Depressionen: Hallo Team, Forum und Leidensgenossen.

  • Ich lebe seit meiner Jugend mit schlimmen Depressionen. Meine Kindheit war gar nicht mal so übel, ich bin in einem gut bürgerlichen Elternhaus aufgewachsen und finanziell ging es uns immer gut. Für meine Bildung wurde alles getan, nur mein Vater hat in mir wohl das Kind gesehen, was er nie sein durfte. Egal was ich getan habe, ich konnte es ihm nie recht machen. Ich weiß bis heute nicht ob er mich geliebt oder gehasst hat. Ich habe so gut wie keine häusliche Gewalt erfahren, außer das ich fast mal erstickt wäre, da mir meine Mutter einen schweren Holzbügel auf den Rücken gehauen hat. Das Gefühl bleibt, die Todesangst wird man nie so wirklich los.

    Es würde wohl das Forum sprengen wenn ich meine Geschichte aufschreibe, denn mit 45 bin ich ja nicht mehr der Jüngste :smiling_face:

    Machen wir es kurz, ich habe in meinem Leben alles verloren was mir etwas wert war. Ich habe recht spät erkannt das ich krank bin, das kann ich bis heute nicht wirklich annehmen. Ich habe zahlreiche Therapien gemacht, fast alles an Antidepressiva geschluckt, geholfen hat nichts. Es gab immer nur Nebenwirkungen wie Magen und Darmbeschwerden.

    Ein Neurologe meine mal zu mir „Sie bekommen eine Dosis, die jedes Pferd umhauen würde“. Na toll, mich nicht und ich fing auch nicht an zu wiehern.

    Ich habe oft mit dem Gedanken gespielt mir das Leben zu nehmen, nur in meinem Kopf gibt es so eine Art von Schutzschalter, der mein Ableben in Krisensituationen bislang verhindert hat – was auch gut ist. Ich will nicht sterben, ich möchte nur mal wieder „glücklich“ sein. Nur Glück ist nach Sigmund Freud nicht Teil der Schöpfungsgeschichte, selber bin ich aber nicht mehr in der Lage mir ein Umfeld zu schaffen was mich glücklich macht.

    Beruflich komme ich aus dem sozialpädagogischen Bereich, bin von daher schon ein Problempatient. Viele Therapeuten, von denen es viel zu wenig in Deutschland gibt, lehnen es ab Menschen aus meinem Berufsfeld zu betreuen.

    Ich beziehe seit 6 Monaten eine volle Erwerbsminderungsrente, nur das kann doch nicht das Leben sein. Durch einen Gendefekt verlor ich mit Anfang 30 alle Zähne und lebe mit „Oma & Opa“ Gebiss. Seitdem habe ich mich keiner Frau mehr genähert, wäre ja schön blöd beim Küssen.

    Manchmal fühle ich mich wie ein Tier im Käfig, man schaut nur zu wie das Leben funktioniert. Das tut unheimlich weh, jeden Tag, jede Woche, jeden Monat.

    Ich habe es aber geschafft 45 Jahre alt zu werden, mit einem total gebrochenen Selbstwertgefühl, was ich wohl meinem Vater zu verdanken habe. Ich hoffe ich halte das noch länger durch, denn sterben will ich nicht. Mir fällt es aber immer schwerer mein derzeitiges Leben auszuhalten.

    Ich könnte vier bis sechs Wochen in eine Klinik gehen, nur danach kommt man nach Hause und alles ist wieder so wie man es kennt. Bei mir hat das nie wirklich funktioniert.


    Gruß Pepperonie

  • Hi Pepperonie,

    hier sind viele in unserem Alter, also keine Bedenken, du kannst ruhig weiter ausholen :winking_face:

    Ich versteh nicht ganz, wie es zu so einer merkwürdigen Dosierung kommen kann, wie du es beschreibst.
    Ad's müssen doch verschrieben werden und die medikamentöse Behandlung engmaschig überwacht werden.
    Zudem, wenn ein AD länger keine Wirkung zeigt, dann muss man andere Produkte einsetzen.

