Verbesserung und Differenzierung der Selbstwahrnehmung

  • Hallöchen @ all

    Ich habe heute meinen Abschlussbericht von meiner Suchttherapie erhalten. Zu einem punkt hab ich mal ne Frage an euch wie ihr das macht oder damit umgeht in emtionalen Situationen.
    Zu Psychotherapeutisches und soziales Ergebnis steht bei mir.
    Zietat:

    ...auch seine narzisstichen Abwehrstrategien wurden ihm deutlich, sowie, diese sich im Zuge seiner Biografie als Überlebensstrategien ausgebildet haben. Insgesamt sind seine emotionale Selbstwahrnehmung und seine Selbstreflektionsfähigkeit noch verbesserungswürdig und es fehlen ihm noch Strategien zur emotionalen Selbstkontrolle, insbesondere in emotionalen Überflutungssituationen.

    Dazu muss ich sagen das ich seit jüngster Kindheit alle Probleme die mich beschäftigen mit mir allein ausmachen musste.
    Zietat:

    Herr ... wuchs in einem aversiven, wenig kindgerechten Umfeld auf. Diees war geprägt durch Gewalt und emotionale Verarmung. Es gab keine positiv besetzten Beziehungsfiguren. Die grundlegenden Bedürfnisse nach Zuwendung, Geborgenheit und Schutz wurden nicht erfüllt. Bezugspersonen und Autoritäten wurden als negativ und bedrohlich erlebt. Es fehlte an Struktur und emotionalen Halt. Herr ... lernte früh, dass auf seine Mitmenschen kein Verlass ist. Er lernte, seine hohe Bedürftigkeit und emotionale Not zu verleugnen, um Enttäuschungen und Verletzbarkeit vorzubeugen. Dies ging soweit, bis sie ihm selbst kaum mehr bewusstseinsfähig waren.

    Dazu meine Frage hab ihr vielleicht ein paar Tips oder Ratschläge für mich wie ich in zukunft mit emotionalen Gefühlen besser umgehen kann.
    Ich will strikt vermeiden das ich mal Rückfällig werde und zu irgendwelchen Drogen greife weil ich mich selbst nicht verstehen kann oder kontrolieren kann. :14:
    Meine Psychotherapie beginnt erst in ca. einem Monat aber ich würd gern eure Meinung dazu auch hören/lesen.
    Vielleicht hat der eine oder andere ähnliches erlebt und kann was dazu schreiben.

    Grüße Rantanplan

  • @ wrongByDesign:
    Die Idee mit dem Tagebuch find ich sehr gut, simpel aber effektiv. Mal sehen ob ich das irgendwie gebacken bekomme.

    Heute hatte ich wieder einer Termin bei meiner Therapeutin von der Drogenberatung. Ich habe dort wöchentliche Gespräche bis meine Psychotherapie anfängt.
    Im Gespräch fragte Frau S mich: Warum ist es gut seine Gefühle zu spüren und welchen Sinn haben Gefühle überhaupt?
    Leider konnte ich ihr darauf keine Antwort geben, mir fiel einfach nix ein was ich ihr hätte darauf antworten können. :confused_face:
    Sie gab mir die Frage als Hausaufgabe mit ich solle darüber mal nachdenken und wenn möglich ein paar Zeilen dazu schreiben.
    Ich habe das jetzt schon ein bißchen gegoogelt und habe auch logische Antworten gefunden die ich auch verstehen kann.
    Aber selber fällt mir nix so richtig ein dazu. Welche Meinung habt ihr dazu? Ihr sollt nicht meine Hausaufgaben machen aber vielleicht habt ihr ein paar Denkanstöße für mich

  • Hallo Rantanplan,

    also ich antworte dir einfach mal aus dem Bauch heraus, du weisst dann schon, ob irgendwas auf dich zutreffen könnte.

