Zwischen Himmel und Hölle - Einweisung zum 28. Geb. und Entlassung zu Neujahr...

  • Hallo liebe Forianer,

    dies hier ist mein 1. Post in diesem Forum und ich weiß auch nicht, wohin er führen wird.
    Schauen wir doch einfach mal entspannt der Sache entgegen.
    Ich will zunächst ein paar biographische Eckdaten zu meiner Person heraushauen und vielleicht ergibt sich ja durch die ein oder andere Antwort anderer Leidensgenossen ganz unverbunden über ganz unbestimmte Zeit ein Gedankenaustausch, der zumindest von meiner Seite her, recht (selbst)kritische Dimensionen annehmen darf...

    Im 13. Lebensjahr kam ich erstmalig, mitten in den Verwirrungen der Pubertät und der Orientierung in neue Freundeskreisen recht zügig in Kontakt mit Alkohol, den ich bis dato nur indirekt von meinem Alkoholikervater und meiner dadurch stark traumatisierten co-abhängigen Mutter kannte. Regelmäßiges Abschießen am Wochenende war im Freundeskreis unser (allein)bestimmendes Thema.
    Kurz darauf kam ich zum erstmaligen Kontakt mit Cannabis und sofort wusste mein Inneres, dass mich dieses "Gefühl" die nächsten Jahre nicht so schnell loslassen wird. Ich begann sogar sofort eifrig mit dem regelmäßigen Rauchen von Zigaretten, damit ich nicht immer beim Bongrauchen so inbrünstig Abhusten musste...
    Meine damalige goldene Regel lautete sofort: Nur Natur und niemals Chemie.
    So kiffte ich mich episodisch durch meine Jugend und bis auf wenige Ausnahmen (Muskatnuss, Fliegenpilze), blieb ich nur bei Alk und Thc, während schon damals recht früh von meinen jugendlichen Weggefährten die ersten, nicht nur psychisch, in Folge von Substanzverlagerung auf der Strecke blieben.
    Zwischen 15 und 18 entwickelte ich immer wieder Dauerkiffepisoden aus, die ich aber selbstständig unterbrach, weil ich damals schon bemerkte, wie sehr eingenommen ich wurde und schließlich musste ich mich ja auch irgendwie noch durch das Abitur durchschieben.
    Kaum war das geschafft, ging es auf eine lange Reise nach Südostasien und Indien. Aus Geldmangel lebte ich dort überwiegend sehr asketisch, nur um dann daraufhin belohnenderweise, bei sich jeder bietenden Gelegenheit mit anderen Reisenden auf der spirituellen Suche, sich selbst dann immer wieder beim Erwachen aus unbeschreiblich exzessiven Orgien zu ertappen. Heute kann ich rückblickend wenigstens etwas stolz auf mich sein, dass ich damals direkt nach erstmaligen Konsum von Opium merkte, dass auch hier für micht galt, dieses "Gefühl" könnte dich die nächsten Jahre begleiten. Es blieb beim Konjunktiv, ich hatte ja auch noch nicht mit "meiner" Substanz genug erlebt.
    Mein darauffolgendes Studium lief von Anfang an schon mit angezogener Hanfbremse an und ich legte meine Prioritäten auf ausgiebiges Feiern gebunden an regelmäßigem Konsum.

    Im 26. Lebensjahr übertrat ich dann meine selbstgesetzte Grenze mit der Chemie, als ich an meinem Studienort nicht mehr an Rauchbares rankam. Innerhalb eines Jahres probierte ich dann alle Substanzen aus, die der moderne illegale Markt so hergab.
    Um meinem damals schon erreichten Stimmungstief zu entfliehen, gab es für mich nur vermeintlich einen einzigen gangbaren Weg. Innerhalb kürzester konzentrierte ich meine gesamte Lebensenergie auf den Erwerb von theoretischen Kenntnisse in einem speziellen botanischen Fachbereich und setzte diese sehr schnell und erfolgreich in die Praxis um - ab da sah ich stetig meiner Sucht buchstäblich beim Wachsen zu.
    Auf die erste erfolgreiche Ernte folgte ein komplettes Jahr Dauerbreitsein als Belohnung, in dem für mich nichts anderes mehr Bedeutung bekam, als meine Pflanzen.

    Erst als meine Freundin die Beziehung beendete, wachte ich auf den Tag genau an meinem 28. Geburtstag exmatrikuliert, abgemagert bis auf die Knochen und hochgradig Depressiv in einer psychosomatischen Akutklinik auf. Ich kann mich nur noch vage an den Dämmerzustand erinnern, indem ich meine letzten Kräfte mobilisiert habe, um dort zu landen. Ich brauchte knappe 8 Wochen um urinclean zu werden und verbrachte dort 3 Monate in einem hauptsächlich tiefenpsychologischem Programm, dass meine Gefühlswelt permanent durch Himmel und Hölle schickte.

    Jetzt komme ich frisch aus der Klinik , auch wenn ich wirklich schon recht stolz auf mich bin, darf ich weiterhin meinen Scherbenhaufen zusammenkehren.
    Zwar bin ich inzwischen wiederhin immatrikuliert und darf meinen Abschluss noch beenden und die Beziehung zu meiner Freundin baut sich auch schon wieder vorsichtig auf - das im Moment besser denn je, aber dennoch ist mein emotionaler Entwicklungsstand mit einem 13 jährigen Halbstarken gleichzusetzen...


    Abschließend will ich für mich hier die nächsten kurzfristigen Ziele festhalten:

    1. Richte dir eine suchtmittelfreie Zone her, auch wenn jede deiner getrockneten Pflanze einen eigenen Namen trägt...
    2. Geh in die Selbsthilfegruppe, auch wenn das nicht deine "Stammgruppe" werden wird...
    3. Such dir eine Wohnung, denn die momentane "Obdachlosigkeit" ist ätzend und wenn es geht, penn bloß nicht bei alten Quarzbrüdern.
    4. Mach dir einen Termin bei deinem neuen Psychotherapeuten...

    Wünsche Euch allen ein frohes Neues,
    ich jedenfalls hoffe für mich, dass ich meine ersten Vorsätze, die ich je gestellt habe,
    schnell in die Tat umsetze...

    P.S.:
    Wenn man das so auf das Wesentliche reduziert niederschreibt und u.A. z.B. die Gefühle, die man dabei hatte, außen vorlässt, lesen sich solche Geschichten immer so "klassisch"...
    Nur dieses eine Mal weiß ich, dass es meine Geschichte ist...