    Wenn man aber starke Selbsttötungsgedanken hat, dann kann man das auch nicht einfach durch Gabe von Medikamenten erledigen - ok, natürlich kann man, wenn man wen betäubt! :winking_face:

    Das Therapeuten keine Sozis behandeln würden, das ist mir auch neu. Wer so eine Aussage macht, also als Thera, der sollte vlt seinen Job wechseln.

    Deine Rente beziehst nun wegen der Depris?
    Wenn man so liest, also eine nicht ganz optimale Kindheit, kaum Selbstwertgefühl, also da sollte doch wirklich ne Therapie angedacht werden.
    Schon mal eine gemacht? Da würde sich ja sogar was stationäres anbieten, was meiner meinung bessere Ergebnisse liefern könnte.
    Wenn du es nicht zu Hause umsetzen kannst, dann hat alles bisherige vielleicht nicht ausgereicht?

    Ich bin auch 45, aber wir dürfen doch noch nicht aufhören, es geht doch noch ne Zeit mit uns alten Knochen :smiling_face:

    LG Franz

  • Hi Pepperonie,

    mich würde mal interessieren, was du schon alles an Therapien durchgemacht hast. Stationär, ambulant, Verhalten, Psychoanalyse?

    Ich kann das mit deiner Kindheit gut nachvollziehen. Ich hatte auch eine einstmals recht "normale" Kindheit, ebenfalls aber Probleme mit meinem Vater, der mich auch geschlagen hatte und ich daher ne zeitlang nen sehr sagen wir mal gespaltenes Verhältnis zu ihm hatte.

    Zitat

    ...mit einem total gebrochenen Selbstwertgefühl, was ich wohl meinem Vater zu verdanken habe.

    Versteh mich nicht falsch, aber kann es sein, dass du teilweise versuchst, deinem Vater die Schuld für deine Probleme zu geben? Ich hab wie gesagt lange an dem Verhältnis mit meinem Vater zu knabbern gehabt, hab ihn für vieles verantwortlich gemacht und klar: ist ja auch was wahres dran. Was mir im Endeffekt aber erst geholfen hat, mit den vergangenen Situationen fertig zu werden ist das Verzeihen. Ich habe ihm irgendwann verziehen, was er gemacht hat denn ich weiß, dass auch er seine Probleme hatte und sich garantiert schlecht gefühlt hat für das, was er getan hat. So konnte ich für mich mit der Situation abschließen und meinen Frieden finden. Heute haben wir wieder ein gutes Verhältnis und ich bin froh, dass ich so gehandelt habe.

    Das mit den Sozialpädagogen ist mir auch neu. Wieso solltet ihr denn weniger gerne behandelt werden??


    Gruß

  • Hi Franz und dead end,

    Zitat von Franz

    Ich versteh nicht ganz, wie es zu so einer merkwürdigen Dosierung kommen kann, wie du es beschreibst.
    Ad's müssen doch verschrieben werden und die medikamentöse Behandlung engmaschig überwacht werden.
    Zudem, wenn ein AD länger keine Wirkung zeigt, dann muss man andere Produkte einsetzen.

    Das ist so auch geschehen. Leider hat kein AD den gewünschten Effekt erzielt. Letztendlich habe ich mich für eine Bedarfsmedikation entschieden. Wenn es mir mal ganz schlecht geht nehme ich Atosil.

    Zitat von Franz

    Deine Rente beziehst nun wegen der Depris?

    Ja. Ich beziehe eine volle Erwerbsminderungsrente, die bis Ende November 2011 zeitbefristet ist.

    Zitat von Franz

    Wenn man aber starke Selbsttötungsgedanken hat, dann kann man das auch nicht einfach durch Gabe von Medikamenten erledigen - ok, natürlich kann man, wenn man wen betäubt! :winking_face:

    Selbsttötungsgedanken sind bei mir zeitweise vorhanden, die mich auch sehr belasten, nur würde ich mir nicht das Leben nehmen. Das habe ich zweimal in meiner Jugend versucht und landete in der Psychiatrie. Das möchte ich nie wieder erleben, von daher lehne ich eine stationäre Behandlung auch ab.

    Zitat von Franz

    Das Therapeuten keine Sozis behandeln würden, das ist mir auch neu. Wer so eine Aussage macht, also als Thera, der sollte vlt seinen Job wechseln.

    Zitat von dead end

    Das mit den Sozialpädagogen ist mir auch neu. Wieso solltet ihr denn weniger gerne behandelt werden??