    Ich empfinde in deinem Therapiebericht folgenden Satz als den wesentlichsten:
    Die grundlegenden Bedürfnisse nach Zuwendung, Geborgenheit und Schutz wurden nicht erfüllt.
    Die infolgedessen entwickelten (Schutz-) Strategien sind sicherlich Automatismen, die dich heute daran hindern ein emotional gesundes Leben zu führen.
    Wie nimmst du es denn wahr? Fühlst du den Wunsch nach Nähe und Geborgenheit? Wenn ja, wird dieses Bedürfnis heute befriedigt??
    Ich denke die Befriedigung ist nur möglich, wenn du fähig bist diesen Wunsch auch nach aussen zu signalisieren. Ich kann mir gut vorstellen, dass du aufgrund deiner Vorgeschichte ganz andere Signale sendest. Vielleicht eher: 'Ich bin stark, ich komme alleine klar, ich kann mit diesen Gefühlsduseleien nix anfangen'. Vielleicht fühlst du dich sogar eher bedrängt, wenn dir jemand ungewohnt warmherzig und liebevoll entgegen kommt ? Ganz tief in dir ist aber immer noch das kleine Kind, dass nach Nähe, Zuwendung und Geborgenheit hungert! So, und da sind wir bei der Frage der Beraterin. Vorraussetzung für die Befriedigung der Bedürfnisse ist 1. das sie überhaupt als solche erkannt und empfunden werden und 2. das sie signalisiert bzw. kommuniziert werden können. Und das ist am Ende das schwierigste an der Sache, denn wenn erstmal alles verdrängt und verschüttet ist, ist es ganz schön schmerzhaft es wieder hervorzulassen. Denn Menschen, die einen derartigen Schutzwall um sich errichtet haben, fällt es sehr schwer diesen durchlässig zu machen. Es kann einem regelrecht zuwieder sein, sich bedürftig und verletzlich zu zeigen. Denn das ist letztendlich die Gefahr, die man damit jahrelang umschifft hat: Man will nicht mehr enttäuscht und verletzt werden!
    Ich finde ein simpler Vergleich ist das Bedürfnis nach Sex. Ist man unbefriedigt, kann das Aggression und Frustration auslösen. Will man gegensteuern, muss man den Bedarf erkennen und auch jemandem anderen zu erkennen geben. Sonst bekommt man keinen Sex. So einfach ist das, man bleibt immer unbefriedigt, frustriert , aggressiv.
    Ich hoffe ich konnte dir einen Denkanstoss geben.

    LG Catfish

  • Hi Rantanplan,

    Ähnliche Probleme hatte ich vor einigen Jahren auch mal und auch ein ähnliches Ziel wie du. Auf die schnelle geht das nicht, ist ja klar. Bei mir war es z.B. so, dass ich generell Schwierigkeiten hatte, Gefühle richtig wahrzunehmen und zuzordnen, sowie, dass ich Gefühle hatte, die dem Anlass überhaupt nicht entsprachen und ich mir dessen nicht mal bewusst war. Zudem -wie bei dir- bei emotionalen Reizzuständen, mir die Strategien fehlten, damit adäquat umzugehen.
    Bei mir hat eigentlich alles, was mir angeraten wurde, zusammen ganz gut funktioniert. Z.B. eine vorgefertigte Tabelle mit emotionalen Zuständen mit Angaben des Auslösers und der Selbsteinschätzung ob a) das Gefühl und b) die Gefühlsstärke angemessen waren. Oder Anspannungen im Körper wahrnehmen und sich dessen immer besser bewusst werden, oder trainieren den Punkt wahrzunehmen, bevor eine emotionale Reizüberflutung stattfindet.
    Nach und nach hat sich so ein ganzer Katalog ergeben, am Anfang hatte ich einzelne Maßnahmen für mich auch verschriftlich, damit wenn ich "emotional geflutet" war und ich über sowas nicht nachdenken wollte/konnte, was zur Hand habe wo drauf steht: tu jetzt das und das, obwohl du vielleicht gar nicht so fühlst. Dann wurde es besser. Mit der Zeit und mit viel viel viel vieeeeel Übung hauen mich meine Emotionen heute nicht mehr und wenn ich angespannt bin, kann ich rechtzeitig reagieren, Auslöser vermeiden, oder mich wieder entspannen, oder z.B. mit jemanden darüber reden.

    Super ist, dass deine Therapie bald anfängt, da kannst du auch gleich nach Tabellen oder ähnlichem fragen! Bis dahin kannst du ja schonmal üben. z.B. täglich deinen emotionalen Zustand austesten, kurz innehalten, hinspüren und überlegen, warum, wieso und wie stark. Am Anfang klappt das sicherlich manchmal gar nicht, klar, aber das ist doch normal, denke ich ;). Wie du dich letztlich selbst besser emotional führen kannst - das solltest du durch Ausprobieren rausfinden, denn wie sagt man so schön: Du bist Experte deines Lebens, niemand sonst weiß das so gut wie du! Möglichkeiten gibt es genug, besorg dir Bücher, frag die Thera, Suchtberatungsstellen, mach nen Taichikurs.....

    Viel Erfolg (und vorallem auch Entspannung!)

  • Hallo

    Vielen Dank erst mal für eure Antworten. Hier mal der link zu dem Artikel den WrongByDesign meinte.
    Emotionen: Motor unseres Handelns


    Catfish

    Wie nimmst du es denn wahr? Fühlst du den Wunsch nach Nähe und Geborgenheit? Wenn ja, wird dieses Bedürfnis heute befriedigt??
    Ich denke die Befriedigung ist nur möglich, wenn du fähig bist diesen Wunsch auch nach aussen zu signalisieren. Ich kann mir gut vorstellen, dass du aufgrund deiner Vorgeschichte ganz andere Signale sendest. Vielleicht eher: 'Ich bin stark, ich komme alleine klar, ich kann mit diesen Gefühlsduseleien nix anfangen'. Vielleicht fühlst du dich sogar eher bedrängt, wenn dir jemand ungewohnt warmherzig und liebevoll entgegen kommt ? Ganz tief in dir ist aber immer noch das kleine Kind, dass nach Nähe, Zuwendung und Geborgenheit hungert

