Hallo,
ich bin neu hier und habe mich aus Verzweiflung angemeldet, um mich endlich mal mit anderen Angehörigen Suchtkranker austauschen zu können. In der Familie meines Freundes war das nie wirklich Thema, zumindest nicht in Gesprächen.
Ich möchte ein bisschen von uns erzählen. Wir haben uns im November 2016 kennengelernt und mein Freund hat anfangs sehr darum gekämpft, dass ich mich auf ihn einlasse. Mir war anfangs nicht sehr daran gelegen, da eine Fernbeziehung zwischen Hamburg und Bayern nicht gerade das war, was ich mir für meine Zukunft vorgestellt habe. Er hat sich aber wirklich richtig viel Mühe gegeben und so kam es, dass ich mich doch in ihn verliebt habe. Anfangs ist mir nie was aufgefallen, dass es ihm schlecht gehen würde, da hatte er sich offenbar gut im Griff. Nach 3-4 Monaten allerdings gab es immer häufiger Tage, an denen er verschwunden war, an denen er zu kaputt war um mit mir zu reden, an denen er einfach keine Lust hatte, in Kontakt mkt mir zu treten. Da kam es natürlich oft zu Streits, weil ich absolut nich wusste was los war und weil ich das ganze natürliche - typisch Frau - auf mich bezogen ja habe. Nach ca. einem halben Jahr Beziehung hat er mir dann von seine seiner Kokainsucht erzählt und ich war absolut geschockt. Ich war allerdings schon so weit mit meinen Gefühlen, dass ich deshalb nicht einfach Schluss machen konnte. Also habe ich mich darauf eingelassen, habe ihm versprochen, für ihn da zu sein, da er mir gesagt hat, er wolle raus aus der Sucht. Er hat sich dann in Hamburg an eine Suchtberatung gewendet, ist dort auch mehr oder weniger regelmäßig hingegangen. Trotzdem ist sein Konsum und sein kaltes Verhalten mir gegenüber immer unerträglicher geworden.
Daher habe ich im August eine Beziehungspause eingelegt, um mich selbst zu schützen. Nach einem
Monat ist es mir so schlecht gegangen, dass ich zu ihm zurückgegangen bin und das Spiel begann von vorne.
Ab dem Zeitpunkt ist eine dreimonatige Kurzzeittherapie immer konkreter geworden. Im Dezember ist sie dann endlich bewilligt worden, im Januar ging es schon los. Drei Wochen Entzug, drei Monate Therapie. Das hat er durchgehalten und als er rauskam, war er wie ein neuer Mensch. So lieb und motiviert, so zukunftsorientiert habe ich ihn noch nie erlebt. Ich war so naiv zu glauben, dass der Albtraum nun vorbei sei.
Falsch gedacht, der Albtraum fing ziemlich schnell von vorne an. Nach der Therapie hat er mich einige Wochen lang besucht, hat seinen Jahresurlaub hier verbracht. Da war noch alles super. Er hat Sport gemacht, wollte Dinge unternehmen, ein Umzug nach Bayern ist immer konkreter geworden. Als sein Urlaub vorbei war, ist er nach Hamburg zurückgekehrt und nach sage und schreibe 2 Tagen (!) dort, hat er wieder angefangen zu konsumieren. Zwei Wochen lang hat er mehr Kokain genommen, als jemals zuvor. Er war tagelang verschwunden im Exzess, seine Familie und Freunde haben ihn im Hamburg gesucht, ich habe die Krankenhäuser abtelefoniert. Nachdem er wieder aufgetaucht war, habe ich ihm direkt ein Ticket gebucht, dass er wieder nach Bayern kommen konnte. Ab diesem Zeitpunkt hat er sich krankschreiben lassen, jetzt ist September und ein Ende der Krankschreibung ist nicht in Sicht. Er geht zu einem Neurologen, der ihm fleißig Antidepressiva verschreibt. Ist natürlich super in Kombination mit Kokain und Alkohol und Schlaftabletten.
Naja, hier hat er wieder aufgehört zu konsumieren, war aber tatsächlich tief in einer Depression. Er war nur noch flegmatisch, lag auf der Couch und schaute YouTube Videos. Er war zu nichts mehr zu gebrauchen und da ist mir erst richtig klargeworden, wie labil er wirklich ist. Sein Sport war vergessen, sein Hobby Angeln auch, er ging nicht mal mehr wirklich raus um seine geliebten Zigaretten zu rauchen.
Von Sex war keine Rede mehr, monatelang lief gar nichts (ach guten 1,5 Jahren Beziehung im Alter von meinen 28 Jahren und seinen 31 Jahren). Das einzige was er noch gemacht hat, war sich eine gemeinsame Zukunft in Bayern auszumalen. Er hat davon phantasiert, hier zu leben, hier eine Umschulung zu machen, Kinder zu bekommen, er wollte sich Hühner holen und einen Hund. Haha.
Anfang August hatte er dann auf Schlaftabletten und Alkohol seinen ersten extremen Absturz in Bayern, ich musste nachts mit meiner Mutter (!) losgehen und ihn suchen. Er hat randaliert, hat ein Fahrrad geklaut und würde Gott sei Dank beim Fahren nicht verletzt.
An dem Punkt habe ich es ihm zur Bedingung gemacht, eine weitere Therapie zu machen, anders könne unsere Beziehung nicht weitergehen.
Versprochen hat er es hoch und heilig. Naja, die Lethargie ging noch einen Monat weiter, bis er am 5. September zurück nach Hamburg geflogen ist, um alles für den Umzug zu klären. Ich wusste, dass das in seiner Lethargie nicht passieren würde, sondern dass es bis zum nächsten Konsum nur ein paar Tage dauern würde. Ich sollte Recht behalten. Am Mittwoch Abend ist er geflogen, am Samstag hat er getrunken, am Montag konsumiert. Es waren also wieder sage und schreibe 5 Tage in Hamburg, die er „clean“ war.
Naja, ich habe ihn dann montags gefragt, ob das mit der Therapie noch aktuell sei. Er verneinte und hat damit indirekt die Beziehung beendet. Bis Freitag hat er jeden Kontakt abgeblockt, Freitag Abend haben wir dann telefoniert. Er sagte, er wolle die Beziehung beenden, um endlich mal wieder in Ruhe konsumieren zu können, um nichts vor mir vertuschen zu müssen, um niemanden zu haben, der ihm hinterhertelefoniert und fragt, wo er sei etc.
Das ist der Stand jetzt, für mich ist definitiv Ende.
Aber: wie soll ich damit umgehen? Wie soll ich klarkommen damit, dass er sich jetzt komplett zugrunde richten wird? Ich fühle mich verantwortlich für ihn, obwohl ich weiß, dass ich es definitiv nicht bin. Er hat mich mit seiner Sucht so in Mitleidenschaft gezogen, dass ich mir einen Termin bei einer Psychologin habe geben lassen. Ich weiß nicht, wie ich mit dem Gedanken umgehen soll, dass er sich geistig und körperlich zerstören wird. Denn das wird er, da besteht für mich kein Zweifel. Er hat einige Male Dinge in die Richtung gesagt, er wolle am liebsten von der Brücke springen etc. - ich kann das alles nicht mit dem Mann vereinen, in den ich mich verliebt habe ?
Sorry für den langen Text, ich danke jedem von euch, der ihn bis zum Ende liest.
Eva