Aufarbeitung der Kindheit

  • Hallo,

    ich finde es sehr wichtig, meine Kindheitserlebnisse aufzuarbeiten.
    Deswegen ein paar Gedanken und Erzählungen von mir.
    Vielleicht hilft es auch den ein oder anderen zu hören, wie es mir so ergangen ist.

    Sich dessen bewußt werden, wie die Eltern mit einem in Wirklichkeit umgegangen sind und nicht wie sie vorgeben,gewesen zu sein.
    Um sich vor der eigenen Wahrheit zu schützen, die die Kindheit in einem ausgelöst hat, verdrängt man diese.


    Die Eltern haben ihr Kind zum Gehorsam und gutem Benehmen erziehen wollen. Im Zuge dessen, durfte das Kind nicht weinen, seine Gefühle nicht äußern.
    Ob man nun als Kind körperlich oder seelisch mißhandelt wurde, es ist beides grausam!

    Ich habe das oft genug bei mir gemerkt,wie ich das alles verdränge. Ich kann doch nicht behaupten, meine
    Eltern wären schlecht zu mir gewesen! Sie sagen ja ständig, sie wollen nur das beste für mich!
    Alles haben sie getan! Ich hatte doch alles! Wieso bin ich nicht dankbar, sondern beklage mich?

    Sie haben es geschafft, dass ich mich schuldig fühle. Wie kann ich nur???
    Es wurde mir gesagt, ich denke zu viel nach. Meine "Freunde" wären schuld an der ganzen Misere!
    Und jetzt, jetzt soll ich gefälligst die Klappe halten. Ist doch alles schon so lange her. Das muß man doch mal
    vergessen!
    Im gleichen Atemzuge steht meine Mutter da und schaut verzweifelt drein, wenn sie mir erzählt,
    dass ihre Mutter sie nicht geliebt hat, dass sie nur funktioniert hat und nie was recht machen konnte!
    Na Mama, wieso kannst Du nicht einfach vergessen? Ist doch schon so lange her!

    Es ist egal, was ich sage, der Zug ist abgefahren. Meine Eltern haben so ihre Taktiken entwickelt
    um alles zu leugnen und den Schmerz der eigenen Kindheit nicht fühlen zu müssen. Doch ehrlich gesagt,
    könnt ich jeden Tag aufs neue kotzen, weil ICH den Scheiß nun aufarbeiten darf. Hätten sie
    nicht damit anfangen können, anstatt dauernd alles zu leugnen???

    Grad eben hab ich wieder gelesen, was passiert, wenn man die Kindheit nicht aufarbeitet.
    Dann hab ich meinen Vater vor mir gesehen. Der sagt, dass ihn sein Vater geschlagen hat, es ihn
    aber nicht geschadet hat. Und er mit Stolz in der Stimme sagt, ich habe es ihm nicht übel genommen,
    bin immer zu ihm gestanden.
    Und was hat er als Erwachsenener entwickelt? Kontrolle und Macht wollte er über seine Ehefrau
    haben. Seine inneren Spannungszuständen hat er mit Geschimpfe und Runtermachen von mir kontrolliert.
    Dann gings ihm besser. Ich wurde aggressiv und habe mich gegen ihn gewehrt, desto mehr gab er mir
    das Gefühl, ich wäre ein schlechtes Kind. Ich habe oft heute noch das Gefühl, er hätte gern ein anderes
    gehabt. Nichts was ich tat war gut genug.
    Wenn man als Kind seine Gefühle nicht ausleben darf, entwickelt man einen guten Intellekt.
    Genau das habe ich erlebt. Ich hatte super Noten, ich war die beste im Lesen, Schreiben und Rechnen
    in der 1. Klasse. Und noch heute hab ich das Gefühl, ich werde nie genügen.
    Derweil wäre es genau das, was mein Seelenheil ausmachen würde. Wenn er mal sagen würde, dass
    ich ein toller Mensch wäre. Tja...und da sitz ich und warte vergebens drauf. Und mühe mich ab, die
    Schatten meiner Kindheit loszuwerden! Arbeite dran, dass ich mich selber spüre. Frage mich, was
    ich grad fühle und versuche nicht, ständig wie ein gefühlsloses Wesen rumzurennnen.

    Dieses Leugnen von beiden macht mich wahnsinnig. Das sie das auf mich abschieben, dass ICH so geworden bin.
    Das finde ich das grausamste, was sie mir je angetan haben!

    Meine Eltern sagen ständig, sie hätten mir doch geholfen! Als ich am Boden lag, wer war da???
    Ja NUR meine Eltern. Und WER hat mich da reingebracht??? Meine Eltern!!!!!

    Ja leugnet es nur, setzt euch mit dem Schmerz nicht auseinandern. Erklärt mich für verrückt!
    Ich bin so froh,dass mir so viele Leute gesagt haben, dass ich richtig empfinde. Das ich richtig
    bin und ihr falsch!!!! Nichts an mir war und ist falsch!!!!

