Cannabis & Psychedelika bis zur Psychose - Was nun?

  • Ich möchte euch etwas an meinem Lebens- und Leidensweg teilhaben lassen und erhoffe mir, Ideen und Anregungen über meine Erkrankung und weitere Zukunft zu bekommen und euch anzuregen, selber von euren Erlebnissen zu berichten. Leider ist dieser Bericht sehr lange geworden. Ich freue mich über jede Antwort!

    Meine Kindheit

    Aufgewachsen bin ich in einer sehr vertrackten Familie. Meine Eltern haben beide sehr schwere Schicksale in der Kindheit und Jugend gehabt. Mein Vater musste stark unter seinem rechthaberischen und reizbaren Vater leiden und ist ein extrem zurückgezogener und kalter Mensch (schizoid?) ohne Wunsch nach sozialem Kontakt geworden. Meine Mutter beschwert sich oft über ihn, da sie keinerlei gemeinsame Aktivitäten ausüben. Sie verlor früh ihre leibliche Mutter und litt fortan unter ihrer tyrannischen Stiefmutter. Oft wundere und ängstige ich mich über die funktionale Beziehung meiner Eltern und fürchte, dass ich der einzige Grund ihres Zusammenlebens bin. In meiner Kindheit war ich allein auf meine Mutter fixiert und verschwor mich gewissermaßen mit ihr gegen meinen Vater. Bei gemeinsamen Spaziergängen spielten wir immer ein Rollenspiel über eine fiktive Familie, bei der meine Mutter stets die schlechten und unterdrückten Rollen von mir zugeteilt bekam - vielleicht unbewusst, um sie in ihrer wirklichen Rolle zu trainieren.
    Ich war immer ein recht eigenwilliger und selbstständiger Mensch, der viel Freiraum benötigt und ziemlich unsicher im Kontakt mit anderen ist, auch wenn ich das gut überspiele und eher überheblich rüberkomme. In der Grundschule schrieb ich Krimis und Geschichtchen, die ich der Klasse in der Pause vorlesen durfte, ich dachte mir Filme und Musikvideos beim Musikhören aus und war irgendwie ein kleines Wunderkind, das immer nett, zuvorkommend und furchtbar leicht durchs Leben und die Schule kam. Stets war ich fasziniert von Grenzgängen und Zwischenräumen der Realität, sammelte etwa schon in der fünften Klasse Broschüren über Drogen und interessierte mich sehr für Achterbahnen und Freizeitparks.

    Meine Jugend

    Mit etwa 14 begann ich nach kurzen Alkoholexzessen gemeinsam mit C. die Lady Jane zu schätzen. Es waren wunderbare Tage auf einem Gartengrundstück inmitten sonnengelber Felder und zierpender Grillen. Bald klärte ich auch meine Eltern über Cannabis auf und wir kamen darin überein, dass ein Konsum akzeptabel wäre. In den kommenden Jahren rauchte ich immer häufiger, schließlich täglich nach der Schule. Ich begann Gitarre zu spielen und schrieb Kurzgeschichten und Gedichte. Ich verliebte mich zum ersten Mal sehr kompliziert, empfand mich selbst als ungenügend und unattraktiv und erlebte meine Unfähigkeit, über meinen Schatten zu springen und zu meinen tiefsten Gefühlen zu stehen, wofür ich mich fortan verfluchte. Das tägliche Kiffen verheimlichte ich so gut es ging vor meinen Eltern - und obwohl wir in einer Wohnung leben und mein Zimmer direkt neben dem von meinem Vater liegt, ging es erschreckend gut. Dennoch empfand ich oft Furcht, der allabendliche Gute-Nacht-Joint am Dachgeschossfenster wurde zur paranoiden Tortur und beim gemeinsamen Abendbrot zog ich mich zurück anstatt mich womöglich zu verhaspeln. So verpasste ich auch meinerseits auf meinen Vater zuzugehen und erzeugte viel (überflüssiges?) Schuldbewusstsein bei mir.
    Immer wieder wollte ich aufhören, schaffte es dann aber nicht, was mein Selbstwertgefühl weiter in den Keller zog; immer wieder redete ich von Aufbruch, Erwachen, endlich zu mir selber finden, freier auf Menschen und vor allem Frauen zugehen zu müssen und resignierte am nächsten Tag wieder. Andererseits gefiel ich mir natürlich auch als abgefuckter Kreativer. Ich begann elektronische Musik kennenzulernen, probierte mit 17 LSD und übertrieb schon beim dritten Mal auf einem Goa-Festival, der VooV, so arg, dass ich auf einem furchtbaren Höllentrip dem Teufel in Person einer Frau gegenüber saß, um mein Leben weinte und fürchtete, zu ersticken und nun endgültig verrückt zu sein. Ausgelöst wurde das auch durch meine Unfähigkeit, mir einzugestehen, dass es zu viel wird, und meiner Angst oder dem verletztem Stolz, andere um Hilfe zu bitten. Mit meinen Eltern sprach ich kaum über meine Emotionen und Ängste, auch meinen Freunden ließ ich selten Einblick in mein kompliziertes Innenleben. Selber drehte ich mich in meinem Kopf im Kreis und dachte immer wieder über meine Fehler und Versäumnisse nach. Ich habe furchtbare Angst davor, wie Hesses Steppenwolf am Ende meines Lebens realisieren zu müssen, dass ich an entscheidenden Stellen falsch, also gar nicht gewagt und gehandelt und damit mein Leben verschwendet habe.
    Nachdem meine erste wirkliche Beziehung mit 18 in die Brüche ging, erlebte ich mich zum ersten Mal völlig fremd, apathisch und ohne Füße auf dem Boden. In einem Sommerurlaub mit meinen Eltern war ich völlig Depressiv und antriebslos, ebenso in der Zeit rund um mein Abitur. In diesen Phasen war ich vollkommen lustlos und betäubt, alle Musik war langweilig, jeder Tagebucheintrag riss nach drei Zeilen ab, nichts machte Sinn oder ließ mich etwas fühlen und dennoch kiffte ich weiterhin, obwohl ich mir sicher war, dass das grüne Kraut Schuld an diesem Zustand hat. Ich machte mir Sorgen über meinen geistigen Zustand, wollte nur noch weg vom klaustrophobischen Zuhause und dem Käfig der langweiligen und ausgelutschten Kleinstadt.

