Meine Erfahrungen als Co-Abhängige

  • Guten Morgen zusammen ! :11:

    Lange habe ich verzweifelt Hilfe gesucht und bin endlich hier angekommen.
    Danke für dieses Forum !!!
    Nachdem ich nun einige Beiträge gelesen habe, habe ich festgestellt, dass ein Teil meiner Fragen sich durch das Schicksal Anderer beantwortet haben.

    Meine 1.Ehe...
    Ich war viele Jahre mit meinem ersten Mann verheiratet, der Alkoholkrank ist.
    Ich selbst hatte vorher nie Erfahrung damit, weil es in meiner Familie höchstens das Glas Sekt an Silvester gab.
    Als ich dann Mutter wurde habe ich oft bemerkt, dass mein Mann doch mehr trinkt, als nur sein "Feierabend-Bierchen".
    Natürlich habe ich es auch angesprochen und es folgte für mich eine Zeit, die mich völlig zur Co-Abhängigen machte.
    Zunächst ließ ich mir einreden, dass ich ja Schuld wäre, dass er zum Trinken aus dem Haus muss, was mich psychisch sehr runter zog.
    Ich entschuldigte ihn auf der Arbeit, nahm ihn in Schutz vor Nachbarn u.s.w.

    Irgendwann wurde es dann unerträglich und ich flüchtete eine Weile zu meiner Freundin.
    Während dieser Zeit hatte ich endlich die Möglichkeit wieder ein wenig zu mir zu kommen und hatte dann eine Verabredung mit meinem Mann zum Gespräch.
    An diesem Abend erklärte ich ihm, dass ich ihn zwar liebe, aber es unseren Kindern nicht antun möchte, dass sie darunter leiden müssen, dass ihr Vater trinkt.
    Ich möchte nicht, dass sie gehänselt werden, weil ihr Vater ständig am Häuschen steht.
    Ich würde mich trennen, auch wenn es mir schwer fallen würde, aber es ginge nicht anders.
    Für ihn ist an diesem Tag plötzlich der (für alle Betroffenen langersehnte) Groschen gefallen und er hatte damals SOFORT aufgehört mit dem Trinken.
    Sein Psychologe sagte damals, er sei eine Ausnahme, weil er dermaßen konsequent war und es sogar ohne Medikamente durchgehalten hat.
    Unsere Ehe ist viele Jahre danach trotzdem gescheitert.
    Wir haben heute ein gutes Verhältnis zueinander, er ist immernoch trocken (seit 16 Jahren nun).

    Meine 2.Ehe....
    Ich war nach der Scheidung einige Jahre alleinerziehend und lernte mit der Zeit, wieder richtig selbstständig zu werden und lernte dann meinen jetzigen Mann kennen.
    Da wir zusammen gearbeitet hatten, konnten wir uns mit der Zeit auch über unsere persönlichen Situationen unterhalten.
    Er war auch geschieden und erzählte mir offen und ehrlich, dass er auch schon mit dem Gesetz in Konflikt geraten war.
    Dass es sogar Probleme mit Drogen gab, allerdings in Form von "ja, mal Koks probiert und ausgerechnet dieses eine Mal dann erwischt worden".....
    Seine Vorgeschichte war sehr rührend, fast könnten einem die Tränen kommen, bei so viel menschlichem Schicksal !!!
    Die erste große Liebe nach 8 Jahren Beziehung tödlich verunglückt, seine Tochter aus dieser Beziehung wächst anderswo auf.
    Seine 1.Frau hat ihn nach Strich und Faden reingelegt und abgezockt und entzieht ihm das Sorgerecht für das gemeinsame Kind.
    Er möchte einfach nur noch seine Ruhe haben und endlich ein ruhiges sorgloses Leben mit einer Partnerin haben, die es ehrlich meint und nicht so "durchtrieben" ist.
    Ich fühlte mich wie im siebten Himmel und alles lief, wie ich es noch nie erlebte !
    Meine Kinder waren auch sehr angetan von ihm und haben sehr gern viel mit ihm unternommen.
    Er hat mich in den Himmel gehoben und auch so viele Dinge getan, die eine Frau an einem Mann sonst so vermißt.
    Bis eines Tages etwas ganz anders war.......
    Mein Mann sagte plötzlich, er ginge nochmal eine Runde spazieren, es sei schönes Wetter.
    Für mich war das gleich ein willkommenes "au ja, das machen WIR" und freute mich.
    Da schrie er mich an, ob ich ihm denn ständig wie ein junger Hund nachlaufen müsse und ob er EINMAL auch etwas allein machen dürfe.
    Ich sei ja schon wie seine Ex-Frau.
    Wie ein Blitz schoss es in mir hoch, ich hatte ein Dejavu.
    Ich wußte sofort, dass etwas nicht stimmte und ließ ihn erstmal gehen.
    Als er zurück war sah ich es an seinen Augen, sein Verhalten, dass er irgendetwas genommen hatte.
    Als ich ihn danach gefragt habe, sagte er mir, dass er Heroin genommen hatte und er nun mal süchtig sei.
    Bautz !!! Das war ein Schock für mich.
    Was ich aus den Erfahrungen die ich bereits hatte mitnehmen konnte , war, dass ich ihm gleich bei nächster Gelegenheit klar machen konnte, dass ich NICHT Schuld bin daran, dass er das macht und er auch keinerlei Schuldzuweisungen an mich weitergeben bräuchte.
    Aber ich war/bin trotzdem noch die Co-Abhängige geblieben.
    Vielleicht habe ich schon einige Verhaltensweisen abgelegt, aber aus meiner Verzweiflung raus habe ich das eine oder andere dann doch wieder praktiziert.
    Ich habe nun viele Etappen erlebt, Gerichtsverhandlung mit Verurteilung, stationäre Entgiftung, Antragstellung auf Therapie u.s.w
    Immer habe ich gehofft, wie viele Andere auch, dass er endlich vernünftig wird und von selber aufhören will.
    Ich hing immer an ihm und hatte selber keine Zeit mehr für mich, doch er hörte nicht auf.
    Eine cleanfreie Zeit habe ich mit ihm nicht erlebt.
    Von seiner Familie habe ich erfahren, dass er nie eigene Kinder hatte und dass sich die Frauen immer von ihm getrennt haben, seine große Liebe auch, weil er etwas mit einer Drogensüchtigen angefangen hatte, sie sei also nicht tot.

