Männlich und Essstörung?

  • Hallo.

    Das hier ist das 1. Thema, das ich hier eröffnet habe und auch der Grund weshalb ich mich hier angemeldet habe.

    Ich weiß nicht, ob ich schon in die Magersucht rutsche oder nicht. Ich bin 22, m, 164cm groß und wiege 42kg.

    Mei Verhalten entspricht nicht dem typischen Krankheitsbild. Ich finde mich selbst dürr, ich finde es hässlich und möchte auch nicht so aussehen.

    Mir ist durchaus bewusst, dass es nicht schön ist und auch ist mein Bild von meinem Körper sehr realistisch und nicht verzerrt. Meine Gedanken kreisen sich auch nicht 24/7 ums Essen.
    Es gibt also Vieles, das nicht zu dem Krankheitsbild passt.

    Mir geht es ausschließlich darum, dass sich um mich gesorgt wird. Ich möchte wissen, ob es Leute gibt, die sich dafür interessieren wenn es mir schlecht geht. Ich wünsche mir dass ich zusammenbreche, aber so richtig ist das noch nicht passiert.

    Ich bin in schwierigen Verhältnissen groß geworden. Alkoholkranker, schlagender Vater, nie stolz, immer das Gefühl bekommen überflüssig zu sein.

    Ich möchte aber nicht mehr überflüssig sein, sondern besonders.

    Ich fühle mich auch etwas unwohl, weil es heißt es sei eine typische Frauenkrankheit.So fällt es mir schwer mich es zu verstehen. Ich weiß nicht mal ob es schon krank ist, oder noch normal. Oder ob es was anderes ist. Ich esse ja. Ich habe heute einen Teller Reis gegessen und gestern habe ich auch einen Hamburger gegessen.

  • Hi siam96,

    so ungewöhnlich oder a-typisch finde ich das gar nicht. Was du beschreibst klingt nach sekundärem Krankheitsgewinn. Es geht wahrscheinlich primär gar nicht darum, ob du schon körperlich krank bist - psychisch scheint da doch was vorhanden zu sein, oder?

    Fraglich ist, wird dein Bedürfnis nach Zuwendung auch dadurch erfüllt? Oder ist das deine Vorstellung, dein Wunsch?

    Ist das dann echtes Interesse, wenn sich Personen für dich interessieren, wenn du dich partiell umbringst? Oder wird dann nur eine Krankheit beachtet? Bist das wirklich du als Person die da "gesehen" wird?

    Sprichst du auch mal über das Gefühl "nicht gesehen" zu werden oder "nicht interessant" (bzw. was du da eben so empfindest)?

    Welchen "gesunden" Weg gibt es, gesehen zu werden?

    Und ist das Bedürfnis, dass du versuchst über die Krankheit zu füllen ein gesundes oder eher überzogen? ist deine Wahrnehmung, dass es fraglich ist, ob sich jemand für dich interessiert real oder bereits so verändert, dass du dich auf abstruse Weise der Bindungen zu versichern versuchst, die du auf normale Weise nicht bestätigt bekommst/lassen kannst? Nicht weil dir das Umfeld das zu wenig rückmeldet, sondern weil die Rückmeldung nicht so bei dir ankommt?


    Wenn du die schwierigen Verhältnisse erwähnst - passiert das wahrscheinlich nicht ohne Grund. Vielleicht musstest du dich auf ungesunde Weise der Zuwendung deines Vaters versichern, weil es eben auf gesund nicht ging und ein Kind Zuwendung braucht um zu überleben. Jetzt bist du erwachsen, willst du das Muster ändern oder weiter füttern, indem du versuchst, Bindungs-Feedback über die Methode "Krankheit" zu "erzwingen"? Ist nur eine Theorie, aber du kannst das ja mal bei dir überprüfen.

    Es sollte doch eine bewusste Entscheidung sein, wie du deine Beziehungen zu Menschen lebst und nicht etwas, was einem kindlichen Automatismus entspringt.

    Fragen über Fragen, aber vielleicht hilft dir das ein oder andere, dich/dein Verhalten zu reflektieren.

  • Hi :grinning_squinting_face:
    Danke für deine Antwort.

    Ja, also es bringt schon was. Z.B. haben wir als Familie fast nie miteinander gesprochen. Jetzt essen meine Mutter und meine Schwester mit mir zusammen am Tisch. Sie wollen dass ich mehr esse, aber wenn ich es wieder ganz normal tue dann interessiert es sie nicht mehr und wir sprechen wieder nicht wirklich.

