Mütter

  • Hallo ihr,

    heute Morgen im Morgen-Chat waren Mütter auch kurz das Thema. Und da ist mir so eingefallen, dass es mich mal interessieren würde, wie euer Verhältnis zu eurer Mutter ist und wenn es weniger gut ist, ob ihr dann einen Zusammenhang seht zwischen eurem Verhältnis zu eurer Mutter und euren Problemen.

    Mein Verhältnis hab ich vor einigen Jahren schon mal hier beschrieben:
    https://www.suchtundselbsthilfe.de/forum/meinunge…ief-mutter.html

    Also, freu mich auf eure Erfahrungen! :smiling_face:

    Liebe Grüße
    gelberose

  • Ein sehr spannendes Thema!

    Zu meiner Mutter habe ich seit jeher ein intensives, aber nicht unbedingt gutes Verhältnis.

    In meiner Kindheit und Jugend war sie ziemlich blöd zu mir (Jahrelang bekam ich täglich gesagt, ich sei im Krankenhaus vertauscht worden und ein Kind des Teufels; wurde geprügelt und andere Unnettigkeiten; ne Tropi, eine Taugenichts, Böse); allerdings ging es ihr in den Jahren, in denen sie so blöd zu mir war, selber ziemlich schlecht. Diese Dinge haben mir doch ganz schön zu schaffen gemacht und ich kam zu dem Schluß, daß sie ihre Gründe hat, all diese Dinge zu sagen und zu machen. Ich war ihr einfach immer sehr nah. Vielleicht hat sie auch gespürt, daß ich es ihr nicht übelnehme, sondern eher versuche, zu verstehen. Vielleicht war auch einfach keine Energie mehr übrig, sich um die Letzte auch noch irgendwie intensiver zu kümmern.

    Nun ist es so, daß ich meiner Mutter als Wichtigstes dankbar bin, daß sie mich bekommen hat. Ohne sie wär ich nicht da. Ich habe meiner Mutter verziehen. Ich bin der festen Überzeugung, sie hat aus Not und Unfähigkeit heraus so gehandelt und nicht, um mich zu beschädigen.

    Meine Mutter hat bei uns in der Familie einen schlechten Stand. Sie erfüllt die Erwartungen der Anderen nicht. Weigert sich, ihr Gebiss zu tragen; weigert sich, schön auszuschauen; manchmal ist sie ein totales Träumerle; ihr wird massiv vorgeworfen, sie hätte ihre große Intelligenz und ihre kreativen Fähigkeiten nicht genutzt. Stimmt - sie ist überaus talentiert und sie hat es auch nicht genutzt. Auch dreht sie sich die Dinge gerne so, wie sie sie braucht. Ob das dann stimmt, ist ganz unwichtig. Sie ist gut im Selbstbetrug.

    Aber sie ist auch in vielen anderen Dingen sehr gut: sie hat uns eine ganz wichtige Sache beigebracht und das ist mir ganz viel wert.

    Wenn es dir den Boden unter den Füßen wegzieht und alles zusammenbricht, dann falle. Warte, bis du unten aufkommst,- nimm dir alle Zeit, die du brauchst - und dann sortier dich neu. Langsam, langsam.

    Dreimal hat es ihr das komplette Leben zusammengebrezelt. Hatte nen Mann mit Haus und fünf Kindern - alles weg - kein Kind blieb bei ihr (zwar auch nicht beim Vater - wir blieben in unseren Zimmern). Das ist schon heftig. Dann nochmal ein neues Leben aufgebaut - in Afrika - mit Mann und Farm - und wieder - alles weg und kaputt. Und dann nochmal in viel kleinerem Maßstab, Arbeit, Team....und dann kam ein ganz klassisches Mobbing.

    Und sie hat alles überlebt. Sie hat sich aus Alkohol herausgearbeitet, sie hat sich immer wieder neu sortiert. Dafür bewundere ich sie. Und ich könnt fuchsig werden, wenn an ihr nur rumgemeckert wird. Da stelle ich mich wie eine Tigerin vor meine Mutter. Und es sind wirklich viele sehr bös zu ihr. Trampeln auf ihr rum. UNd auch da....nur aus eigener Unfähigkeit heraus.