    DerWaldfrevler

  • Servus DWf,

    du wurdest zum Neujahrstag entlassen?
    Du hast gerade keine eigene Wohnung?

    Ohne gleich los lästern zu wollen, aber warum hat man dich dann so entlassen? :face_with_tongue:
    Oder wolltest du selbst unbedingt raus?

    Du hast recht, es ist eine klassische Suchtgeschichte, nur ist das ja immer so, dabei spielt es nicht mal eine Rolle um welche Substanzen es sich dabei handelt.
    Wenn aber der Mensch, der einzelne Betroffene nicht gesehen wird, dann wäre es schlimm - leider passiert das aber oft bei vielen Mitmenschen so :winking_face:

    Dich aber mit einem 13jährigen zu vergleichen, das halte ich für falsch - wobei ich generell Altersvergleiche vermeide, weil manche 13 oder 16 Jährige einem "Erwachsenen" einiges voraus haben :winking_face:
    Zugegebenermaßen verpasst man vielleicht das ein oder andere in der Pubertät wenn man sehr früh Suchtmittel konsumiert, auf der anderen Seite muss man sich um seine 'Sucht auch kümmern und deswegen reift man oft auch auf eine andere Art und Weise.
    Deine Ziele sind nötig, aber manche verstehe ich noch nicht ganz ...

    • diese Zone soll was bewirken? Oder verstehe ich es nur falsch, ich meine es gibt nur noch eine einzige Zone für dich Kein-Konsum-Zone!
    • du schließt was aus, was du nicht probiert hast? Ich meine, vielleicht kommt du in eine super Gruppe und willst aber das gar nicht so richtig zulassen?
    • Obdachlosigkeit in Anführungszeichen?
    • der wichtigste Punkt, weil ich nicht verstehe dass es nicht in der Klinik angeleiert wurde, ohne Kontaktmöglichkeiten ist das ja manchmal ein Unterfangen was Monate dauern kann ... :frowning_face:

    Wenn ich auch sicher bin dass es dir klar ist, trotzdem noch ein Wort zum Scherbenhaufen :winking_face:
    Ein klinischer Aufenthalt samt Entzug halte ich für den besten Weg von Suchtstoffen weg zukommen, aber trotzdem ist es ein sehr langer Prozess.
    Manche denken eben, jetzt hab ich paar Wochen Therapie gemacht, das passt nun wieder ...
    Meiner Meinung braucht es aber Jahre, man kann nicht erwarten dass man das halbe Leben irgendwas konsumiert und dann auf die Schnelle "geheilt" ist/wird.
    Um noch eines drauf zu setzen, ich vermisse die klare und eindeutige Aussage wie du es ab jetzt handhaben möchtest, was Suchtmittel angeht :face_with_tongue:
    So, dann schaun ma mal was du antworten wirst :smiling_face:
    Vorsorglich noch, bitte nichts als Böses auffassen, vielmehr als eine Aufforderung zum intensiven schreiben :8:

    LG Franz

  • Naja,
    ich hole dann mal einfach noch etwas weiter aus, damit meine Lage etwas verständlicher wird...

    Bevor ich in die Klinik (Privatklinik für Sucht und Depression - mit einem Intensivtherapieprogramm) kam, habe ich mein WG-Zimmer aufgelöst und all meinen Kram zusammen mit meinen Eltern in ihrem Haus zwischengelagert. In der damaligen Lage, dachte ich ja auch noch, mein Studium sei komplett an die Wand gefahren.

    Nach den 3 Monaten Therapie ließ sich dann meine Grundproblematik auf den Kern "Autonomiekonflikt in Beziehungen" bringen.
    Das soll heißen, dass ich in meiner persönlichen Position noch entscheidend in den kindlichen/jugendlichen Strukturen meiner tabubehafteten noch immer akut dysfunktionalen Alki-Familie gefangen bin/war. Am meisten herauszustellen ist da der emotionale Missbrauch seitens meiner nicht trinkenden Mutter, die mich schon sehr früh verantwortlich als Partnerersatz einspannte.
    Mein eigener dahingehender frühe Eintieg in die Sucht, hielt dieses Familiengefüge indirekt aufrecht, da ich meine emotionale Abspaltung perfektionierte und somit die Wünsche und Bedürfnisse anderer vor die eigenen stellen konnte und somit die Ansprüche meiner Mutter befriedigte und dadurch Anerkennung erhielt -> geduldet wurde und überleben konnte.

    Dieser rote Faden streckte sich rückblickend durch mein ganzes Leben. Auch in partnerschaftlichen Beziehungen stellte ich ein übersteigertes Harmoniebedürfnis in den Vordergrund. Meine Wünsche und Bedürfnisse erreichten mein Bewusstsein nicht mehr, weil ich Angst davor hatte, dass diese meine Beziehung mittelfristig bis langfristig beenden wird, da meine Partnerinnen dies sowieso nicht akzeptieren würden - letzten Endes hat diese Verhaltensweise paradoxerweise immer gerade eben dazu geführt, gesteigert auch dadurch, dass Flucht in selbstzerstörischere Verhaltensweisen und vorallem in Rauscherlebnisse meine einzige persönliche/autonome Identifikation sei. Nicht desto letzt auch dann, wenn mich das beklemmende Gefühl erschlisch, dass ich mich komplett selbst verloren hätte und ich von mir aus die Beziehungen beenden musste.

    An diesem Punkt stehe ich jetzt. Im Moment muss ich lernen, Gefühle zuzulassen und zu akzeptieren, die ich seit 16 Jahren vermeintlich nicht mehr kannte. Meine Identität ist soweit aufgelöst, bzw. meine Persönlichkeitsentwicklung drehte sich immer nur um enge Schleifen, alsbald, wenn jetzt mein Therapeut oder die Klinik als Institution für mich die Dinge in die Hand genommen hätten, ich dieses im Nachhinein als Fremdbestimmung empfinden würde, gegen die ich alle meine radikalen Register ziehen könnte.

    D.h. jetzt habe ich zunächst zunehmend meine Zügel selbst in der Hand. Eine Situation die ich noch nie (wirklich) kannte, zwar immer wollte, aber zugleich davor extreme Angst habe.

    Für mich gibt es im Moment drei Kernbereiche, die mir echte Gefühle und das Gefühl einer Identität/Persönlichkeit ermöglichen:

    1. Abstinenz
    2. Beziehungen und ein gesundes Maß an Autonomie in ihnen
    3. Ausbildung und Beruf, den ich will und nicht andere für mich wollen.
    Dabei muss ich verträgliche Formen/Kompromisse finden, um finanziell unabhängig von meinem Elternhaus zu werden.