    Seine Lügen in dieser Hinsicht haben mich sehr fertig gemacht, weil er überall vorgibt, dass er ja einen guten Grund hatte da hineinzugeraten....
    Und ich habe festgestellt, dass sogar eine Angestellte in der Entgiftungsklinik sehr sehr viel Mitleid deswegen hatte.
    Nun ist er auf Therapie und ich merke jetzt, wo ich allein bin, dass ich endlich zu mir komme und die wahren klaren Gedanken fassen kann !
    Er ist nicht freiwillig und auch nicht 100%clean dorthin gegangen, er hatte die Wahl, Gefängnis oder Therapie.....

    Noch hadere ich damit, ob ich ihn nach der Therapie überhaupt wieder bei mir haben möchte, habe deswegen noch keinen Kontakt zu ihm.
    Diese "Kontaktsperre" möchte ich gern noch eine Weile aufrecht erhalten.
    Für mich persönlich war es sehr schwierig in der vergangenen Zeit Hilfe zu bekommen obwohl ich in einer Großstadt lebe, in der es unendlich viele Organisationen gibt dafür.
    Aber die Angehörigen haben hier kaum Möglichkeiten...
    Ich war zur Drogenberatung, habe dort auch viele Informationen bekommen, aber Selbsthilfegruppen zu diesem Thema gibt es hier nicht.
    Es macht mich sehr traurig, dass ich im Moment für meinen Mann nicht die Liebe von einst empfinden kann, sondern oft zwischen Wut, Hass und Ablehnung schwanke.
    Ich kann ihm jetzt nicht schreiben "ich vermisse dich" ICH TUE ES NICHT !!!
    Und ich weiß nicht, ob sich dieser Zustand ändern wird.
    Wichtig für mich ist, dass ich nun selbst dazu komme, endlich wieder unbeschwert aus dem Haus zu gehen, und auch endlich eine Verhaltenstherapie zu machen.
    Und die Erkenntnis, dass eine räumliche Trennung in dieser schweren Situation erst eine Möglichkeit bietet, einen klaren Entschluß zu fassen, sich doch mal zu lösen woran man so klammert.

    Nun dachte ich, ich würde mich kurz fassen können, aber im Prinzip habe ich das, sonst hätte ich noch vieeeel umfangreicher schreiben können...
    Vielen Dank für´s Lesen :bet:

    Liebe Grüße Milla

  • hallo Milla,

    dir scheint sehr klar zu sein, was Co-Abhängigkeit bedeutet und wo du sie genau auslebst. Ich finde das sehr bewunderswert. Du grenzt dich davon ab, Schuld an irgendwas zu tragen, was die Sucht/Probleme deiner Partner angeht, was ich unheimlich toll finde. Wie du aber nun siehst, reicht es leider nicht aus, nur zu wissen, woran du leidest, auch wenn dies der erste Schritt aus der Co-Abhängigkeit ist. Was ich nun wichtig finde, ist, dass du herausfindest, weshalb du soundso handelst. Wovon musst du dich so sehr (mit den Problemen anderer) ablenken? Schau, was dich antreibt und welche Alternativen es geben könnte. Eine Therapie halte ich auch für die beste Möglichkeit, etwas zu ändern.

    LG, alive

  • Wir haben grad den Server gewechselt, also schreib so viel wie du willst, wir bekommen keine Platzprobleme :winking_face:

    Wie alive es schon schreibt, d suchst einen Weg und die ersten Schritte waren schon mal perfekt. Eine Therapie wäre sicher das beste, ich hoffe du findest da auch schnell einen Patz.
    Was SHG's angeht, da kannst gern mal per PN mitteilen woher du genau bist, dann schauen wir mal was sich da finden lässt.

    Denk nun einfach mal an dich, ich finde es nicht schlimm wenn du jetzt mal deinem Mann nicht vermisst. Es ist viel passiert, jetzt bist du dran und erst wenn du wieder klarer sehen kannst, der seine Therapie auch wirklich durchzieht, dann kannst (aber musst du dich nicht) entscheiden. Wann, wie und was weiter passiert, das entscheidest nun mal nur du :smiling_face:

    LG Franz

  • Hallo alive, hallo Franz !


    Das Wesentliche ist geschrieben, ab hier wird es nicht mehr so lang :2:

    Ich bin sehr froh darüber, dass ich mich als Co erkennen konnte.
    Und es erleichtert mich, dass ich nicht das komplette Programm ändern muss, wenn ich sehe, wie tief man doch drin stecken könnte...
    Die Auszeit allein tut mir sehr gut und ich mache mir bis jetzt auch keinerlei Gedanken darum, was dort auf Therapie läuft.
    Mein Urlaub verlängert sich evtl, so habe ich noch mehr Zeit um mich zu kümmern.
    Die Adresse einer geeigneten Psychologin habe ich schon bekommen.
    Es tut gut endlich Luft zu haben !!!!

    Wegen der SHG melde ich mich, vielen Dank !!!

    Liebe Grüße Milla

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