    Ein Jahr in Berlin

    Berlin, du wunderbare, häßliche, dreckige und anregende Stadt! Ich kannte Berlin von drei Reisen und hatte mich dort stets inspiriert, selbstbewusst und unbeschwer gefühlt. Kurzum, Berlin war mein Paradies, meine echte Heimat. Unmittelbar nach dem Abitur zog ich mit 19 in eine WG in einem wunderbaren Altbau in Neukölln mit hohen Decken und Stuck und leistete meinen Zivildienst in der Altenbetreuung ab. Das erste halbe Jahr war für mich wunderbar: all die neuen Eindrücke, endlich selbstbestimmt leben, Gitarre spielen, wann immer ich will. Ich gründete eine Band und lernte so zumindest einen guten Freund kennen, kiffte nur noch am Wochenende und ging ausgiebig zu Minimaltechno tanzen. Immer mehr Zeit verbrachte ich vor meinem PC, schraubte selber an Beats und Synthesizern herum und träumte von eigenen Veröffentlichungen und Auftritten. Die elektronische Musik hatte mich vollends gepackt und in Eigenregie lernte ich schnell und brachte immer Professionelleres zu Stande. Darunter litt auch meine Arbeit, denn wenn ich einmal gut dabei bin, möchte ich mich nicht durch acht Stunden langweiliger und repetativer Arbeit rausbringen lassen. Das sorgte für eine Verstimmung zwischen meiner Chefin und mir. Meinen Zivildienst und meine älteren Kollegen empfand ich zunehmend als Einschränkung und Belastung.
    In diesem halben Jahr grübelte ich kaum herum und vertrug mich mit mir prächtig. "How can't you love this madcap world" ist eine Phrase aus dieser Zeit, die Bezug auf meine traurige Zeit nimmt und mein ruhiges, ausgesöhntes und dankbares Gefühl wiederspiegelt. Ich fragte mich zwar, ob ich einen Scherbenhaufen in der Kleinstadt zurückgelassen hatte, ging jener Frage aber nicht weiter nach. Dass ich kaum Leute kennenlernte, interessierte mich auch nicht sonderlich, da ich mit mir selbst und meiner Musik eh genug beschäftigt war und sozialen Kontakten dementsprechend sowieso kaum nachgekommen wäre. Über die Übervorsichtigkeit meiner Eltern in Bezug auf den Zivildienst und Finanzielles ärgerte ich mich oft, da es mir so vorkam, als ob sie sich immer noch zu sehr in mein Leben einmischten und mir zu wenig zutrauten, beziehungsweise vermieden, über wirklich Entscheidendes wie mein Gefühl reden zu wollen.