    Die 4 Punkte, die ich davor auflistete, sind schon konkretere Anforderungen an mich selbst, die meinen Kernbereichen schon etwas Gestalt geben sollen.

    zu 1:
    Ich habe noch Cannabis hier liegen, welches ich schnellstmöglich loswerden muss, weil ich merke, dass mir das alleiniges Bewusstsein, dass das im Moment hier rumfliegt, obwohl ich mich auf anderes konzentrieren will, nicht gut tut.

    zu 2):
    Im Moment schlafe ich wieder ein paar Nächte zur Überbrückung bei meinen Eltern. Tut mir zwar nicht gut und ich weiß darum. Aber ich habe gerade keine andere Möglichkeit. Auch deswegen will ich hier am Freitag zu den NA's, auch wenn wegen des bevorstehenden Wechsels des Wohnortes, dies nicht meine zukünftige Stammgruppe werden wird.

    zu 3):
    Naja, der Punkt sollte jetzt etwas klarer sein, aber sogar so "einfache Dinge" wie fremde Leute anrufen, weil ich etwas von ihnen will (Wohnng) kostet mich immense Überwindung.

    zu 4):
    Ich habe schon 3 Adressen. Ich muss nur anrufen. Aber das fällt mir eben nicht leicht.

    Aber wie schon gesagt, die Punkte habe ich eben hauptsächlich für mich hier aufgeschrieben, dass ich die nächsten Tage eine klare Linie vor Augen habe.
    Aber ich hoffe auch, Euch ist die Sache nun etwas klarer geworden. Wenn ja und vorallem wenn nicht, teilt es mir ruhig mit, denn mein Grat der Selbstreflektion ist im Moment noch nicht gerade der beste, denn ich übe noch...^^

    Grüße,
    DerWaldfrevler

  • zu 1:
    Ich habe noch Cannabis hier liegen, welches ich schnellstmöglich loswerden muss, weil ich merke, dass mir das alleiniges Bewusstsein, dass das im Moment hier rumfliegt, obwohl ich mich auf anderes konzentrieren will, nicht gut tut.


    fackel nicht so lange damit rum...schmeiss weg den shit und gut ist...alles andere ist Selbstverarscherei...

    LG Siegfried

  • Also für deine ersten Übungen in deinem "neuen Leben" machst du das alles wirklich perfekt :smiling_face:

    Nun ist einiges klarer, ich wünsch dir einfach die Kraft und den Mut dass du nun sehr schnell deinen Punkt 4 umsetzen kannst.
    Eine Notanlaufstelle dürfte eines der wichtigsten Punkte sein - es gibt immer irgendwelche Probleme wo therapeutische Unterstützung von Nöten ist.

    Natürlich will ich die anderen 3 Punkte nicht schmälern, zudem verschieben sich ja bei solchen Punkten die Prioritäten immer mal wieder.

    Und der geforderte Schlusspunkt den Siegfried ansprach, das wäre natürlich klare Konsequenz!

    LG Franz

  • Moin,
    ich danke Euch.

    Gestern habe ich in meiner Familie meine Ich-Grenze nicht verletzen lassen, d.h. ich bin massivst aus meiner Deckung raus und habe einen Streit beim Mittagessen mit meinem Vater provoziert, bzw. in Kauf genommen.
    Der ist aber typischerweise vom Esstisch aufgesprungen und hat sich in seinen Privatbereich verzogen. Ich kann davon ausgehen, dass er sich erst einmal einen hinter die Binde gekippt hat. Meine Mutter wollte danach ganz normal weiter essen und "über das Wetter" reden. Ich sagte nur, ich sei noch wütend und wollte nicht direkt auf Harmoniekurs ziehen. Danach wollte sie ganz "entgegenkommend" mit mir darüber reden. Ich wehrte ab und entgegnete, dass ich das höchstens mit meinem Vater bereden würde.
    Damit habe ich, wenn auch noch nicht ganz glatt und galant, alte Muster durchbrochen. Meine Mutter hätte mich nämlich im Endeffekt nur auf ihre Seite gezogen und emotional ausgenutzt und belastet, weil sie selbst nicht mit den Unzulänglichkeiten meines Vaters offensiv umgeht. Bei uns läuft hier nämlich immer alles hinter dem Rücken über dritte Personen ab. Das kotzt mich massivst an. Gestern war ich zwar recht zufrieden mit mir, aber als ich in der Nacht wieder nach Hause kam, begegnete mir mein Vater so, als wäre nichts geschehen.
    Ich will heute mal mit ihm reden. Dabei will ich nicht in Rechtfertigungen und "Besserwisserei" abgleiten, sondern mich interessiert ernsthaft seit langem, wie es meinem Vater gestern erging. Ihn hatte ich mit ca. 12 Jahren emotional entkoppelt und mich andererseits regelrecht von meiner "starken" Mutter übereinnehmen lassen. Das bis zu einem Grad, wo ich gefühlsmäßig deckungsgleich mit ihren Bedürfnissen besetzt war und meine nicht wahr genommen werden konnten/durften. Dass ich mich im Moment selbst meiner eigenen Sucht offen stelle, eröffnet eine neue Basis im Verhältnis zu beiden Eltern. Ich will da aber nicht zu viel erwarten, denn permanente Enttäuschung ist in diesem Familiensystem eine gewisse Konstante. Ich muss jetzt mehr denn je dabei auf mich achten.

    Gestern habe ich mich über den ganzen Tag etwas zu hängen lassen, bin in negative Schleifen über mein ganzes Leben geraten. Dabei hat mich eine große Unzufriedenheit gepackt und ich fand mich plötzlich mitten in den Wogen großer Suchtwellen. Der Suchtdruck stieg sehr massiv an und ich sprang plötzlich auf und sah mir selbst dabei zu, wie ich meinen Vorratsrucksack am Riemen packte. Ich brauchte ca. eine halbe Stunde, bis all mein Cannabis das Klo runtergespült war. Dabei kam ich in einen Tunnelblick, meine Knie wurden weich, meine Nase vernahm zugleich Duft und Gestank, mein Körper schüttelte sich vor Ekel und zitterte zugleich vor Gier, mir lief der Schweiß und ich fror dabei.
    Ich bin nun jetzt schon seit über drei Monaten clean, wenn auch überwiegend dank des geschützten Rahmens einer Klinik, aber das war echt heftig. Auf der einen Seite war ich sehr traurig darüber, dass das, was ich da runterspülte, der einzige Lebensinhalt im letzten Jahr für mich war, aber auf der anderen Seite war ich danach wirklich sehr erleichtert. Als ich aus dem Tunnleblick anschließend rauskam, merkte ich förmlich, wie sich mein Blickwinkel erweiterte - ich fühlte mich wirklich frei und gelassen. Das war abends und der erste Zeitpunkt des Tages, an dem ich erstmalig richtigen Appetit verspürte.