    Ich wüsste keinen Weg, wie man sonst zusammenhält. Und ich hab früher viel für meinen Vater getan und meine Bedürfnisse zurückgestellt und mich um ihn gekümmert, damit es ihm gut geht. Aber es hat ihn nicht interessierter hat sich stattdessen umgebracht und seinen Selbstmord so inszeniert, dass ich ihn finden musste.

    Ich glaube schon, dass sie sich jetzt auch für mich interessieren und sich dafür interessieren, wenn es mir nicht gut geht.

    Meinen Freunden erzähle ich nichts davon, weil ich mich schäme. Sie denken es ist was körperliches. Ich weiß nicht wieso, aber in mir drin ist immer der Gedanke, dass ich wertlos bin.
    Aber wenn ich es durchziehe und das Gewicht erreiche, das ich mir als Ziel gesetzt hab, weiß ich, dass ich einem doch gerecht werden kann und Erwartungen, die man an mich stellt erfüllen kann

  • Hi siam96,

    die Frage ist doch: welche Erwartungen hast du denn an dich selbst? Bist du nur wertvoll, wenn du die Erwartungen von anderen erfüllst? Sind deine Erwartungen an dich realistisch gesetzt oder über- /unterfordernd? Sodass das gar nicht "gut" für dich ausgehen kann?

    Solange der gefühlte sekundäre Krankheitsgewinn höher und angenehmer ist, als der "Kampf" zur körperlichen Gesundheit, wird es vermutlich schwer, da Ziele zu erreichen, oder?

    Bist du in Therapie oder denkst drüber nach? Vielleicht wäre ein bisschen Unterstützung dabei, neue Muster bzw. deine Wertlosigkeit zu bearbeiten, gut? sowas lässt sich selten alleine schaffen. Da ist ja ein (Selbstwert-) Mangel in deinem Innern und meiner Erfahrung nach, kann das durch nichts im Außen gefüllt werden. Höchstens kurzfristig gedeckelt. Da muss sich erst was innerlich verändern, damit das äußerlich folgt/so wahrgenommen werden kann. Zumindest ist das der klassische Verlauf :winking_face:

    Hast du versucht, deiner Mutter und deiner Schwerster direkt zu sagen, dass du das vermisst am Tisch? Und hast du selbst bereits versucht, von dir was zu erzählen, ohne dass sie den Schritt auf dich zugehen mussten? Wenn ja, wie war das dann?

  • Ich weiß nicht mehr welche Erwartungen ich an mich habe, weil ich mich darin verloren habe.
    Ich möchte immer mehr und immer besser sein und werden. Ich defieniere mich über meine Leistung, denn Erfolg ist das Einzige, das mir Selbstvertrauen geben kann.

    Ich bin nicht in Therapie. Ich habe mich schon bei mehreren gemeldet, aber die Wartezeiten sind sehr lang. Ich warte etzt seit ca. 7 Monaten. Ich will da aber eher eine Traumatherapie machen, weil ich den Mord nicht mehr vergessen kann und ich mir viele Gedanken darüber mache.

    Ich spreche sie manchmal darauf an, dass wir überhaupt keine Familie sind und dass ich keine Lust mehr habe, sich immer nur anzuschweigen. Mein Stiefvater ist auch Alkoholiker und alle richten ihr Leben nur nach ihm. Aber will das nicht, ich will auch mal endlich ich sein können und auf mich achten. Und da ich mich hasse muss ich es irgendwie kompensieren. Ein gutes Studium reicht mir nicht, ich will mehr, aber nie reicht es.

    Du musst dir die Motivation mit dem abnehmen ca. so vorstellen: Du willst erfolgreich werden, du willst Kontrolle über dein eigenes Leben haben. Du tust und machst, du arbeitest dich hoch und der Erfolg den du erntest gibt dir bestätigung und belohnt dich für deinen Ansporn. Aber irgendwann merkst du, dass du dich überarbeitest hast und brichst zusammen. Es macht dich schwach, du leidest psychisch und körperlich. Und du weißt, dass du kaputt gehst wenn du weiter machst. Aber wenn du es sein lässt wirst du arm. Du bist abhängig von Anderen und wirst der Joblose Versager, der in den Tag hineinlebt und nicht mehr weiß was er mit sich anfangen soll.