    Ich finde, es ist MEIN Weg, mich mit meiner Kindheit auseinanderzusetzen. Mit den ganzen Verletzungen, die
    mir angetan wurden. Und deswegen red ich hier so oft über meine Eltern. Ich habe manchmal das Gefühl,
    dass hier gedacht wird, "ach, hätte sie sich doch mal von den Eltern gelöst" oder "Wieso ist
    sie nicht weggegangen" oder sonst irgendwas.

    Ich kann weit genug weg rennen, aber einholen wirds mich immer wieder, es sei denn
    ich arbeite es auf. Und das ist der Grund,wieso ich hier ständig über meine Eltern und Kindheit
    labere. Nicht, weil ich "hängen geblieben" bin. Ich wollte das mal klarstellen.

    lg

    eternal

  • Hallo eternal.
    Ich bin noch nicht so lange hier und habe deswegen noch nicht sehr viel von dir gelesen. Aber dieser Beitrag hier hat mich gerade sehr bewegt, weil du vieles aussprichst, was bei mir ähnlich gelaufen ist.
    Ich finde es auch sehr mutig, was du schreibst. Vielleicht hast du ja Lust, dich mal mit mir auszutauschen, wenn ich aus dem Urlaub zurück bin. Oder ich schaffe es dann vielleicht, meine Geschichte auch hier zu erzählen. Alles mal rauslassen ist sicher ein gutes Gefühl.
    Wenn du Lust hast, meld dich einfach bei mir, ich bin ab dem 16.3. wieder im Lande.
    Alles Gute dir,
    Sant

  • Nicht Gefühle zeigen, funktionieren, und "du hattest doch alles, bist also selber schuld"...das kenne ich nur zu gut.
    Und wegglaufen kann man nicht, ich bin direkt nach `m Abi weg zum studieren, dann nach Italien, möglichst immer weit weg von meinen Eltern, doch innerlich waren sie immer da. War immer das Gefühl da, nicht akzeptiert zu sein, in dem was man macht, nicht geliebt zu werden.

    Ich finde sehr viele Parallelen in deinem Text, eternal.
    Meine Eltern haben auch einen Sack voller Probleme, die sie schon aus ihrer Kindheit mitschleppen, aber "sie stellen sich im Gegensatz zu mir nicht an".
    Und dieses leugenen, aus Angst selbst zuzsammen zu brechen, macht mich auch krank.
    Meine Schwester hat seit 10 Jahren Depressionen, mein Bruder kann nicht alleine sein und ich distanziere mich immer mehr...doch meine Eltern wollen ihre heile Welt weiterspielen und sprechen mich schuldig, weil ich nicht mitspiele.

    In einer Reha, die ich gemacht habe, sagte mal ein Therapeut zu mir, "Sie warten ja immer noch auf ihre Eltern, dass sie zu ihnen kommen und ihnen die Liebe und Geborgenheit geben, die sie nie hatten"...und das stimmt. Nur war es mir nie bewußt, ich fühlte mich immer stark und meinte, darauf verzichten zu können. Wie man es von zu Hause mitbekommen hat, sich nicht anstellen.
    Aber ich glaube mittlerweile, dass Stärke dazu gehört, "sich anzustellen", zu sehen, was einem immer gefehlt hat und sich auch verletzlich zu zeigen.
    Nach zwei Jahren Therapie fane ich langsam an, dass zu fühlen und auf zu arbeiten...und es gibt mir manchmal eine gutes Gefühl, was ich vorher nicht kannte. Ein Gefühl, dass ich ich bin und keine Marionette in dieser Welt, die immer schuld hat.

    Von daher, solange man nicht in seiner Vergangenheit ertrinkt oder Psychoanalyse zu seiner neuen Religion macht, ist sehr hifreich, seine Kindheit auf zu arbeiten. Wer dies abtut, sollte vielleicht auch mal näher bei sich hinschaun...ich habe eine Freundin mit einer tollen Familie, die eine glückliche Kindheit hatte, und auch sie hat ein paar mal hingeschaut und fand es interessant.

    Saludos Bella

  • Guten Tag eternal,

    also ich hab mir vor ein paar Tagen den Text durchgelesen und ich finde es sehr gut, dass du das so sehen kannst!
    Viele verdrängen die Wirklichkeit und du siehst zurück auf das was geschehen ist und das was somit anhält ...
    Das ist wirklich schon ein großer Schritt, wie ich finde.
    Zu erkennen was war!

    Alles leibe und gute in der Zukunft!
    glg Zyna

  • Hallo eternal,

    wie du ja weißt, hatte und habe ich ähnliche Probleme mit meinen Eltern. Von daher hätte das meiste aus deinem Beitrag auch von mir sein können..