    So, bleiben mir im Moment zunächst einmal 3 Punkte, an denen ich schleunigst arbeiten sollte. Ich merke, wie Passivität im Moment mein größter Gegner ist, den ich auf keinsten Fall durch Nichtstun bestärken darf.

    1. Geh heute Abend in das Meeting!
    2. Kümmere dich um die ambulante Therapie!
    3. Werde aktiver, was deine Wohnungssituation angeht. Allzu lange bei deinen Eltern rumvegetieren bringt dich nicht weiter!

    Grüße,
    DerWaldfrevler

  • Das is mal ne Ansage W-frevler, auf deine Spülaktion kannst mächtig Stolz auf dich sein :top:

    Man merkt schon sehr deutlich wie wichtig dir dein Vorhaben ist und ja, deine 3 Punkte sind natürlich wichtig.
    Trotzdem sollte man sich auch nicht zu sehr unter Druck setzen und sich immer mal auch Pausen gönnen :winking_face:

    Was deine Eltern angeht, ist das gar nicht so selten ...
    Das geplante Gespräch ist aber meiner Meinung wirklich eher für dich gedacht, weil ich auch annehme, dass da nicht viel zu erwarten sein dürfte.
    Doch letzteres ist nicht das Ziel, vielmehr gehts darum (wie du ja schreibst) sich zu positionieren, sich zu erklären, zu zeigen - ich habe auch meinung und Gedanken zu diesem ganzen Familiengeschehen.

    Dass gestern größerer Suchtdruck aufkam, das dürfte normal sein.
    Der Punkt dabei ist aber, du hast massiv dagegen gearbeitet und das wird sich auch ins das Suchtgedächnis einbrennen.
    Je öfter man solche Momente durchsteht, um so gefestigter geht man ja daraus hervor und langfristig ist das die wesentliche Veränderung.

    Vielleicht schaust dir auch mal unser Programm "Lass das Gras" an ...
    Hauptsächlich begleiten wir da zwar meist Leute die gerade aufhören oder das planen, aber auch eine Begleitung für schon cleane Leute ist nicht so selten.
    Man hat da halt einen direkten Ansprechpartner, seinen eigenen Bereich ...

    Viel Erfolg für dein geplantes Gespräch!

    LG Franz

  • Wow, ich gratuliere auch zur Spülaktion!!!
    Du bist sehr reflektiert und hast sicher gute Chance, rasche Fortschritte zu machen... in der richtigen Gruppe natürlich :winking_face:
    Ich wünsche weiterhin viel Erfolg, du schaffst das!

  • hi!
    erstmal respekt für die spülaktion! das muß die hölle für die Sucht in dir gewesen sein.
    ich habe ca14 jahre nahezu täglich gekifft. diese regel vonwegen nur bio zu hemen hatte ich auch. habe sie aber zum glück, außer einer halben E weil nix anderes da war, nicht gebrochen.

    ich wollte nur was zur familie schreiben. auch ich erkenne langsam das meine eltern wohl einen teil zu meiner neigung abhängig zu werden ihren teil geleistet haben. mein vater hat täglich getrunken, mal mehr mal weniger. mein opa auch schon. die frauen waren immer die co-abhängigen. dieses sachen erkenne ich aber auch erst jetzt. meine aktuelle beziehung war auch kurz vorm scheitern, jetzt gehts in sehr kleinen stücken wieder bergauf.

    es ist zwar löblich das du die festgefahrenheit deiner eltern durchbrechen magst. in deinem zustand der eigneen erkenntnis kann ich das gut nachvollziehen. geht mir genauso. leider kann ich das nicht mehr, da meine mutter vor 5 jahren an krebs gestorben ist. da bedrücken mich eher die schuldgefühle das ich nicht, oder nur benebelt, für sie da sein konnte. ich war neulich seit sehr langer zeit mal wieder an ihrem grad und habe mich da zum ersten mal entschuldigt. ich stand da bestimmt 45 minuten weinend rum und habe ihr alles mögliche erzählt. war fast wie bei einem psygespräch. danach ging es mir erstmal richtig gut. werde das jetzt öfters machen.

    ich denke auch wie oben schon geschrieben das du da nicht zuviel erwarten solltest von deinem vater. ich denke jeder muß das selbst erkennen. das gespräch suchen kann aber nicht verkehrt sein.
    halte durch!
    lg
    a

  • Hallo,

    die Spülaktion war natürlich der einzige und logische Weg. Aber die Logik ist bei der Sucht natürlich der größte Ar... Wir Süchtige neigen ja gerne nüchtern dazu, uns immer unsere eigene Realität zurecht zu bastelen, wobei wir natürlich durch und während des Konsums gerade nur zu vor ihr abtauchen...
    @amilieh
    Gerade deswegen glaube ich, dass die große Debatte der "Drogenwahl" eh Teil der Illusion der Sucht ist und in Betrachtung auf ihre puren Wirkmechanismen durch uns, die clean oder trocken werden wollen, vernachlässigt werden kann. Meiner Meinung nach landet ein Süchtiger eh unbewusst bei dem Stoff, den er persönlich für seine Bedürfnisse zweckmäßig einsetzen kann. Kulturell bedingt ist deswegen hier die vorerst häufige Sättigung bei Nikotin, Kaffee, Alkohol zu finden. Wird damit das erhoffte Wirkspektrum nicht befriedigt, oder kann aufgrund Toleranz und Suchtfortschritt nicht mehr erreicht werden, ist bei Verlangen der Weg zu Anderem nicht mehr weit.
    Klar ist nicht von der Hand zuweisen, dass verschiedene Mittelchen auch andere Schadpotenziale mitsichbringen, aber für den Süchtigen ist das nach fortgeschrittener Funktionalisierung egal, mit welchem Mittel er sich die Synapsen in seinen verschiedensten Hirnarealen durch Dauerkonsum neuverknüpft.