    Vielleicht war das Beispiel jetzt etwas dumm gewählt, aber ich habe versucht meine Grfühle anhand des Beispiels zu visualisieren. Diese Situation können die Menschen denke ich nämlich besser nachvollziehen. Damit meine ich im Grunde, dass die sinkenden Zahlen auf der Waage die Ziele sind, die ich erreicht habe, die Aufmerksamkeit erregen und der Lohn dafür sind, dass ich konsequent geblieben bin. Aber gleichzeitig weiß ich, dass ich schwach bin. Ich weiß dass es mich krank macht, dass mein Körper daran zerbricht. Aber ich habe Angst davor alles aufzugeben und plötzlich ziellos zu sein und unbedeutsam zu werden.

  • Hi siam96,

    hey, cool, dass du dich um eine Traumatherapie kümmerst! Davon profitierst du bestimmt.

    Vielleicht brauchst du die ES-Strategie derzeit auch einfach noch. Allerdings wäre es halt gut, wenn du es nicht zu destruktiv werden lässt, sprich akkut gesundheitsgefährdend. Zumindest bis du es ändern kannst. Hast du dich deswegen schon mal an einen Arzt gewandt um das einschätzen zu lassen?

    Zitat

    Ich spreche sie manchmal darauf an, dass wir überhaupt keine Familie sind und dass ich keine Lust mehr habe, sich immer nur anzuschweigen.

    Das ist doch schon mal mutig. Allerdings hast du wohl nie gesagt, was das mit dir macht, oder?

    Allerdings, ...

    Zitat

    Mein Stiefvater ist auch Alkoholiker und alle richten ihr Leben nur nach ihm

    ist das ja auch was sehr heftiges. Insgesamt scheinen die Familienverhältnisse nicht konstruktiv zu sein. Da hilft dann wohl auch ein Ansprechen deiner (Gefühls-)lage nicht. Du wohnst noch Zuhause und studierst, richtig? Wie schaut es damit aus, dich von deiner Familie abzugrenzen, sprich auch alleine zu leben? Gibt auch so Psycho-Theorien, v.a. bei Essstörungen, dass die Person krank sein "muss(te)", aufgrund der Familienstruktur.

    Zitat

    Du musst dir die Motivation mit dem abnehmen ca. so vorstellen: Du willst erfolgreich werden, du willst Kontrolle über dein eigenes Leben haben. Du tust und machst, du arbeitest dich hoch und der Erfolg den du erntest gibt dir bestätigung und belohnt dich für deinen Ansporn. Aber irgendwann merkst du, dass du dich überarbeitest hast und brichst zusammen [...]

    Nö, blöd finde ich sowas keinesfalls. Aber auffällig, dass du das "du" wählst und nicht das ich. Noch auffälliger, dass du schreibst, du visualisierst Gefühle... aber von Gefühlen habe ich hier nichts lesen können :smiling_face: Ich hab keine Ahnung, wie du dich dabei fühlst. Ich weiss, wie ich mich fühlen würde, aber ich denke in solchen Situationen nicht so.

    Bei mir kommt dann sowas: "ja, ne, dass sind krankheitsbedingte Schwarz-Weiss-Gedanken. Entweder ich bin gar nichts und arm oder ich zerstör mich um zu funktionieren. Aber ich weiss, dass das keine reale Basis hat, sondern es auch was außerhalb des entweder-oder gibt und ich mich durchaus jederzeit verändere. Und ich weiss, dass solche Gedanken eine Ohnmacht und Hilflosigkeit auslöst, die mich daran hindert, mein Verhalten zu ändern. Es sind krankheitsaufrecht erhaltende Gedanken ohne reale Grundlage sondern nur aufgrund von alten Mustern, etc. Also mache ich kleine korrigierende Erfahrungen um zu lernen, dass es auch was außerhalb gibt, ohne dass ich die Panik nicht aushalten kann. Real gesehen heisst es nicht den totalen Kontrollverlust, wenn ich ein Kilo zunehme, das ist eine Angst, die keine reale Grundlage hat. In Wirklichkeit habe ich Kontrolle, wenn ich mich frei dafür entscheiden kann der Angst zu folgen oder nicht ohne in Panik vor Konsequenzen zu sein oder die Auswirkungen nicht ertragen zu können. etc etc...." - jetzt nur als Beispiel. Aber vielleicht hilft dir das, wenn ich dir meine Erfahrungen bei sowas mal darstelle.

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