    Spannendes Thema :3:

  • Ui....
    Ich finds grad ein wenig wie Gedankenübertragung. Grad weil ich dieses Thema heute mit ner Freundin besprochen hatte, da die Mutter- Kind - Beziehung bei mir auch Thema ist.
    Ich selber weiß nun, dass meine Mutter nicht unschuldig ist an meinen Problemen zur Zeit und an meinem Verhalten.
    ich kann nicht sagen, dass wir uns schlecht verstehen, aber es ist eher so ein oberflächliches gut verstehen. Sobald es an irgendwelche Probleme geht, dann bricht zwischen uns Krieg aus. Außerdem missbraucht sie mich als ihren Mülleimer und deswegen bin ich zur Zeit froh, wenn ich mal an einem Wochenende nicht nach Hause fahre und irgendwie Abstand dazu bekomme.
    Meine Mutter hat mir teilweise sehr geschädigt. Dennoch kann ich es ihr nicht richtig übel nehmen, weil sie meiner Meinung nach selbst in Behandlung gehen sollte. Sie sieht das natürlich nicht so, also kann ich da erstmal nichts anderes machen, als es hinnehmen und schauen wie ich am besten damit umgehe.

  • Hm, was mir bei euch beiden auffällt, ist, dass ihr beide eure Mutter "in Schutz nehmt". Ihr könnt es ihr nicht richtig übel nehmen, wie sie sich euch gegenüber verhalten hat, weil ihr beide ihr Verhalten durch eine Krankheit ihrerseits in gewisser Weise "rechtfertigt". In mir entsteht dabei der Eindruck, dass sich da die Rollen etwas vertauscht haben, dass ihr ein Stück weit die Mutterrolle übernommen habt, dass ihr vernünftiger seid als eure Mütter... Täusche ich mich?

    Liebe Grüße
    gelberose

  • Hallo Gelberose,

    ich kann schon verstehen, daß es wie ein Rechtfertigen rüberkommt. Der Rollentausch jedoch? Ich für meinen Fall glaube zwar schon, daß ich in manchen Punkten "weiter" bin, als meine Mutter und damit in manchen Hinsichten vielleicht auch vernünftiger, aber ich habe nicht den Anspruch, daß meine Mutter weiter sein müsste als ich. Jeder Mensch löst seine Probleme auf andere Art. Der eine verdrängt, der andere bearbeitet, und so weiter...da gibts ja ganz viel. Ich verstehe auch nicht, warum Eltern sich psychologisch besser verhalten sollen, als die meisten anderen Menschen.

    Für mein Empfinden werden an die Eltern zu hohe Ansprüche gestellt. Eltern sollen einen lieben. Eltern sollen wenig Fehler machen. Sie sollen loyal sein. Sie sollen die eigenen Probleme mit sich selber lösen. etc.

    Wie soll denn das gehen? Es sind doch nur Menschen. Und darum halte ich es für hilfreich, wenn man selber versucht, zu verstehen (nicht rechtfertigen), zu begreifen, warum und wozu? Dann kann man auch gut verzeihen. Und dann hat man es selber leichter. Weil man es zum Einen nicht auf sich selber beziehen muss.

    Es lag nicht an dir - gelberose - wenn Deine Mutter dich so wenig geachtet hat. Gerade die Stellen in deinem Brief, wo du schreibst, daß du nicht gemacht hast, was sie wollte, zeigen doch so gut, wo ein Problem liegt. Ich glaub, das ist dann auch mit "abnabeln" gemeint - diese Stiefel, die einem da hingestellt werden, einfach mal stehenlassen. Zu unterscheiden, ob es ihr Problem oder deines ist. Ja, und wenn es nicht deines, sondern ihres ist, dann darf sie es auch lösen :3:

    Schließlich habe ich überhaupt keine Lust mit 40+ immer noch in einem Mutter/Tochter Verhältnis zu verharren. Irgendwann mag ich abgenabelt sein und in einem Mensch/Mensch Verhältnis zu einander stehen.

