen, denn ein enttäuschter Elternteil war mir genug. Doch am nächsten Morgen wusste mein Vater Bescheid. Du hattest es versprochen, doch du hast dich nicht dran gehalten. War ich es nicht wert, dass du ein Versprechen mir gegenüber hälst? Wahrscheinlich nicht, denn ich war ja NUR ein Kind, dein Kind, jemand der unter dir, unter allen anderen Menschen steht!
    Irgendwann, ich wünschte mir Geschwister, damit ich nicht mehr alleine gegen die Front „Eltern“ stehen musste, fragte ich dich, warum ich keine Geschwister hätte. Als Antwort kam von dir nur: „Noch so was wie dich?!“ Was hatte ich dir nur getan?!
    Später hast du den größten Vertrauensbruch begangen, den es gibt: Du hast mein Tagebuch gelesen und dich dann auch noch über den Inhalt lustig gemacht. Was um Himmels Willen ist so schlimm daran, wenn man in der Pubertät für einen Lehrer schwärmt?
    Als mein einer Wellensittich starb, gabst du mir die Schuld, weil ich ihn nicht richtig versorgt hätte. Ausgerechnet meinen Lieblingswellensittich, der mir so ähnlich war, nur das hat keiner bemerkt. Du hast gesagt, ich hätte ihm kein frisches Wasser gegeben und als ich dir sagen wollte, dass ich es ein paar Stunden zuvor erneuert hatte, hast du mir gar nicht zugehört, sondern dich weg gedreht und behauptet, dass ich lügen würde. Und wie so oft, hast du danach längere zeit nicht mehr mit mir geredet.
    Erinnerst du dich noch an die längste Zeit, in der du nicht mehr mit mir gesprochen hast? Wahrscheinlich nicht, genauso wenig wie an all die anderen Dinge, die hier stehen, denn das würde ja bedeuten, dass die unfehlbare Mutter etwas falsch gemacht hat und da ist es wahrscheinlicher, dass die Sonne nicht mehr aufgeht. Drei Wochen hast du einmal nicht mehr mit mir gesprochen, drei Wochen! Wie hast du das nur ausgehalten? Und warum? Ihr ward abends kegeln und am nächsten Tag der Meinung, dass ein anderes Fernsehprogramm eingeschalten worden war. Du dachtest, ich hätte gegen euer Verbot, abends wenn ihr weg seid, noch fern zu sehen, aber dem war nicht so. Und wieder war ich die böse Lügnerin. Wenn es für dich nur den kleinsten Zweifel gab, hast du mir nie geglaubt. Nach zwei Wochen hielt ich es nicht mehr aus und entschuldigte mich für etwas, das ich nicht getan hatte, ich wollte nur, dass du wieder mit mir redest. Doch um ein „Exempel zu statuieren“, wie du sagtest, hast du eine weitere Woche nicht mit mir geredet.
    Deine Mutter war dein Heiligtum und so sollte ich sie auch behandeln. Doch ich mochte die fremdenfeindliche Frau nicht. Aber trotzdem musste ich ihr bei jeder Begrüßung und jeder Verabschiedung ein Küsschen geben, sonst war sie zu Tode beleidigt und gekränkt. Dass ICH das nicht wollte und wie ICH mich dabei gefühlt habe, hat dich nicht interessiert, war absolut unwichtig.
    Egal ob ich morgens erbrach oder Fieber hatte, zur Schule musste ich trotzdem. Du hast nie zu mir gestanden. Wenn ich mit anderen Kindern Streit hatte, war ich für dich immer die Schuldige. Was war ich für ein Kind, wie schlimm muss ich gewesen sein, dass du andere lieber mochtest als mich? Und dann hast du dich gewundert, warum ich nach all dieser Dinge kein Vertrauen mehr zu dir hatte und dir nichts mehr erzählt habe?! Du wolltest, dass ich nicht laut lache, dass ich nicht weine. Als dann meine Tante starb, der einzige Mensch, der mich damals gemocht und akzeptiert hat wie ich war, war meine Trauer so groß, dass ich nicht weinen konnte und du hieltest mich für kalt und herzlos, nach dem wahren Grund hast du nie gefragt. Was ich auch tat und wie ich es auch tat, es war immer falsch.
    Du hast dich nie hinter mich gestellt, mich nie gedeckt, doch als ein neuer Mann in dein Leben trat, musste ich dich decken. Ich hatte es dir versprochen und im Gegensatz zu dir halte ich Versprechen, weil ich weiß wie weh es tut, wenn sie gebrochen werden. Dass ich die ganze Wut und Trauer meines Vaters abbekam, hat dich nicht interessiert.
    Schon lange verletzte ich mich seit diesem Zeitpunkt selbst, aber das hast du nie bemerkt. Die Maske, die ich durch dich gelernt hatte aufzusetzen, war perfekt.
    Freiheiten kannte ich nicht. Du hast mir meine Freunde vorgeschrieben, noch mit 14 musste ich das anziehen, was du wolltest und als ich 18 war musste ich um 20Uhr spätestens zu Hause sein.
    Nach dem Abi schlug ich einen anderen Weg ein als du ihn für mich gedacht hattest. Und wieder war ich die große Enttäuschung, die Versagerin der Familie, das „Allerletzte“. Es war dir wichtiger, dass ich einen „angesehenen“ Beruf ergreife, damit ich wieder dem perfekten Bild entspreche, als dass ich glücklich bin.
    Als dein neuer Mann mich vor Gericht zerren wollte, weil ich Schulden, die ich bei ihm hatte, nicht zurück zahlen konnte, hast du zu ihm gehalten, mir gesagt, dass es richtig ist was er tut. Das war das erste Mal, dass ich gegen dich aufbegehrte, aber anstatt mich ernst zu nehmen, hast du mich nur wüst beschimpft und wieder nicht mit mir geredet. Doch da war ich stark genug, den Kontakt abzubrechen.
    Und heute? Heute wunderst du dich, dass mit dir nur über oberflächliche Dinge rede. Aber warum, das fragst du nicht dich, sondern mich. Weil ich für dich immer noch die kleine, undankbare Göre bin, die doch alles von dir bekommen hat, nur leider sind Materialien nicht alles, weil dir nie der Gedanke kommen würde, dass du Schuld trägst, dass ich nur ein Kind war, das nicht Schuld sein kann, das unschuldig war. Du kommst nicht darauf, dass du der grund bist, weshalb ich mich heute oft noch hasse. Und wenn ich dir etwas in der Richtung sage, streitest du alles ab, weil du dir keine Fehler eingestehen kannst.
    Unser Verhältnis wird nie vertrauensvoll sein können, das hast du zerstört, indem du an mir ein Verbrechen an der Menschlichkeit begangen, indem du gegen Artikel 1 des Grundgesetzes („Die Würde des Menschen ist unantastbar!“) verstoßen hast. Du hast meine Würde nicht nur angetastet, du hast sie zerstört und begraben!