    Das mag daran liegen, dass Menschen aus sozialen Berufen schlecht akzeptieren können plötzlich auf der anderen Seite zu stehen. Man kommt nie so richtig aus seiner Rolle raus, von daher fällt es unheimlich schwer Hilfe anzunehmen. Diese Einsicht muss allerdings vorhanden sein, sonst kann eine Therapie nicht richtig greifen. Ich wurde auch mal aufgrund meiner psychologischen Vorbildung abgelehnt, was ich überhaupt nicht verstanden habe.

    Zitat von dead end

    mich würde mal interessieren, was du schon alles an Therapien durchgemacht hast. Stationär, ambulant, Verhalten, Psychoanalyse?

    Für mich kommen nur ambulante Therapien in Frage. Angefangen habe ich mit einer Gruppentherapie, danach mit einer Gesprächs- und Verhaltenstherapie. Seit knapp zwei Jahren werde ich von Therapeuten der psychiatrischen Notambluanz des städtischen Krankenhauses behandelt, was mir auch sehr gut gefällt.

    Zitat von dead end

    Versteh mich nicht falsch, aber kann es sein, dass du teilweise versuchst, deinem Vater die Schuld für deine Probleme zu geben?

    Sagen wir mal so, die Schuldfrage stellt sich mir nicht mehr. Ich habe ihm schon lange verziehen, nur vergessen kann ich nicht. Ich sehe ihn ab und zu in der Innenstadt, nur wenn ich auf ihn zugehen will schaut er an mir vorbei und geht einfach weiter. Er hat mir wohl nicht verziehen, dass ich nicht sein Leben leben wollte.

    LG Pepperonie

  • Hi Pepperonie,

    also ich kenne psychiatrische Kliniken auch von vor 25 Jahren oder so.
    Aber so grundlegend ablehnen, das solltest wirklich überdenken - es hat sich viel verändert.

    Zudem wäre es ja keine Geschlossene, vielmehr würde eine Rehamaßnahme zutreffen, wenn keine akute Selbstschädigung vorhanden ist.
    Solche Kliniken sind nix anderes, als wenn man wegen nem Beinbruch ne 'Reha amcht und liegen meist in super schönen Gegenden.

    Zu Therapeuten, noch mal, es muss ein Thera drauf haben!
    Wenn du aber wirklich unbelehrbar sein solltest, dich gar nicht auf ne Therapie einlassen kannst, dann kann natürlich der beste Therapeut nichts machen :winking_face:

    LG Franz

  • Ich würd's mir auch noch mal überlegen mit dem Klinikaufenthalt. Ich kann deine Bedenken gut verstehen und für mich persönlich käme eine Geschlossene auch nie mehr in Frage, aber ich würde jeder Zeit wieder in eine psychosomatische Klinik gehen, in der ich auch kommen und gehen kann, wann ich will. Mir hat's damals geholfen, dass ich das erste Mal wieder das Gefühl hatte, dass es mir auch gut gehen kann. Wenn's einem sehr lange schlecht ging, muss man sich erst einmal wieder 'trauen' glücklich zu sein. Das klingt vielleicht merkwürdig, aber oftmals ist die Angst vor dem Glück größer als der Wunsch, glücklich zu sein. Wie sollte man auch etwas nicht fürchten, dass man nicht mehr wirklich kennt?

    Ein guter Therapeut sollte, wie Franz schon sagte, dich nicht wegen deines Berufs ablehnen. Dann dürfte ich mit biologisch/medizinischen Grundkenntnissen ja bald nicht mehr zum Arzt gehen, weil ich zu viel verstehen könnte. :winking_face:
    Vielleicht hast' einfach noch nicht die für dich passende Person gefunden, oder bist noch nicht offen genug für eine Therapie.

    Was ist denn dein Plan, wie's weiter gehen soll?

  • Zitat von Franz

    Solche Kliniken sind nix anderes, als wenn man wegen nem Beinbruch ne Reha amcht und liegen meist in super schönen Gegenden.

    Eine Freundin von mir arbeitet in einer medizinisch-psychosomatischen-Klinik. Ich habe sie dort öfter mal am Wochenende abgeholt. So schön das alles auch gelegen ist und aussieht, meine Welt ist das nicht. Ich konnte mich selten länger als 30 Minuten in den Gebäuden bewegen, danach musste ich immer raus vor die Tür gehen.