    Genug gelabert, denn ich will hier noch ein paar andere Dinge festhalten.
    Zunächst einmal war ich am Freitag beim Meeting. Es hat mich zwar Überwindung gekostet, aber schon als ich mich auf den Weg dorthin gemacht hatte, begann ein mittlerweile für mich leicht vertrautes Gefühl einer gewissen Fokusierung und des mich Selbsternstnehmens. Freudig bemerkte ich, dass ich schon jemanden davor in einem Meeting in einer anderen Stadt kennen gelernt habe. Danach war ich recht zufrieden und ich ging auch wieder mit einem Gefühl heraus: "Sucht ist Sucht, egal von was." Jeder Mensch hat sein Päckchen mit seinen persönlichen Problemen zu tragen und eben dieses Bewusstsein bringt mich näher an genau mein eigenes Päckchen.

    Heute habe ich mich am Nachmittag zunächst einmal mit drei alten Schulfreunden (Nichtkonsumenten) getroffen, mit denen über das letzte Jahr der Kontakt nur mehr als lose war. Wir haben nacheinander so unsere Geschichten erzählt und als ich dran war, habe ich zwar nur eine Kurzfassung dargelegt, die aber dennoch so ehrlich und heftig war, dass sie uns alle sehr getroffen hat.
    Nach diesen zwei sehr emotionalen Stunden kam ich ziemlich erschöpft zu Hause an, wo schon hektisch die Vorbereitungen für die große Familiengeburtstagsfeier meiner Schwester in Gang waren. Fast alle Gäste hatten schon Monate nichts mehr von mir gehört, aber der Rahmen und die typische Inszenierung durch meine Eltern ließen keinen Raum zu, dass während des Festes bloß nicht vor allen Gästen auf meine Krankheit und den Klinikaufenthalt eingegangen werden konnte. Ich merkte aber, wie ich im Verlauf des Abends nicht in die typischen Rollen sprang, die ich mir über die Jahre angeeignet hatte. Eine ganz verrückte Sache ist, dass an den Punkten, wo diese normalerweise automatisch eingenommen worden wären, ich bemerkte, wie sich jedes Mal regelrecht meine Blickachse und mein Blickfeld veränderten. Ich konnte teilweise schon recht früh Distanzen zu bestimmten Situationen aufbauen und schnell zu mir zurückkehren, ohne, dass ich drohte auf "Autopilot" durch den Abend zu fliegen. Ich kann dieses Phänomen nur schwer beschreiben und komme mir da auch etwas verrückt vor, aber diese Sache will ich in Zukunft weiterhin verfolgen. Es fühlt sich recht fremd, dennoch teilweise ganz gut an.
    Ich war dann recht früh müde, von den vielen Small Talks angewiedert und den Ansprüchen an meine Person zum späteren Abend, als auch noch mein Vater angetrunken war, überdrussig. Ich fühlte mich plötzlich sehr beklemmt und zog mich in mein Bett zurück. Dort konnte ich nicht einschlafen und mich überkam eine Welle von Gefühlen, die ich mit meiner frühen Kindheit verband: Einsamkeit, Ohnmacht, Hilflosigkeit, Traurigkeit und eine kleine Portion Wut und Selbsthass. Ich ließ sie zu, fand mich dann aber schnell in Wellen von heftigem Suchtdruck. Stolz kann ich sagen, dass ich mich zügig wieder anzog und das Haus verließ. Bei einem nächtlichen Spaziergang rief ich dann meine Freundin an und schilderte ihr die Situation und meinen Suchtdruck, der auch prompt abnahm. Das Gespräch klang dann beidseitig sehr herzlich aus. Ich genoss noch ein paar tiefe Atemzüge und die sich einstellende Beruhigung und stellte auch hierbei fest, dass sich mein Sichtfeld darauf wieder erweiterte. Zu Hause goss ich mir noch einen Beruhigungstee auf und entschloss mich dazu, hier diesen Text zu posten, weil ich es interessant finde, wie ich im Moment mein Zusammenspiel zwischen Körper und Geist wahrnehme, auch wenn natürlich akut während negativen Gefühlen bei mir alles bis zum Zerreißen gespannt ist.

    Liebe Grüße,
    DerWaldfrevler

  • hi!
    du hast rech, welcher stoff es ist ist vollkommen egal, Sucht ist Sucht.

    wie du die situation gemeistert hast find ich sehr lobenswert. raus und das gehirn mit sauerstoff durchpusten bringt ne menge!!! auch das du üner den drang dann gesprochen hast.

    mach weiter so!!!
    lg
    a

  • Vollkommen richtig, wer länger konsumiert, der entwickelt sich zu einem super "Schauspieler" der vor allem sich und auch seinem Umfeld gute Gründe für weiteren Konsum konstruiert :winking_face:
    Aber genau aus dem Grund ist die Spülaktion zwar der einzig richtige Weg gewesen, doch schaffen das leider nicht, obwohl das ein ganz wichtiger Schritt für ist.
    Diese Konsequenz ist es ja, die man neu erlernen muss, weil diese "Prüfungen" ja immer wieder auf einen zukommen.

    Es ist bemerkenswert wie du deine aktuelle Situation umsetzt, ich finde es schön wenn sich wer intensiv damit auseinandersetzt.
    Der wesentliche Punkt ist aber, du versuchst genau die Punkte anzugehen die auch nötig sind, das Treffen mit den Freunden, der Anruf im Akutfall bei deiner Freundin ...
    Hier sieht man glasklar, nicht das absetzen von 'Cannabis ist das größte oder gar einzige Problem!