    Kurz vor Neujahr 2008 passierte eine Menge: ich besuchte meine Eltern und wunderte mich darüber, wie schön ich meine einst verhasste Kleinstadt mit meiner neuen Perspektive nun wahrnahm und dass es weniger diese Stadt und meine Umstände, als ich selber gewesen war, der mich in einen Käfig gesteckt hatte. Gemeinsam mit einem guten Freund besuchte ich ein Festival in Den Haag und konsumierte ausgiebig Cannabis, genauso als mich zu Sylvester drei Freunde aus der Kleinstadt besuchen kamen. Anstatt Berlin ausgiebig zu genießen und viel auszugehen, wurden wir der Reihe nach krank und verplemperten viel Zeit mit irgendwelchen Cartoons wie Family Guy. Kurz zuvor hatte ich eine hübsche italienische Touristin kennengelernt, die in mir viele Erinnerungen an meine Jugendliebe erweckte und mir abermals zeigte, wie ängstlich und übervorsichtig ich in Bezug auf das andere Geschlecht bin. Durch meine Freunde verbrachte ich auch weniger Zeit mir ihr, als ich wünschte, und ärgerte mich über unsere Faulheit und das andauernde Herumlungern.
    In den darauffolgenden Monaten fiel ich in den alten, verhassten Trott zurück und durchlitt eine so intensive und lange depressive Phase wie nie zuvor. Ich kiffte wieder täglich, schaffte es nicht, damit aufzuhören und verfluchte mich dafür. Die Bandproben ließ ich schleifen und schließlich trafen wir uns gar nicht mehr. Am Wochenende traute ich mich manchmal gar nicht mehr aus dem Haus und wenn doch, behielt ich immer eine Mütze auf, weil ich mich häßlich fühlte, und scheute vor Augenkontakt und Gesprächen zurück. Ich begann selber, Cartoons und Serien anzuschauen, was ich früher als langweilig und verdummend ablehnte, und verfluchte mich noch mehr. Auf meiner Arbeit erschien ich immer müder und lustloser und wusste oft nicht, worüber ich reden sollte, vor allem, als eine neue, junge und hübsche Kollegin zu uns kam, die ich gerne näher kennengelernt hätte. Über die Frage, ob ich wieder meine Eltern und zahlreiche zurückkommenden Freunde besuchen sollte, dachte ich eine Woche lang nach, meldete mich schließlich bei einer Mitfahrgelegenheit an und fuhr doch nicht, weil ich mich einfach nicht entscheiden konnte. Ich war nichts als "techno & denial" - irgendwelche Beats basteln, was mir zunehmend sinnloser erschien, und mich selbst in dieser doch eigentlich so paradiesischen und traumhaften Stadt verleugnen. Ich drehte mich im Kreis, grübelte herum, verfluchte mich und wurde zu einem traurigen, völlig verunsichertem und vereinsamtem Wrack.
    Als meine Mutter mich schließlich ahnungslos besuchen kam, um mit mir über meine nicht vorhandenen Zukunftsplänen zu sprechen, brach ich schließlich in Tränen aus. Auf ihr Drängen hin kontaktierte ich eine Suchtberatung, ließ mich dort aber nach drei Treffen nicht wieder blicken. Im Mai war mein Zivildienst beendet, ich wurde zwanzig und meldete mich sofort als Hartz IV an, obwohl ich eigentlich in Cafés jobben gehen wollte. Ein guter Freund J. aus der Kleinstadt zog für ein Praktikum zu mir und meine Vorfreude und Hoffnung auf Besserung und viele gemeinsame Aktivitäten und Projekte erfüllten sich nicht. Ich war immer noch unheimlich befangen, kiffte wie ein Schlot und oft schwiegen wir uns nur an und schauten gemeinsam irgendwelche Serien. Ich musste auf seinen frühen Arbeitsbeginn Rücksicht nehmen, konnte also nicht einmal mehr musizieren, wann es mir gefiel, und fühlte mich irgendwie ausgenutzt, da ich überwiegend einkaufen ging, kochte und bezahlte. Bis ich solche Themen ansprach, verging viel Zeit und belastendes Schweigen. Im Nachhinein frage ich mich, ob ich nicht zahlreiche eigene Probleme durch J. zu verdecken versuchte.

