Es geht voran...

  • Hallo liebe Leute,

    ich hab mich hier vor ein paar Monaten angemeldet. Damals war ich ziemlich verzweifelt. Ich hatte letzten Sommer nach 12 Jahren Cannabiskonsum, davon die letzten drei täglich (davor zwar auch, aber ohne Probleme immer wieder Pausen einzulegen), heftige Panikattacken. Davor ging es mir schon nicht gut, hatte immer wieder depressive Phasen und hab immer weniger auf die Reihe bekommen. Hab immer öfter auf der Arbeit gefehlt, gemerkt das ich psychisch immer mehr abkacke und dass ich dringend was an meinem Konsum ändern muss. Im Februar letzten Jahres hab ich es dann endlich mal wieder hinbekommen eine Pause einzulegen, allerdings mit dem Resultat, dass mein Leben ohne Gras noch beschissener ist.

    Also hab ich nach drei Wochen Pause wieder losgelegt und dann ging es weiter wie davor.

    Bis die Panikattacken einsetzen. Was Schlimmeres hatte ich noch nicht erlebt... es hat mir den Boden vollends unter den Füßen weggezogen und ich habe sofort aufgehört zu kiffen und bin in eine psychsomatische Klinik gegangen. Dort war ich zwei Monate, hat mir gut getan, aber ich war noch lange nicht gesund als ich heimkam. Ich konnte nicht mehr Auto fahren, nicht mehr alleine einkaufen gehen, generell kaum alleine raus und meine Zuversicht auf eine schöne Zukunft waren dahin. Die Angst hatte mich im Griff und so wie sie langsam abklang, stiegen die depressiven Verstimmungen. Ich war krankgeschrieben, hatte kaum Freunde, der Konsum war nicht mehr da und vor allem waren sämtliche Kompetenzen meiner selbst nicht mehr spürbar.

    Ich habe eine tiefenpsychologische Therapie begonnen, zu der ich auch nur hinkonnte, wenn es mir gut genug ging das Haus zu verlassen und schon während der Klinikzeit eine Drogenberatungsstelle besucht.

    Langsam aber sicher wurde mir klar, was ich mit dem Konsum eigentlich wirklich tat. Welche Rolle er spielte, wie er mit meinen psychischen Beeinträchtigungen zusammenhängt und warum es mir so ging wie es mir ging.

    Ich war immer reflektiert in meinem Konsum, konnte immer beobachten und kaum die Augen davor verschließen was das Gras mit mir machte und doch hat mich die Abhängigkeit schon lange viel zu gut im Griff gehabt.

    Da sich mein Zustand einfach nicht oder nur sehr langsam ein wenig verbesserte, hab ich mich erstens dazu entschieden, auf die Arbeit und auf das was andere von mir denken zu scheißen und jetzt ausschließlich nach mir zu schauen (ich hab mich immer bemüht und das erfolgreich, nach Außen eine Person zu sein, die ihr Leben im Griff hat), ein Antidepressivum zu nehmen und anstatt wieder ganz schnell arbeitsfähig zu werden (es wollte einfach nicht klappen, ich konnte ja nicht mal alleine einkaufen und belastbar war ich quasi gar nicht, also musste ich mir ein anderes Ziel setzten) hab ich mich dazu entschieden mich noch mehr mit mir, meinem bisherigen Leben und meiner Drogenkarriere auseinander zu setzen und eine Suchtreha zu machen.

    Schritt eins war wohl der wichtigste, er hat mich zu mir selbst gebracht. Denn wenn man anderen Jahre lang was vor macht, weder Familie noch die meisten Freunde wissen was wirklich abgeht, macht man zwangsläufig selbst was vor, hat ständig ein schlechtes Gewissen, das einen auffrisst und es kostet so viel Energie und Selbstsicherheit.

    Durch diesen Schritt konnte ich außerdem die anderen gehen. Das Antidepressivum wirkt ganz anders, als ich immer vermutet habe. Es hilft mir und das ganz indirekt. Es hat mir geholfen wieder anzufangen, positiv zu denken, dazu war ich nicht mehr fähig.

    Die Arbeit wegfallen zu lassen (mittlerweile wurde ich gekündigt, da ich seit Juni krankgeschrieben bin. Meine Hausärztin ist eine große Unterstützung und weiß seit Anfang 2019 über alles Bescheid) war auch eine wichtige und gute Entscheidung, kein Druck mehr, sondern eine offene Zukunft.

    Und seit zwei Wochen besuche ich eine ambulante Tagesreha und seit ca Anfang diesen Jahres fühle ich mich so gut wie noch nie (glaube ich zumindest). Die Reha ist toll, ich habe mir das immer ganz anders vorgestellt. Wenn man bereit ist und einsieht, dass die Dinge Zeit zum reifen brauchen, teilweise viel Zeit, hat man dort den perfekten Rahmen einen neuen Weg einzuschlagen.

    Ich bin jetzt seit Ende Juni clean und langsam aber sicher psychisch total stabil. Ich hatte noch so ein Selbstbewusstsein und -vertrauen. Ich kenne sowas gar nicht. Das Leben ohne konsum hält noch so viel für einen bereit, wenn man nur geduldig ist und den Glauben nicht verliert.

    Ich hab vor nem halben Jahr gedacht, ich hab mir mein mühsam aufgebautes Leben mit 30 nun komplett ruiniert, ich war am Ende und hatte keine Zuversicht, wirklich null.

    Und jetzt denke ich rückblickend sogar manchmal, die Panikattacken waren ein Geschenk. Ich hab schon so viel getan und gekämpft in meinem Leben, hab so viele Veränderungen und so viel Arbeit und Selbstreflexion hinter mir, aber noch nie hab ich ohne was im Außen zu tun so viel über mich und das Leben gelernt, wie in den letzten 6 Monaten.

    Sollte sich jemand in dem Geschriebenen wieder finden, aber (noch) an nem Tiefpunkt sein, möchte ich dir Mut geben dran zu bleiben und dir bestätigen wie subtil und hinterhältig Gras dein Leben kaputt machen kann und dich selbst. So viele Dinge werden davon negativ beeinflusst, so viel geht deswegen schief, auch wenn man leicht andere Gründe dafür finden kann.

    Wenn man es hingegen sein lässt, es anfän3zu verstehen und eine gewisse Zeit aushält und kämpft, bis es nicht mehr die Rolle spielt, die es spielte, wird so gut wie alles besser.

    Danke fürs Lesen, es hat so gut getan diesen Text zu verfassen. Bei Fragen stehe ich gerne zur Verfügung, ich hoffe ich konnte jemanden inspirieren, auch wenn ich das hier hauptsächlich für mich selbst schrieb.

    LiLou :red_heart:

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