    LG Franz

  • Moin,

    ganz klar, ein Süchtiger ist ein super Schauspieler. Aber immer deutlicher wird mir eben auch das Ausmaß und das emotionale Chaos, dass bei mir als aufwachsendes Kind in einer Suchtfamilie entstanden ist. Eben schon da habe ich auch sehr früh Rollen erlernt, in die ich reinschlüpfen konnte und die ich im Moment entlarven muss, damit ich wieder einen ICH-Bezug aufbauen kann. Bei mir sind da die Rollengrenzen mehr als verwischt.
    Wer einen ähnlichen Hintergrund hat und sich schon öfter gefragt hat, warum es bei ihm bloß immer anders läuft, als bei "normalen" Altersgenossen, dem lege ich das Buch von Ursula Lambrou "Familienkrankheit Alkoholismus - Im Sog der Abhängigkeit" ans Herz. Echt ein Buch, welches ich immer nur in kleinsten Dosen an mich heranlassen konnte. Da sind mir so einige Schuppen von den Augen gefallen.
    Ich bin dann auch gestern von meinem Elternhaus an meinen Studienort aufgebrochen. Ich habe diese Hin- und Hergerissenheit zwischen alten Mustern, Wut, Suchtdruck und depressiver Grundstimmung nicht mehr aushalten wollen und zusätzlich will ich mich jetzt ja um eine Wohnung und um eine Therapie kümmern. Im Moment bin ich in der 3er WG meiner Freundin untergekommen.
    Ich habe es heute morgen schon geschaft, gegen 9 Uhr aufzustehen. Während meiner Therapie habe ich gemerkt, dass mir das eigentlich ganz gut bekommt, aber meinen alten Tag-Nacht-Rhythmus kam die letzte Zeit leider wieder massivst durch. Das fällt mir wirklich sehr schwer und ist auch eine Baustelle, die ich mittelfristig geregelt bekommen sollte. Das hängt aber vermutlich auch noch teilweise sehr damit zusammen, dass ich mir im Moment immer noch die kleinsten Dinge schwer fallen, sie den ganzen Tag aufschiebe und verdränge, bis dann irgendwann Unzufriedenheit und Suchtdruck entsteht. Der ganz normale alte Wahnsinn eben. Mir geht es nicht gut damit, ich weiß, dass es mir nicht gut damit geht, aber dieses Wissen ist auch kein Garant dafür, dass alles besser funktioniert. Ich habe es dann heute immerhin gegen 16 Uhr geschafft, die ersten (fremden) Leute anzurufen und habe für morgen immerhin 2 Besichtigungtermine. Bei mir läuft alles sehr schleppend im Moment und ich sollte auch langsam akzeptable Belohnungen implementieren. wenn doch mal was angegangen wurde. Aber da fehlt mir auch noch etwas der potentielle Horizont des Genusses einfacher Dinge, die nicht so schnell und bequem zu erreichen sind.
    Meine Freundin und ich versuchen gerade in der jetzigen Situation uns bewusste Freiräume zu schaffen, da wir beide bemerken, dass wir uns teilweise abgrenzen müssen. Die Autonomie muss beidseitig her. Festaneinadergewachsen kann man sich nämlich nicht nur hochpushen, sondern zieht sich auch zwangläufig runter.

    Es geht vorwärts - langsam - und nicht mit Pauken und Trompeten, aber ich setze Akzente.

    Liebe Grüße,
    Martin

    P.S.: Nur nocheinmal für mich selbst:
    Dreineinhalb Monate komplett ohne Drogen - auch keinen Schluck Alkohol - das gab es bei dir seit deinem 12 1/2 Lebensjahr nicht mehr!

  • Zitat

    Es geht vorwärts - langsam - und nicht mit Pauken und Trompeten, aber ich setze Akzente.

    Ich war und bin auch langsam, was mein voran schreiten angeht:
    Ich kann dir aber sagen, dass ich damit in den letzten 12 Jahren erstaunlich und erfreulich weit gekommen bin!

    ERSTmal ist clean sein ja schon fast nen 24h Job und ALLES, was du zusätzlich noch bewegst, kannst du als Gewinn ansehen, finde ich!

    Viel Kraft weiterhin & bleib auf dem Weg! :j: LG.Gane

  • Was mein Vorredner zitiert, dass empfinde ich als absolut verantwortungsbewusst.
    Natürlich wünschen wir uns eine schnelle Lösung, das ist ja im gesamten Leben heutzutage so, auf allen Ebenen - alles muss schnell gehen ...
    Zudem sind dann (ehemals) Süchtige da meist ein Paradebeispiel, aber wer will das nicht verstehen, man will weg von diesem scheiß Suchtproblemen.

    Weder mit 'Gewalt oder Hochdruck, noch selbst gesteckten Zeitdruck kann man da was bewegen.
    Du musst auch erst langsam wieder in der "FReiheit" ankommen, auch das ist eine Umstellung für Körper und Geist.
    Aus einem geschützten Rahmen entlassen zu werden ist oftmals sehr anstrengend, draußen hat sich ja so gut wie nichts verändert.

    Die gute alte Liste direkt vor Augen könnte helfen, dann klappt es vielleicht mit der Aufarbeitung der einzelnen Positionen.
    Aber im Moment darf es auch alles bisserl langsamer gehen, Hauptsache es geht nicht rückwärts ...

    LG Franz

  • Jaja, ihr habt ja recht und ich habe mir ja auch von Anfang an selbst vorgenommen, dass die Geduld für und wegen der Abstinenz oberstes Gebot hat...^^

    Aber gerade das Gefühl keine Wohnung zu haben, ist im Moment zemlich deprimierend. Wenn ich jetzt zurückblicke, hatte ich seit April eben keine wirkliche eigene Wohnung mehr, in der ich mich wohlfühlen konnte und die ich für mich entsprechend einrichten konnte. Dieser unglücklichmachende Umstand wurde bis zur Einweisung natürlich mit ordentlichem Substanzkonsum "ausgesessen". Damals hätte ich auch echt genauso gut auf der Straße landen können. Viel fehlte da nicht mehr und in Bezug auf den emotionalen Leidensdruck sowieso nicht.
    Ich merke auch immer mehr, dass ich ein dringendes Bedürfnis nach einer gemütlichen eigenen Wohnung verspüre, in der ich auch entspannen kann. Das hängt auch etwas mit meiner traumatischen Kindheitssituation zusammen. Denn obwohl nach Außen hin bei uns die Wohnverhältnisse sehr gut waren, nahm ich innerhalb unserer Familie keine wirklich entspannende häusliche Geborgenheit wahr.

