Hallo zusammen!
Ich bin heute Nachmittag auf dieses Forum und konkret auf diesen Thread gestossen, und habe ihn mir in den letzten Stunden fast komplett durchgelesen. Ich weiss gar nicht, wo ich anfangen soll... naja, doch: ich bin hier, weil auch ich jahrelang täglich gekifft habe und nun zum zweiten Mal in meinem Leben wieder ernsthaft versuche, ohne klarzukommen. Ich könnte einen ganzen Roman schreiben, werde aber versuchen, mich kurz zu fassen und möchte mich kurz vorstellen: ich bin weiblich und 37 Jahre alt. Mit 13 fing ich an, Zigaretten zu rauchen und zu kiffen. Mit 14 habe ich bereits täglich gekifft und habe über viele Jahre hinweg nie einen Versuch unternommen, abstinent zu werden. Mir war bereits mit 14/15 Jahren klar, dass ich abhängig bin, das hat mir nur insofern geholfen, dass ich vor dem Missbrauch anderer Substanzen zurückschreckte (nach dem Motto: eine Sucht reicht mir). Ich habe trotz vieler persönlicher Probleme erfolgreich Abitur, Studium und Master abgeschlossen. Das Studium hat sich allerdings etwas hinausgezögert, seit 2016 bin ich selbstständige Übersetzerin.
Ich bin seit dem 15. November mit meinem zweiten Abstinenz-Anlauf gestartet und ja: hoffentlich ist es dieses Mal für immer. Ich habe im Internet Artikel über Cannabisentzug gelesen und dachte mir, dass es schön wäre, mich in einem Forum mit Menschen austauschen zu können, denen es ähnlich geht. Meine letzte (erste) Abstinenz-Phase ging vom 1. Mai 2019 bis März/April 2020, fast ein Jahr. Ich hatte mich im Vorfeld bei Quit the Shit angemeldet, um mich unterstützt zu fühlen. Die Beraterin meinte im ersten und einzigen Gespräch mit mir, dass es scheint, ich wäre in meinem Entschluss fest und dass ich daher nicht am Programm teilnehmen müsse...
Was ist in diesem fast Jahr nicht kiffen in mir/in meinem Leben passiert? So einiges! Ich bin mittlerweile zu dem Schluss gekommen, dass ich es nie gelernt habe, mit meinen Emotionen umzugehen. Kiffen kann sehr lustig sein und der Kiffer-Lifestyle ist irgendwie cool, ja. Nur wenn man jeden Tag kifft, dann spürt man die Gefühle gar nicht mehr richtig. Bei mir war es so weit gekommen, dass ich den Draht zu meiner Gefühlswelt völlig verloren hatte. Also, meine Quintessenz: kiffen hilft nicht bei Problembewältigung, aber: mit kiffen aufhören allein ist das Leben auch noch lange nicht geregelt. Bei mir war es ein kompletter Neuanfang, ich wollte mein Leben nicht weiter "verschlafen". Tagebuch schreiben hat mir sehr geholfen. Rausgehen, Freunde treffen, Sachen machen, für die ich seit Jahren keine Energie/Lust hatte. Das Leben ist nicht immer schön und einfach, aber ständig meine Gefühle beschallen bzw. ausschalten hat bei mir dazu geführt, dass ich mich wie ein Zombie fühlte, wie eine lebendige Tote. Menschen, die nicht kiffen oder andere Drogen nehmen haben auch Probleme und auch oft Probleme, diese zu bewältigen, es wäre also ein Trugschluss zu glauben, dass sich nur mit dem Einstellen dieser Gewohnheit alles regelt. Ich hatte das Gefühl, mein Leben, meine Jugend läuft an mir vorbei und wir haben ja nun mal nur ein Leben.
Beim Dauerkiffen stellt sich oft die Frage nach dem Ei, was war zuerst da, das Kiffen oder die Depression? Schwer zu beantworten. Für mich konnte kiffen die Depressionen nicht lösen. Es war eher so, dass ich mich komplett isolierte und immer mehr nach aussen und innen verschloss. Und dann ist es oft wie eine Endlosschleife, wie eine Platte mit Sprung, ich komme nicht weiter oder zumindest nur bedingt. Alles ist richtig scheisse, mir geht es nicht gut, Lösung - ich kiffe mir die Birne voll, dann vergesse ich den Kummer und Schmerz, solange, bis es mir wieder richtig scheisse geht und man hat das Gefühl, auf der Stelle zu treten.
Bud, ich rate dir nicht, wieder anzufangen. Ich kann nur von mir sprechen, in meiner ersten Abstinenz war ich knallhart ohne Ausnahmen, dieses Mal bin ich jetzt einen Monat dabei und hatte allerdings mehrere Rückfälle (circa 5) und es war jedes Mal schrecklich! Wirklich. Nicht nur wegen des schlechten Gewissens mir selbst gegenüber, der Törn (bei stark reduzierter Menge) war einfach ungeniessbar! Herzrasen, Schwindel, Unwohlsein, unangenehme Gedanken und Erinnerungen, ja, auch interessante innere Zwiegespräche, an die kann ich mich aber natürlich nicht mehr erinnern. Auch gestern habe ich einige Male vom Joint gezogen und habe es sofort wieder bereut. Ich möchte es auf jeden Fall nicht mehr. Meine Beziehung zu dem Zeug ist mehr als gestört und ich glaube, dass ich es nie schaffen werde, mit ihr auf guten Fuss zu kommen. Dann lieber gar nicht. Ich weiss, dass viel Arbeit vor mir liegt. Es geht mir seit zwei Wochen gar nicht gut, es sind einfach viel zu viele Gefühle, die ich für mein Empfinden jetzt nüchtern viel zu intensiv wahrnehme. Aber das wird sich schon entspannen, dauert aber. So viel für heute.
Ich freue mich, dieses Forum gefunden zu habe und erhoffe mir, dass es mir hilft, diesen Entschluss durchzuziehen. Wenn ich nebenbei sogar auch anderen helfen könnte, würde ich mich darüber sehr freuen. Schönen Abend noch und bis bald!