    LG Wolke

  • ich glaube das thema mutter betrifft wohl mehr menschen als wie ich gedacht habe.
    schön das ich mit dieser problematik nicht alleine da stehe.

    ich weiss noch wie meine mutter in einen schlusssatz in einem brief vermerkte:

    "man kann sich seine eltern nicht aussuchen"(stimmt da gebe ich ihr recht)
    "aber man kann sich seine kinder auch nicht aussuchen"( und da kommt mir die galle hoch. denn ich kann mir überlegen ob ich das kind haben will mit all seinen konsequenzen oder ob nicht)

    ich finde wenn ich ein kind in die welt setze übernehme ich verantwortung mit allen folgen.
    klar schafft man es nicht alles richtig zu machen.
    aber man sollte nicht die schuld bei den kindern suchen sondern bei sich...den kinder übernehmen viel von ihren vorbildern und das sind zumeist die eltern.
    auch meine mutter trägt altlasten aus der vorgehenden generation in sich, da war der bildungsstandart aber nicht so hoch wie heute und da sehe ich denn doch eine schuld bei den eltern die es sich einfach zu leicht machen.

    ich werfe meiner mutter einfach vor sich nicht den tatsachen zu stellen und darüber mit mir zu sprechen.
    das ist in meinen augen die gravierenste schuld und alles andere interessiert mich nicht mehr weils gelaufen ist und seine spuren in meiner seele hinterlassen hat.
    da kanste nix mehr machen als damit umzugehen.
    ich habe den kontakt konsequent abgebrochen und fühle mich seitdem viel besser, weill ich nur noch für meinen scheiss sorgen muss und nicht mehr für meine mutter verantwortung übernehmen muss.

    hört sich für euch vieleicht verwirrend an, kann ich aber nicht anders rüberbringen da ich sonst noch morgen früh hier am tippen wäre um alles zu verdeutlichen.

    lg,
    big

  • Wolke: Ich habe auch Verständnis für meine Mutter und habe ihr auch alles verziehen, was sie mir angetan hat. Aber ich finde, gerade auch eine Mutter kann und muss an den Punkt kommen, an dem sie ne gewisse Einsicht bekommt und an sich selbst arbeitet. So wie wir Kinder nicht ewig unsere Eltern für unsere Probleme verantwortlich machen können, können unsere Eltern nicht ewig ihre Vergangenheit für die eigenen Probleme verantwortlich machen. Ein Mutter-Tochter-Verhältnis zu einem Mensch-Mensch-Verhältnis wandeln zu können, dazu gehören einfach zwei Seiten. Glaub mir, ich hab viel versucht mit meiner Mutter, ich hab mehrfach versucht, mit ihr ins Gespräch zu kommen, aber wenn einfach keine Einsicht da ist, wenn man immer nur gegen eine Mauer redet, dann kann für mich auch kein Mensch-Mensch-Verhältnis zustande kommen. Dazu müsste nämlich auch die Mutter bereit sein, auf Augenhöhe dem Kind zu begegnen!!! Ich habe nicht viele Ansprüche an meine Mutter, eigentlich nur einen: dass sie meine Ansichten akzeptiert, dass sie akzeptiert, dass ich meine Kindheit so erlebt habe, wie ich sie erlebt habe und dass sie bereit ist, auch an sich zu arbeiten. Ist das zu viel verlangt?

    BigM:

    Zitat

    ich werfe meiner mutter einfach vor sich nicht den tatsachen zu stellen und darüber mit mir zu sprechen.