    Naja, was meine aufgebrachte Motivation und Energie die letzten Tage angeht, kann ich eigentlich sehr zufrieden sein. Ich habe es eigenständig geschafft, diverse Besichtigungstermine abzumachen, zu koordinieren, sie pünktlich wahrzunehmen und mich auf die dazugehörigen verbindlichen Gespräche recht natürlich einzulassen. Dafür bin ich jeden Morgen auch vor 9 Uhr aufgestanden.
    Am ersten Abend der anstrengenden Odyssee, kam es dann auch schon prompt zu einer unvorhergesehenen Begebenheit, bei der mich meine Vergangenheit fies von Hinten überrollte. Ziemlich müde klingelte ich am Abend an einer Tür, wo dann überraschenderweise die mir entfernt bekannte Schwester eines alten Druffi-Kumpels als Vermieterin die Tür öffnete. Wir stellten fest, dass wir uns ja schon kennen und als sie dann Aussprach, dass ihr Bruder in der freien 2er WG unten wohne, fiel ich auch schon gleich in meinen unbehaglichen Tunnel. Zu dritt gingen wir dann durch die wirklich schöne Wohnung. Gegen Ende packte ich dann für meine Verhältnisse wirklich viel Mut und Entschlossenheit zusammen und bestand dann darauf, dass seine Schwester sich mal verziehen solle, da ich noch WG-Interna besprochen wolle. Diesen Wunsch zu äußern fiel mir wirklich nicht leicht.
    Ich beichtete ihm dann sofort von meinem Entzug und meiner Therapie und wollte wissen, ob er im Moment denn noch drauf sei. Mir fiel seine Whiskey-Sammlung ins Auge und er berichtete mir glaubhaft, dass zum Einen seine Schwester das wegen ihrer im Haus wohnenden Kinder eh nicht dulde und er zum Anderen höchstens einmal im Quartal außerhalb mit seinen Kumpels gelegenheitlich mitrauche. Sonst arbeite er im Moment Vollzeit. Ehrlich gesagt auch eine Tatsache, die ich mir, als ich ihn vor Jahren kennenlernte, niemals vorstellen konnte. Aber ich kenne halt auch seine meisten Kumpels und da ist mir schon etwas flau im Magen.
    Ich gehe ja mit meinem Problem offensiv offen um. Tabuisierung will ich nicht, da ich das schon üner 28 Jahre aus meiner Herkunftsfamilie kenne. spätestens jetzt dürfte die ganze Kleinstadt wissen, wie bei mir Stand der Dinge ist. Dass sie sich seit Monaten über mich hin und wieder die Mäuler zerreißen, bemerke ich eh ziemlich häufig.
    Bis jetzt ist das mittlerweile auch schon fast meine einzige Wohnoption im Moment. Ansonsten habe ich nur Absagen kassiert, oder aber die Wohnungen kamen nicht in Frage.

    Das ist alles ziemlich frustrierend und heute hatte ich nur gegen Mittag einen Termin, ansonsten bin ich heute sehr ausgelaugt und niedergeschlagen. Aber wirklich entspannen kann ich auf der anderen Seite leider auch nicht. Normalerweise wüsste ich ja, wie ich mich für diese Anstrengung belohnen würde...

    Ich bleib am Ball und Gewinne schon manchmal wieder augenblicklich ernstes Interesse daran, wie sich denn wohl mein eigenes Schicksal entwickeln wird. Tatsächliche Entwicklung ist nur ohne Drogen möglich!

    Liebe Grüße,
    DerWaldfrevler

    Einmal editiert, zuletzt von DerWaldfrevler (11. Januar 2013 um 16:56)

  • Moin,

    im Moment stecke ich wieder voll in der Mühle fest. Der Druck wird stärker und stärker. Aber ich bin immer noch clean und das ist ja wenigstens schonmal etwas...^^

    Wohnungstechnisch sieht es bei mir wirklich noch sehr mies aus. Meine Freundin hatte mich schon letztes WE mehr oder weniger regelrecht rausgeschmissen. Sie schaut da im Moment auch sehr auf sich. Ich kann das natürlich verstehen und weiß auch, dass es natürlich nicht sein kann, dass sie sich zu sehr in meine Situation reinsteigert und zu viel Verantwortung übernimmt. Aber was und wie da so einiges zwischen uns die letzten Tage abgelaufen ist, hat mich wütend gemacht. Wirklich gut ist, dass ich das aber deutlich gesagt hatte. Das war ein großer Schritt nach vorne und hat mich auch, was Wut und daraus folgendem Suchtdruck geht, weitergebracht.

    Ich wohne jetzt kurzfristig in einer meiner alten WG's auf der Couch. Im großen und Ganzen ist es ganz OK, aber ich merke auch, wie schnell ich in alte schädliche Muster zurückfalle. Lebe manchmal nur so mit anderen Mitbewohnern in den Tag und verdränge dabei massiv meine Gesamtsituation. Vorgestern bin ich dann wohl schleichend am Vormittag darüberhin depersonalisiert. Ich habe das gar nicht realisiert. Erst als meine Freundin abends bei uns vorbeischaute und sie sich durch mein zugemauters Verhalten in schlimmste Konsumzeiten zurückversetzt fühlte, suchte sie ein Zwiegespräch. Dabei fiel ihr und mir dann auf, dass ich "voll im Tunnel" steckte. Wir machten einen nächtlichen Spaziergang und schafften Distanz. Dabei "wachte" ich allmählich auf und war äußerst verwirrt, weil ich schon über mehrere Stunden depersonalisiert war.

    Naja, das bin ich jetzt am Aufarbeiten und will es nutzen, um weiter meinen Schwächen gegenüberzutreten. Seit gestern telefoniere ich allmählich sämtliche Therapeuten hier ab. Alle haben im Moment eine Warteliste von einem halben Jahr. Das ist echt zum Verzweifeln. Ich merke, wie meine Sicht und Motivation immer enger wird, mein Verhalten und meine Gedankenschleifen immer destruktiver werden, aber der Schrei nach Hilfe nicht wahrgenommen wird.

    Gut, ich klappe da auch noch zu schnell voll nach Innen ein und transportiere noch immer nicht vehement mein Eigentliches nach Außen an meine Umwelt...
    Für das Wochenende habe ich mir einen Schlafplatz auf einer Couch eines Kumpels aus der Klinik gebucht. Gemeinsam wollen wir zu den NA's. Ich brauch ein Meeting - brauch Bewegung - brauch die Flucht in eine andere Perspektive.

    Grüße,
    DerWaldfrevler

  • Hallo,

    ich wünsche dir viel Kraft udn durchhalten vermögen!!!

    Bleibe dran und telefoniere Weiter, wegen Wohnung und Therapie! Vielleicht hast du ja bald Glück, so wie ich es hatte udn findest einen Therapeuten, der Zufällig noch ein Platz frei hat. das war bei mir so, noch im Oktober habe ich angefangen zu suchen und dachte eigentlich, wenn sich bis ende November nichts bessert, mache ich eine Therapie. Ich habe jedoch ein termin schon in einer Woche , also noch in Oktober bekommen (weil ein Partien ausgefallen ist) und habe den natürlich auch gleich wahrgenommen!
    Also dran bleiben! Ich drücke dir die Daumen!!!

    wie lange bist du jetzt clean? Weiter so!

    ich erst am Tag 10, weil ich über Weihnachten rückfällig geworden bin...:(

    LG

    MIA

  • Hallo MamaMia und alle anderen,

    danke, ich versuche dran zu bleiben aber es läuft alles echt nicht so rosig.
    Ich bin jetzt knapp über 4 Monate clean. Aber...