    Ich verspüre den Wunsch nach Nähe und Geborgenheit sehr stark, besonders seit meiner Trennung von meiner Ex Anfang des Jahres. Leider wird dieser Wunsch eher wenig bis gar nicht befriedigt. Es ist genauso wie du schreibst dass ich nach außen die
    falschen Signale sende. Ich bin sehr vorsichtig und misstrauisch zu anderen Menschen. Nach außen hin zeige ich mich immer als den coolen, fleißigen und zuverlässigen Menschen der alles im Griff hat. Das Gefühl von Anerkennung habe ich in den letzten Jahren nur Beruflich erfahren und mich da voll rein gesteigert so dass ich jetzt fast immer 6Tage die Woche arbeiten gehe. Seit meiner Abstinenten Zeit ist auch mein Freundeskreis auf ein Minimum gesunken. Was auch viel damit zu tun hat das ich so viel arbeiten gehe. Richtige Freundschaften habe ich nur noch zu 2 anderen Leuten die ich schon seit vielen Jahren kenne. So richtig clean sind die aber auch nicht. Weibliche Freundschaften
    habe ich gar nicht eher flüchtige Bekanntschaften. Familiär ist es auch nicht besser meine Mutter ist schon vor 13Jahren an ihrem Alkeholkosum gestorben und zu meinem Vater besteht seit 15Jahren auch kein Kontakt als ich ins Heim kam wegen Häuslicher Gewalt.
    Besonders an Sonntagen also Tagen wie heut macht sich der Wunsch nach Zuwendung, Geborgenheit und Nähe stark bemerkbar. An diesen Tagen fühle ich mich oft allein und einsam und hoffe dass der Tag schnell vorbei geht und die neue Arbeitswoche beginnt.


    grany

    Vielen Dank für deine Tipps, das mit der Tabelle werde ich auf jeden Fall mal versuchen.
    Doch sehe ich jetzt schon dass dieser weg viel schwerer werden wird als der von den Drogen weg zu kommen. Aber ich bin froh das ich mir
    dafür Hilfe geholt habe und auch das ich mich hier angemeldet habe.
    Bin sehr beeindruckt wie viel Erfahrung und Wissen in diesem Forum steckt. :bet:


    Ich werde euch hier weiter auf dem Laufenden halten wie es bei mir voran geht und welche Fortschritte oder Rückschläge ich gemacht habe.


    Grüße Rantanplan

  • Hallo

    Heute hatte ich wieder einen Termin bei bei meiner Suchtberatung. Wir sprachen über meine Hausaufgabe und wie ich meine Freizeit so verbringe. Meine Therapeutin fragte mich dann wie ich meine Lebensqualität beurteilen würde. Ich sagte dazu: "ganzgut eigentlich, ich habe eine sichere Arbeit und kann mir auch mal was leisten wenn ich was sehe was ich haben will." Sie schaute mich skeptisch an aber nahm das erst mal so hin. Auf dem weg nach Hause und auch jetzt lässt mich der Blick von meiner Therapeutin grübeln ob sie mit Lebensqualität nicht was ganz anderes gemeint hat oder ich es nur mal wieder falsch verstanden hab. Um so mehr ich darüber nachdenke glaube ich das es nicht nur wichtig ist ob man ein paar Taler in der Tasche hat und sich mal was kaufen kann sondern ob man glücklich und zufrieden mit sich und seiner Umwelt ist. Denn das bin ich sogarnicht mit mir. Ich glaube das ich das nächste woche nochmal ansprechen werde wenn mir mehr dazu eingefallen ist. :18:

    Grüße Rantanplan

  • Hi Rantanplan,

    das Deine Therapeutin Dich da skeptisch angesehen hat ist doch normal. Du hast den Begriff Lebensqualität auf die materielle Absicherung reduziert. Aber damit reduzierst Du den Begriff Lebensqualität auf Wohlstand. Das ist aber nur ein Punkt, der zur Lebensqualität gezählt werden kann.

    Wie zufrieden bist Du mit Deiner Lebenssituation innerhalb Deines nahesten Umfeldes, mit der Partnerschaft und mit der vorhandenen Wohnsituation ?
    Wie sieht es denn mit dem eigenen Wohlbefinden aus, im Kreise der gesamten Familie/Verwandten oder im Freundes-/Bekanntenkreis ?
    Wie zufrieden bist Du mit dem was Du bisher erreicht hast und bist Du glücklich und zufrieden in Deinem Beruf ?
    Wie zufrieden bist Du mit Dir selbst ?

    Ich könnte sicher noch etliche Fragen stellen aber Lebensqualität hat ja doch mehr mit der Gesamtheit Deiner Lebenssituation zu tun. Der soziale Status, die vorhandene Bildung,die eigene Gesundheit usw.usw.....das spielt ja alles eine Rolle bei der subjektiven Empfindung und Wahrnehmung der eigenen Lebensqualität.

    Da scheinst Du anscheinend auch noch Redebedarf zu haben. Mach Dir dazu doch einfach ein paar Notizen wenn Du das Thema etwas tiefergehend bearbeiten willst.

    LG Siegfried

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