    Meinungen sind erwünscht, aber nicht Pflicht! :winking_face:

  • Es ist ein langer Weg, das Kind in uns anzunehmen und zu
    bejahen; den sadistischen Erwachsenen in uns, Grenzen zu
    setzen und zu verneinen.

    Mit der Reife wird man jünger, sagte Herrman Hesse mal.
    Ich denke reifen heißt, uns in allen unseren Facetten
    annehmen und bejahen können.

    Aber dieser Tyran in uns, gewachsen aus Entbehrung,
    Hoffnung und Schuldgefühlen ist schwer zu entlarven.
    Die Dissonanzen der Eltern klingen in den Kindern fort,
    hatte Nietsche gesagt und auch er sprach aus eigener
    Erfahrung.

    Es ist ein langer Weg zu uns selbst, aber der einzige
    Frieden zu erleben.
    Kraft zum Loslassen, von Melody Beatty ist ein Tagebuch,
    der Selbstakzeptanz. Ich hatte 2 Jahre darin gelesen,
    bevor ich mich das erste mal entspannt zurück lehnen
    konnte, jedenfalls ohne Drogen oder Alkohol, die ja das
    Gegenteil von Selbstakzeptanz sind.
    Sicher hatte auch noch viel Anderes dazu beigetragen,
    aber ich kann nicht sagen was.

    Auch heute noch rutsche ich manchmal in meine

    Kinderschuhe, bin verzweifelt und trage einen
    Mühlenstein von Zweifeln um meinen Hals.
    Nicht immer spühre ich den Funken Hoffnung in mir, aber
    immer häufiger lodert er auch mal auf und wärmt mein
    Gemüt für eine Weile.

    Mein Analytiker sagt, ich trage 2 Grundstimmungen in
    mir, eine Ausgeglichene und eine hektisch, verzweifelte.
    Ich wünschte, es wären noch sehr viel mehr. :wink:

    Stehaufmänne

  • Kind

    Kinder sollten reden können
    Du wurdest zum Schweigen gebracht

    Kinder sollten lachen
    Du hast nur noch geweint

    Kinder sollten sich schmutzig machen können
    Du solltest immer sauber sein

    Kinder sollten ohne Angst spielen können
    Du hast nur noch Angst gekannt

    Kinder sollten ihre Gefühle zeigen können
    Du hast deine hinter einer Mauer versteckt

    Kinder sollten mit Kindern spielen können
    Erwachsene haben mit dir gespielt

    Kinder sollten schöne Träume haben
    Deine wurden von Monstern bestimmt

    Kinder sollten vertrauen können
    Dein Vertrauen wurde zerstört

    Kinder sollten beschützt werden
    Du wurdest nicht beschützt

    Kinder sollten geliebt werden
    Du warst ihnen egal

    Kinder sollten ihre Kindheit ausleben können
    Du wurdest zum Erwachsenen gemacht

    Gruß violance

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