    Ich habe immer noch keine Wohnung. Teilweise war ich in letzter Zeit öfters ziemlich euphorisch und optimistisch, habe aber auf einige Wohnungen, die echt endlich meinen Ansprüchen entgegegekommen wären, Absagen kassiert. Das kollidierte dann teilweise auch noch mit Beziehungsstress und anderen unangenehmen Überraschungen, die das Leben so mit sich bringt. Manchmal führte das zu ziemlich langen depressiven Durchhänger und es dauerte seine Zeit, bis ich mich danach wieder aufrappeln konnte.
    Suchtdruck, Verdrängung, Depression und Depersonalisierungen waren dann oft die Folge und ich bin sehr oft von mir weggerückt. Das kratzt alles ziemlich an meinem Selbstwert und -Bewusstsein. Jedes Mal, wenn dies endlich wieder etwas aufgebaut ist, laufen die Dinge so, dass es sich wieder wegwischt. Teilweise bin ich dann, aus vermeintlichem Selbstschutz, bewusst appathisch an die Dinge rangegangen, damit sie mich eben nicht so berühren. Das ist natürlich der falsche Weg. So begegne ich der Umwelt eben nicht authentisch und es gipfelte am Höhepunkt eben in Derpersonalisationen, die recht lange anhielten.
    In den schwärzesten Stunden, wo sich alles wieder unaushaltbar entfärbte, saß ich manchmal den ganzen Tag an (sinnlosen) Computerspielen. Echt nicht knorke, aber ich kann Wut, Angst, Motivation und Glückseligkeit noch nicht gut regulieren. Da erscheint mir das einfach ab und an besser, als zu Drogen zu greifen. Aber wenn das sich als mittelfristiger Lösungsansatz etabliert, wird das natürlich zum weiteren Problem.

    Naja, einige "kleine Dinge", die zur ausgeprägten Konsumphase undenkbar waren, laufen echt recht gut. Ich geh Spazieren, lese, mache kleine Ausflüge, geh auf den Markt und koche mir anschließend aufwendig hochwertige Gerichte. Sprich - ich nehme mich schon für wertvoll. Aber warum ist es so verdammt schwer, immer wieder neu auf die Spur zu kommen, wenn ich Rückschläge bei meinen "Metazielen" erfahre? Dann komme ich mir immer so klein und hilflos vor.
    Im Moment kann ich auch kaum mit jemand anderem, als meiner Freundin ernsthaft über alles reden. Das ist auf Dauer untragbar, da ich sie regelrecht emotional missbrauche.

    Naja, ich kann gerade nicht mehr und muss mich schleunigst wieder sammeln und aufrichten.
    Liebe Grüße,
    DerWaldfrevler

  • Naja,

    äußerlich hat sich leider die letzten Tage nicht viel getan. Aber Sch... drauf.

    Denn innerlich ging mal wieder die Post ab. Das verlief rückblickend auch recht gut.
    Das Computerspielen und das gleichzeitige nicht weiter"kämpfen" wollen wurde durchbrochen. An einem wunderschönen sonnigen Tag war ich zum Mittagessen verabredet. Ich hatte aber einen so inneren Selbsthass und eine so unsägliche Wut, dass ich wirklich kurz davor war, wildfremde Menschen zu verprügeln. Ein Aspekt meiner Persönlichkeit, den ich so zuvor noch nie wahrgenommen habe. Das Mittagessen ließ ich dann ausfallen, bin zunächst wütend und mit Tränen in den Augen planlos durch die Stadt gelaufen. Ich bin echt gar nicht auf mich und die Menschheit klargekommen. Bin dann in die leere Wohnung gegangen, wollte mich bei einer Tasse Kaffeee und einer Zigarette runterholen. Das klappte nicht. Der Computer fuhr hoch und ich habe kein Computerspiel geöffnet, sondern mir die Sprechzeiten der psychosozialen Beratung angeschaut.
    Ein bis zwei tiefe Atemzüge, massiver Suchtdruck und dann klar gemacht, dass diese tiefe Wut jetzt nicht geschluckt werden darf, jetzt nicht betäubt werden darf, sondern ich diese schier unaushaltbare Energie irgendwie nutzen sollte. Ohne groß nachzudenken bin ich dann einfach zur Caritas gerannt.
    Dort kurz von meiner Gesamtsituation berichtet und den Wunsch und das Bedürfniss nach der Vermittlung einer Psychotherapie geäußert. In zwei Wochen habe ich jetzt einen Termin mit einer ihrer Psychologen. Ich erhoffe mir aber von dem Laden nicht viel, wollten sie mich doch direkt wegen meiner Cannabisabhängigkeit auf Susbtitution setzen...^^
    Meine Wut war danach sogar immer noch nicht abgeebt und ich ritt schon prompt auf den nächsten Wellen des Suchtdrucks. Ich war so am Ende und wusste einfach nicht mehr weiter. Neben den vielen schreienden Stimmen: "Komm, kauf dir nen Bier...Komm, besuch alte Kumpels, die du schon lange nicht mehr gesehen hast (alles notorische Kiffer, die die Tür immer mit einem Joint im Mundwinkel öffnen)...", hörte ich eine ganz leise Stimme: "Kauf dir Malsachen...!"
    Dieser bin ich dann echt gefolgt. Bin in ein Geschäft rein und habe 70 Euro für Acrylfarbe und Zubehör in die Hand genommen. Danach habe ich dann über 2 Stunden mit Beethoven im Hintergrund ein Bild gemalt. Glaubt mir, in meinem früheren Leben hatte ich eigentlich keinen Bezug zur Malerei, aber in der Therapie habe ich schnell gespürt, dass ich beim Malen sehr in meinen akuten Emotionen bleibe und gesund und selbstbezogen diese überpinsel. Das Bild ist natürlich kein Picasso, aber ich habe einen weiteren Meilenstein in meinem Suchtgedächtnis gesetzt.

    Liebe Grüße,
    DerWaldfrevler

    Einmal editiert, zuletzt von DerWaldfrevler (2. Februar 2013 um 20:59)

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