    Genau das ist auch das Prob bei meiner Mutter. Aber ich hab es inzwischen hingenommen und es für mich ad acta gelegt. Ich begegne meiner Mutter auf einer oberflächlichen Ebene, tiefer gehende Gespräche werden nicht geführt, weil das einfach keinen Sinn machen würde. Es ist traurig und schade, aber eben nicht zu ändern, denn wie schon zu Wolke gesagt: Für die Verbesserung einere zwischenmenschlichen Beziehung müssen BEIDE Seiten etwas tun!

    Liebe Grüße
    gelberose

  • @ gelberose

    Klar, kann ich verstehen, dass das so rüberkommt.
    Aber ich sehe das auch nicht als Rollentausch. Ich sehe das ähnlich wie Wolke.
    Ich fühle mich reifer, weiter geistig als meine Mutter. Vielleicht sogar überlegen. Ich versuche mir Erklärung zu holen und das macht es dann leichter ihr Verhalten zu akzeptieren oder wieso sie so ist wie sie ist.
    Wenn man es so überlegt, es das traurig genug, dass die Kinder sowas über ihre Mutter denken. Aber leider ist es nun mal so.
    Ich sehe das auch bei mir und ihr eher wie eine Mensch-Mensch- Beziehung, statt eine Mutter- Kind- Beziehung. Aber dennoch ist da irgendwo ein kleine Pflichtgefühl, wo ich mir manchmal denke "Sie ist doch deine Mutter". Also eine ziemlich verzwickte und teilweise doch widersprüchliche Sache. Aber das versuche ich mir auch abzugewöhnen.
    Es gibt auch viele Dinge aus der Vergangenheit für die ich sie eigentlich verachten sollte, aber ich sage mir immer, dass es das nicht bringt, dass es vielleicht nur Hass und Zorn weiter zum brodeln bringen würde. Wenn sie nicht daran wachsen will, dann werde ich das tun.
    Hatte vorhin erst wieder so eine Situation. Sie rief mich an, um mir wieder zu erzählen wie doof meim Vater wieder wäre. Aber mich persönlich interessiert das nicht mehr. Ich hab mir das praktisch nur angehört, weil ich weiß, dass sie das braucht sich bei Jemanden aufzuregen.
    Eigentlich auch wieder total paradox....

  • Zitat von Wolke;197196


    Für mein Empfinden werden an die Eltern zu hohe Ansprüche gestellt. Eltern sollen einen lieben. Eltern sollen wenig Fehler machen. Sie sollen loyal sein. Sie sollen die eigenen Probleme mit sich selber lösen. etc.

    Wie soll denn das gehen? Es sind doch nur Menschen.

    Ja, aber es sind erwachsene Menschen, im Gegensatz zu den Kindern. Kinder können nicht für sich selbst sorgen (auch nicht in Bezug auf eine gesunde psychische Entwicklung), sie sind da angewiesen auf ihre Eltern, und in einem Abhängigkeitsverhältnis.

    Was meine Mutter angeht.. sie lebt mittlerweile in ihrer eigenen Welt und wird zunehmend vergesslich. Hat wie durch ein Wunder einen Platz in genau dem Betreuten Wohnen bekommen, das sie sich so gewünscht hatte, mitten in der Stadt aber mit einer riesigen parkähnlichen Fläche drumherum, und dort blendet sie nun ihre Vergangenheit aus und lebt ein friedliches Leben. Ich gönn ihr das von Herzen, und ich weiß, dass auch sie eine sehr schwere Kindheit hatte, und nie das tun konnte, was sie selbst glücklich gemacht hätte.

    Mutter sein hat nie dazugehört. Nicht umsonst haben meine Schwester und ich sie nie Mama oder so genannt, sondern stehts beim Vornamen, das hat sie uns so beigebracht. Aber sie hat meinen Vater geheiratet, und sie hat uns beide bekommen, und das hat sie freiwillig gemacht.

    Es gibt sehr oft Spannungen wenn wir uns sehen, aber das tun wir in den letzten Monaten nicht mehr oft. Auch meine Schwester und meinen Vater sieht sie selten, und allen tut das ziemlich gut. Wenn man sich zwei dreimal im Jahr sieht, hat man sich wenigstens was zu erzählen.