    Zitat von Wattwurm

    Mir hat's damals geholfen, dass ich das erste Mal wieder das Gefühl hatte, dass es mir auch gut gehen kann. Wenn's einem sehr lange schlecht ging, muss man sich erst einmal wieder 'trauen' glücklich zu sein. Das klingt vielleicht merkwürdig, aber oftmals ist die Angst vor dem Glück größer als der Wunsch, glücklich zu sein. Wie sollte man auch etwas nicht fürchten, dass man nicht mehr wirklich kennt?

    Ich verstehe was Du meinst. Angst vor dem Glück habe ich nicht, ich weiß aber das es nicht Teil unserer Schöpfungsgeschichte ist. Glück fällt nicht vom Himmel, das hat immer etwas mit uns selbst zu tun. Ich könnte sechs bis acht Wochen eine schöne Welt in einer Klinik erleben (für mich wär das ein Alptraum), nur irgendwann muss ich nach Hause fahren und dort finde ich neben einem Scherbenhaufen nichts mehr vor.

    In meinem Beruf werde ich wohl nicht mehr arbeiten können. Was kommt da auf mich mit 45 noch zu, Hartz IV und 1 Euro-Jobs? Keine schöne Perspektive.

    Zitat von Wattwurm

    Ein guter Therapeut sollte, wie Franz schon sagte, dich nicht wegen deines Berufs ablehnen. Dann dürfte ich mit biologisch/medizinischen Grundkenntnissen ja bald nicht mehr zum Arzt gehen, weil ich zu viel verstehen könnte. :winking_face:

    Das sehe ich auch so, aber leider gibt es solche Therapeuten.

    Zitat von Franz

    Vielleicht hast' einfach noch nicht die für dich passende Person gefunden, oder bist noch nicht offen genug für eine Therapie.

    Ich bin schon immer offen für eine Therapie gewesen, nur im Vorgespräch haben mich einige Therapeuten aufgrund meines Berufs abgelehnt.

    LG Pepperonie

  • Na ja, selbst als Frührentner oder Arbeitsloser kann man was aus seinem Leben machen. 1-Euro-Job ist eine Möglichkeit, die andere ist Freiwilligendienst. Es gibt so viele Einrichtungen, die dringend Freiwillige brauchen und einige haben wirklich sehr interessante Stellen. Du wirst zwar nicht bezahlt, aber du wirst gebraucht, tust etwas Gutes, hilfst und hast einen geregelten Arbeitstag. Es gibt sicherlich etwas, das dich interessiert und in den meisten Bereichen, vor allem sozialen, gibt's heute Freiwillige, die einen Großteil der Arbeit übernehmen, für die das Personal keine Zeit mehr hat. Perspektiven sind da, du musst nur danach schauen. :smiling_face:

    Gut, vielleicht ist eine Klinik keine Option für dich, aber wie sieht's denn mit einer Tagesklinik aus? Dann bleibst du in deinem gewohnten Umfeld, machst aber trotzdem eine Vollzeittherapie und kannst gezielt an deinem Alltag arbeiten.
    Ich kann verstehen, dass du nicht eine Klinik willst, weil du unter anderem Sorgen hast, dass es danach wieder genauso ist wie vorher. Aber, selbst wenn du's nicht merkst, es wird nie mehr genauso sein wie vorher, weil du nicht mehr der gleiche Mensch bist. Jedes kleine bisschen, dass man aus der Klinik mitnimmt, hilft. Manchmal erst nach Jahren, aber es hilft. Tja und sonst musst du einfach weitersuchen. Viele von uns haben eine ganze Reihe an Therapeuten hinter sich, bis sie jemanden gefunden haben, bei dem die Chemie stimmte. Das ist wie im normalen Leben auch, keiner würde den erstbesten Partner heiraten. :winking_face:

    Es gibt aber auch unabhängig von Therapien viele Möglichkeiten, seine eigene Situation zu verbessern, wenn der starke Wille und Wunsch da sind. Kleinigkeiten machen den Anfang und mit kleinen Schritten kommt man irgendwann zum Ziel.

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