    Aber ich hab' grad Bedürfnis was zu dem "richtig und falsch" sagen zu wollen.
    Ich finde nicht, dass es ein "richtig" oder "falsch" so in dem Zusammenhang gibt. Es gibt "nur" unterschiedlich Wahrnehmungen, aber keine davon ist entweder richtig oder falsch. Jeder hat seine eigene und für jeden ist seine somit die Richtige!
    Wahrscheinlich meinen wir da aber schon das Gleiche :winking_face:

    Ich geh' davon aus, dass du ja selbst auch weißt, wie wichtig es ist oder wäre, sich endlich von den Eltern zu lösen.
    Mir wurde das auch häufig gesagt - Und obwohl ich das auch schon immer so gesehen habe, war es lange Zeit dennoch nicht mal in Ansätzen machbar für mich. Ich weiß also aus eigener Erfahrung, dass das alles andere als einfach ist. Denn wie Bella das schon so treffend gesagt hat - oder ihr Therapeut - man wartet irgendwie immer darauf, dass von den Eltern etwas kommt, Liebe, Geborgenheit, Verständnis! Oder zumindest hat man sehr starke Hoffnung darauf, dass das irgendwann passieren wird! Auch wenn man andererseits nicht wirklich daran glaubt!
    Ich war auch ziemlich getroffen, als meine Therapeutin mir das zum ersten Mal an den Kopf geknallt hat. Natürlich wusste und weiß ich, dass sie damit richtig liegt. Aber so nach und nach merke ich nun auch, wie ich mich von dieser Erwartung, dieser Hoffnung verabschiede! Dass sich so Gedanken wie "Sie müssen mich doch lieben, und für mich da sein, schließlich sind sie meine Eltern! Sie haben (in meinem Fall) nur dieses eine Kind, da sind sie nun mal verantwortlich dafür, dass es mir gut geht und ich mich wohlfühle" immer weiter entfernen!
    Denn sie müssen nun mal einfach gar nichts. Für mich gesorgt haben sie soweit ja, ich "hatte ja alles", was es zum Leben braucht. Ja, alles, außer Liebe, Geborgenheit etc.!

    Materiell gesehen ging es mir als Kind nicht schlecht, das stimmt, aber die wichtigen Dinge, das Zwischenmenschliche oder Gefühle, das haben meine Eltern bei mir da echt verpasst - verpasst mir beizubringen!
    Ich weiß, dass es noch einiges an Arbeit bedarf, bis ich irgendwann so weit bin ihnen das zu verzeihen!
    Ehrlich gesagt, ist es mir immer ziemlich egal, warum sie solche Dinge versäumt haben. Es macht für mich keinen Unterschied, ob sie es nicht wollten oder aus irgendwelchen Gründen nicht konnte. Fakt ist, sie haben da einen sehr wichtigen Teil versäumt, die daraus resultierenden Probleme hab' ich am Hals und steh' nun auch allein damit da, diese zu bewältigen. Denn wie deine Eltern zeigen auch meine keinerlei Einsicht oder Verständnis für irgendwas, das ich anspreche!


    Jedenfalls wünsche ich dir noch viel Erfolg für DEINEN Weg, eternal. Und hoffe, dass du dich nicht unterkriegen lässt, auch wenn da immer wieder mal Rückschläge vorkommen werden!

    Das Abgrenzen von den Eltern ist immer schwer! Irgendwie dachte ich immer, dass man das nach der Pubertät hinter sich hat, oder jedenfalls meistens, und dass es dann einfacher wird sich zu distanzieren und nicht jedes Aufeinandertreffen in Streit ausartet. Aber ich seh's ja an mir, dass ich das Problem heute noch habe und es mich wohl auch noch eine Zeit lang begleiten wird...
    Aber wir kennen ja unser Ziel, wissen, was wir für uns selbst erreichen wollen, und wenn wir das nicht aus den Augen verlieren, dann schaffen wir es auch dahin! :smiling_face:


    Liebe Grüße
    Fibra.

  • Hallo Eternal.

    Ich kenne all das. Und auch ich empfinde es so, dass du es genau richtig machst. Ich bin vielleicht keine gute Ratgeberin, weil ich, was meine Familie betrifft, ziemlich hart gegen gegangen bin.
    Ob es richtig war, weiß ich nicht.

    Ich habe mit 21 ein Kind bekommen.

    Als er heran wuchs, wurde ich an vieles erinnert, regelmäßige Flashbacks. Die Beziehung zu meinem Kind war schwierig und ich total unglücklich.

    Dein Selbstwertgefühl ist noch vorhanden. Du bist es dir "wert",
    dass man dir Respekt entgegen bringt.
    Du möchtest einfordern, was dir eigentlich zusteht.

    Ich kann nur von meinen Erfahrungen berichten.
    Menschen, die so verbohrt sind, werden sich solch große Fehler nie eingestehen.
    Man bettelt da einer Sache hinterher, die nie geschehen wird.
    Das war wohl das erste, was ich erst einmal begreifen musste.
    Dann erst konnte es weiter gehen.

    Liebe Grüße

    Mytears

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