    Ein Zusammenhang zwischen dem Verhältnis zu meiner Mutter und meinen Problemen.. oha. Soweit bin ich noch nicht mit nachdenken, bzw., das denk ich lieber erstmal für mich allein weiter. :gj:

    Gruß,
    Marion

  • hi

    ich finde, ihr habt alle ein bisschen recht, so sehr ihr euch auch widersprecht.

    ja, die eltern sollen leitbild sein, sollen vorleben, was gut und richtig ist, sollen den weg weisen... aber auch sie haben probleme und sind "nur menschen" wie du und ich.

    ich habe meiner mutter jahrzehntelang vorgeworfen, so zu sein, wie sie war. alkoholabhängig, tablettenabhängig, ess-brechsüchtig, paranoid.
    ich habe sie gehasst, verlassen, wieder aufgenommen in mein leben, habe gelitten wie ein hund, wenn sie gelitten hat, und wenn es ihr gut ging, ging es mir gut. ich war gefangen in ihrem system, war ein musterbeispiel von Co-Abhängigkeit und vollkommen verstrickt in ihre probleme, die mein ganzes leben zu beherrschen schienen.

    "ja, mir gehts halt nicht gut, ich weiss doch selber..."
    sie hatte keine kraft, sich um sich zu kümmern. hat von ihrer mutter sachen mit auf den weg bekommen, die jene von ihrer mutter ... etc.

    irgendwann habe begonnen, um meine freiheit zu kämpfen, mich abzunabeln. ich glaube, ich bin die erste in der familie die bewusst beschlossen hat, diesen kreis zu brechen, nicht diese uralte geschichte weiterzuleben, die nur leid und grausamkeit verbreitet hat. aufstehen und kämpfen gegen die dämonen der vergangenheit.

    es gab momente, wo ich dachte, das hat ihr den rest gegeben, daran ist sie gestorben! weil ich mich einfach geweigert habe, mich noch weiter um sie zu kümmern, sie zu bemuttern. aber ich hatte doch eine eigene familie, es war eine bewusste, dringende entscheidung, mein leben unabhängig von ihrem zu leben, für meine familie da zu sein, und sie da rauszuhalten. habe schwerste gewissenskonflikte gehabt, weil ich soweit ging, meine damals kleine tochter von ihr fernzuhalten - sie sollte einfach nicht sehen, wie kaputt ihre oma war, und auch nicht sehen, wie viel wut und hass in mir hochkamen, wenn wir uns begegneten. wut und hass, dass sie nicht endlich für sich einstand, weil sie sich tatsächlich sterben liess, einfach so... wie schon lange angekündigt.

    ganz frei von schuldgefühlen bin ich immer noch nicht, aber ich habe inzwischen verstanden, dass sie ihr leben gelebt hat so wie sie konnte. dass ihre schwäche und krankheit nicht mangel an liebe für mich bedeuteten, auch wenn diese liebe so weh tat. sie hat es tatsächlich gut gemeint, wirklich gegeben, was sie konnte. und ich glaube nun, dass ich auch mein bestes getan habe (auch wenn ich heute soviel anders machen würde). ich glaube vor allem, dass ich noch nicht fertig bin, dass ich wohl bis an mein lebensende aufpassen muss, dass nicht doch noch "die geschichte" gewinnt. das bin ich ihr schuldig, mir schuldig, meinen kindern schuldig und allen generationen davor und danach... und all das sage ich, ohne mir druck zu machen. vielleicht schaffe ich es, vielleicht nicht. ich tue mein bestes, so wie sie ihr bestes getan hat... und mir ist der widerspruch klar und auch wie dünn dieses drahtseil ist.

    ich habe meiner mutter verziehen. und inzwischen kann ich auch viel gutes sehen an ihr. ich habe viel von ihr gelernt, und das versuche ich an meine kinder weiterzugeben. eines tages werde ich ihnen erklären müssen, was wirklich genau mit ihrer oma passiert ist. und ich glaube, ich werde das tun können ohne bitterkeit. ich hoffe es.

    Rose: den einen anspruch, den du hast, der eigentlich drei ansprüche sind: ich glaube tatsächlich, das ist zuviel verlangt. könnte sie dich denn davon überzeugen, wenn sie sich diesen aufgaben stellen würde? wäre die vergangenheit dadurch auf einmal nichtig? hättest du nicht noch immer deine prägungen, ängste, zweifel? ich hatte von meiner mutter genau diese dinge auch verlangt, immer wieder, in der hoffnung, dass es davon ihr besser geht (weil sie sich ja dann endlich mit ihren problemen auseinandergesetzt hätte), und mir auch (schon allein die vorstellung, dass sie mein leiden anerkennt - jahrelang war ich da fixiert darauf, so als wäre dann alles ungeschehen gemacht oder einfach als würde das leiden davon aufhören). so gut sie konnte, hat sie das ja tatsächlich versucht! aber es hat eben nicht funktioniert, sie konnte sich nicht total umkrempeln und auch nicht die vergangenheit ungeschehen machen. sie ging soweit, mir einen brief zu schreiben, in dem sie sich entschuldigt hat. aber eigentlich hat das nichts verändert, all die probleme blieben da.

    mensch-mensch-verhältnis bedeutet ja nicht zwangsläufig, dass harmonie herrscht.

    vielleicht verstehe ich es ja falsch... wenn du von augenhöhe sprichst, als meintest du damit, dass deine mutter sich "nur herablassen" müsste, um auf deine augenhöhe zu kommen. siehst du es so? als wäre sie bloss zu arrogant, dir auf dieser ebene zu begegnen?
    was aber, wenn sie diejenige ist, die weiter unten steht in ihrer emotionalen, sozialen, spirituellen etc entwicklung? wie soll dann mal eben so auf deine augenhöhe kommen? wem könnte sie dieses menschliche versagen einfach so eingestehen? sich selbst vielleicht gerade noch so, aber dir gegenüber? "sie ist doch deine mutter!"

    meiner meinung nach wird genau diese hierarchie, die sie uns kindern gegenüber zu gottähnlichen wesen erhebt, unseren eltern so oft zur falle. es ist schwach, aber auch menschlich, vor allem diese niederlage nicht erkennen zu wollen.

    so long
    doris

  • Hallo doris,

    Zitat

    könnte sie dich denn davon überzeugen, wenn sie sich diesen aufgaben stellen würde? wäre die vergangenheit dadurch auf einmal nichtig?


    wenn sich meine Mutter allen Dingen stellen würde, nein, dadurch wäre die Vergangeheit natürlich nicht nichtig, aber wir hätten eine Chance. Mein Vater z.B. hat sich auf mich eingelassen, hat sich wirklich angehört, was ich zu sagen hatte, hat akzeptiert, dass ich vieles anders erlebt habe, als es von meinen Eltern gemeint war und hat sich Gedanken darüber gemacht. Und wir konnten richtig gut über alles reden und haben jetzt ein richtig tolles Verhältnis. Einfach weil ein Austausch über die damalige Zeit statt gefunden hat. Ich hatte z.B. jahrelang gar keinen Kontakt zu meinen Eltern. Mein Vater hat in dieser zeit immer wieder den Kontakt gesucht und sich viele Gedanken gemacht (das konnte ich daran sehen, wie sich seine Einstellung geändert hatte als wir das erste Mal wieder mit einander sprachen). Meine Mutter hat den Kontakt nie gesucht und als ich sie (als wir wieder Kontakt hatten) nach dem Warum fragte, meinte sie nur, dass schließelich ICH den Kontakt abgebrochen hätte und sie deswegen keinen Grund darin sah, sich Gedanken darüber zu machen, was sie damit zu tun hätte.

    Zitat

    hättest du nicht noch immer deine prägungen, ängste, zweifel?


    Natürlich hätte ich die noch, aber ich hätte dann auch eine MUTTER wie ich sie nie hatte und die ich heute immer noch vermisse. Die Vergangenheit könnte nicht ausgelöscht werden und ihre Folgen damit natürlich auch nicht, aber ich könnte ein besseres Verhältnis zu meiner Mutter haben. Und das würde uns beiden, meiner Mutter UND mir, gut tun.

    Zitat

    vielleicht verstehe ich es ja falsch... wenn du von augenhöhe sprichst, als meintest du damit, dass deine mutter sich "nur herablassen" müsste, um auf deine augenhöhe zu kommen. siehst du es so? als wäre sie bloss zu arrogant, dir auf dieser ebene zu begegnen?
    was aber, wenn sie diejenige ist, die weiter unten steht in ihrer emotionalen, sozialen, spirituellen etc entwicklung? wie soll dann mal eben so auf deine augenhöhe kommen? wem könnte sie dieses menschliche versagen einfach so eingestehen? sich selbst vielleicht gerade noch so, aber dir gegenüber? "sie ist doch deine mutter!"


    Dass meine Mutter auf ihrer emotionalen, sozialen Entwicklung "unter mir" steht, das weiß ich und das ist auch der Grund, warum ich ihr verziehen hab. Aber glaub mir, ich hab auch oft versucht, auf ihre Ebene herunter zu kommen, "mich herab zu lassen", aber jedes Mal hat sie mich weg gestoßen. Ich habe ihr so oft die Hand gereicht, um ihr zu helfen eine Stufe höher zu kommen, aber sie wollte sie nie, hat mich dabei dann immer wieder nur verletzt. Und so hab ich es dann irgendwann aufgegeben und hingenommen, dass wir eben nie "auf einer Augenhöhe" werden stehen können. Ja, sie "ist doch meine Mutter", aber ich bin "doch auch ihr Kind". Und um diese Hierarchie überwinden zu können, bedarf es eben BEIDER Personen. Und bei meiner Mutter und mir funktioniert das halt leider nicht.

    Liebe Grüße
    gelberose

  • Zitat


    Dass meine Mutter auf ihrer emotionalen, sozialen Entwicklung "unter mir" steht, das weiß ich und das ist auch der Grund, warum ich ihr verziehen hab. Aber glaub mir, ich hab auch oft versucht, auf ihre Ebene herunter zu kommen, "mich herab zu lassen", aber jedes Mal hat sie mich weg gestoßen. Ich habe ihr so oft die Hand gereicht, um ihr zu helfen eine Stufe höher zu kommen, aber sie wollte sie nie, hat mich dabei dann immer wieder nur verletzt. Und so hab ich es dann irgendwann aufgegeben und hingenommen, dass wir eben nie "auf einer Augenhöhe" werden stehen können. Ja, sie "ist doch meine Mutter", aber ich bin "doch auch ihr Kind". Und um diese Hierarchie überwinden zu können, bedarf es eben BEIDER Personen. Und bei meiner Mutter und mir funktioniert das halt leider nicht.

    liebe gelberose,

    vielleicht verstehen wir uns nicht ganz. was ich mit meinem letzten absatz meinte, dass sie sich dieses versagen nicht eingestehen kann - in den zusammenhang stelle ich diesen satz, sie "ist doch deine mutter".
    und weil du "doch auch ihr kind bist" stösst sie dich zurück, wenn du sie auf deine stufe heben willst. ich glaube, das ist eine frage von stolz, selbstwertgefühl, dem fehlen davon...

    ich glaube, es gibt nur sehr sehr wenige menschen, die die reife besitzen, sich von ihren kindern das eigene versagen so deutlich vorhalten zu lassen. dein vater hat das geschafft und das ist ein grosser schatz, ein wunderbares geschenk.

    ich habe meine mutter verloren, und mein vater ist so zerrissen und verkeilt in seinem unglück, dass ich ihn lieber in ruhe lasse. ich glaube, er ahnt seine fehler in bezug auf seine vaterrolle - und tut alles, um nicht daran zu denken. er würde sofort daran zerbrechen. er zerbricht auch so, er fühlt sich auch so als versager... ich glaube, ich kenne niemanden, der so unglücklich ist. aber er käme nicht damit klar, dass es ihm helfen würde, mit mir ins reine zu kommen. es würde ihm nur unterstreichen, wie sehr er versagt hat.
    und so kann er mir kein vater sein. ich sehne mich zwar sehr danach, wenigstens väterlicherseits eine idee von aufgehobensein und dazugehören zu fühlen.

    auch von ihm würde ich mir wünschen, dass er an sich arbeitet, dass er einsieht, wie weh mir seine abwesenheit getan hat, seine vielen leeren versprechungen, all die male, wo er mir in letzter minute abgesagt hat, dass er mich nie gefragt hat, wie es mir ergeht mit meiner depressiven alkoholkranken mutter. er war ja nicht mal bei der beerdigung bei mir, auch da: keine kraft. und wollte dann noch ewig lang von mir hören, dass das nicht so schlimm sei. hat mich verfolgt mit seinem schlechten gewissen!

    er konnte eben nicht anders. er war zu schwach und ist es immer noch. er hält es ja kaum aus, mich zu sehen.

    ich war so lange unglücklich deswegen. habe alles versucht, um ihn gekämpft. war dann sehr wütend, wegen seinem vermeintlichen desinteresse. vor allem als ich den eindruck bekam, dass er sich für meine kinder mehr interessiert, als für mich.
    irgendwann habe ich losgelassen. ich musste das tun für meine befreiung!

    wir begegnen uns nun von mensch zu mensch, zwei menschen, die kaum etwas miteinander zu tun haben. er ist nicht da für mich, ich kann niemals auf ihn zählen. schade, sehr, aber ich habe mich damit abgefunden, so gut ich konnte.

    meine therapie hat mir bestimmt sehr geholfen dabei. mein psy war die erste person, die mir gesagt hat, ich muss meine eltern so akzeptieren wie sie sind. vor drei, vier jahren schien mir das vollkommen unvorstellbar! nach allem, was sie mir angetan hatten? wie sollte ich je verzeihen??? ich wollte gar nicht verzeihen!

    nur, ich wollte halt einfach irgendwann nicht mehr diese wut und trauer in mir haben. das waren nicht "meine" gefühle, das war die geschichte meiner eltern. ich hatte irgendwann so sehr den eindruck, dass diese gefühle mich vergiften...

    ...ich hoffe, das ist jetzt nicht total doof für dich, dass ich dir so unter die nase reibe, dass ich diesen absprung geschafft habe. aber ich wollte gerne mitteilen, dass das geht!

    lg
    doris

  • Ich glaub, ich hab mich nicht so richtig deutlich ausgedrückt... :winking_face:

    Zitat

    vielleicht verstehen wir uns nicht ganz. was ich mit meinem letzten absatz meinte, dass sie sich dieses versagen nicht eingestehen kann - in den zusammenhang stelle ich diesen satz, sie "ist doch deine mutter".
    und weil du "doch auch ihr kind bist" stösst sie dich zurück, wenn du sie auf deine stufe heben willst. ich glaube, das ist eine frage von stolz, selbstwertgefühl, dem fehlen davon...


    An dem Punkt bin ich auch schon! :winking_face: Ich glaub, sie ist da wie dein Vater ein bisschen, sie kann es sich selbst nicht eingestehen, würde daran kaputt gehen. Das ist mir schon klar. Trotzdem bedauere ich, dass es so ist wie es ist...

  • Hallo miteinand,

    Zitat von gelberose:

    Zitat

    Trotzdem bedauere ich, dass es so ist wie es ist...

    Das finde ich absolut gut und richtig. Es ist traurig und es gibt viel Grund zu bedauern, wenn man Eltern hat, die einen entweder nicht lieben, oder es nicht zeigen können/wollen...wie auch immer.

    LG Wolke

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