  • Ratten & Drachen

    Durch Zufall stieß ich im Internet auf einen Studiengang in Den Haag namens Sonologie, der sich um elektronischen Klang und Komposition drehte und bewarb mich rund zwei Monate nach Einschreibeschluss. Dennoch wurde ich kurzfristig eingeladen, lernte wie ein Bekloppter für die Aufnahmeprüfung und bestand. Plötzlich hatte ich wieder Bestätigung, Perspektive und Lebenslust. Dadurch, dass ich via couchsurfing in Den Haag übernachtete, lernte ich sofort einen guten Freund kennen, mit dem ich viel philosophierte und der ebenfalls Techno produzierte. In den darauffolgenden Sommermonaten reiste ich zwischen Den Haag, Berlin, Hamburg, wo ein guter Freund von mir lebte, und meiner Kleinstadt hin und her und fand wieder zu mir, gestärkt in meinem Traum der elektronischen Musik und meiner Künstlernatur. Mein Vater half mir beim Umzug und endlich konnte ich ihm einmal Berlin zeigen und mit ihm etwas Zeit verbringen. Natürlich kiffte ich nach wie vor, allerdings weniger als zuvor und gezielter, da in Holland bekanntermaßen zahlreiche Sorten zur Auswahl stehen, die sehr viel anregender und kopflastiger wirken als das betäubende und einschläfernde Standartgras in Deutschland. Anstatt darüber zu verzweifeln und andauernd herumzumäkeln, akzeptierte ich meinen Konsum einfach. Ich nahm mir aber vor, in Den Haag wieder nur am Wochenende zu Kiffen. Ich schrieb an einem philosophischen Essay, dachte viel über Bewusstsein, Drogen und Wahnsinn nach und naschte auch selber zunehmend an den verbotenen Früchten.
    In meiner letzten, exessiven Berlinwoche besuchten mich wieder zahlreiche Freunde aus der Kleinstadt, auch J., mit dem ich mich gewissermaßen wieder versöhnte und dem ich endlich das Berlin zeigen konnte, das wir in unserer gemeinsam-einsamen Zeit nicht wahrgenommen hatten. Wir kletterten auf verlassenen Industriekomplexen herum, gingen tanzen und fröhnten meinem leerstehenden Zimmer, Cannabis und elektronischen Leckerbissen. Ich selber konsumierte dreimal LSD, einmal in Verbindung mit DOI. Im Gegensatz zu früheren Experimenten, bei denen der Konsum sich stets wie eine Art Mutprobe oder Wagnis anfühlte, war die Wirkung nun wärmer und sicherer und es schien, als käme ich so meinem Selbstbewusstsein und einer inneren Heimat viel näher. Ich begriff gewißermaßen die Wirkung der Psychedelika und machte mir keinerlei (unnötigen?) Sorgen über ihre Gefahren.
    Am letzten Tag ließ ich meine Mitfahrgelegenheit nach Den Haag sausen, um so lange wie möglich mit meinen Freunden in dieser wunderbaren Stadt zu verweilen. Ich verschenkte an sie zahlreiche verbliebene Sachen, ließ einiges auch einfach in meiner WG und die 100 Euro für ein kurzfristiges Zugticket waren mir vollkommen egal. So ein Verhalten ist eigentlich sehr untypisch für mich. Ein letztes Mal hörte ich meine Lieblings-LP "Concentricity" von Stewart Walker in meinem wunderschönen Zimmer und brach in Tränen aus: so traumhaft war diese Woche gewesen und so traurig, wie blind und verleumnend ich meine zweite Hälfte in Berlin verschwendet hatte. Eigentlich wollte ich gar nicht mehr fort von Berlin. Völlig übermüdet kam ich schließlich nach einer ewig langen Zugreise in Den Haag im strömenden Regen an. Ich hatte nicht einmal mehr Kraft, einen Joint zu rauchen und fiel in mein Bett.

    Die Erinnerung an die letzte Woche und meine Spaziergänge an der Grenze der bekannten Realität hatten mich so tief berührt, dass ich diesem Gefühl Tribut zollen und weiterhin in ihm schwelgen wollte. Ich kiffte weiterhin und schon nach drei Tagen wirklich interessanter Uni blieb ich in meinem Dachkämmerlein, konsumierte eine ungeheure Menge LSD, nach dem Runterkommen sofort Pilze und Bromo-Dragonfly und rauchte dabei fleißig bestes Haze. Ich bastelte an einem komplizierten Track herum, studierte das Aussehen und den Klang einzelner Schallwellen, streckte und verbog meine Lieder, experimentierte mit meinen Boxen und Rückkopplungen und meinte, endlich den Durchbruch, ein ungeheures Geheimnis der Musik entschlüsselt zu haben. Ich fühlte mich ungeheuer verbunden zu meinem Lieblings-Musiker Chris Clark und seinem "Turning Dragon", war überzeugt, dass er ebenfalls auf Bromo-Dragonfly diese LP komponiert hatte. Ich schrieb an einem Theaterstück, in dem ich die Psychologie zwischen uns in jener Berlin-Woche untersuchte und vollendete einen zweiten, ziemlich wirren philosophischen Essay, der in Anlehnung an Wittgenstein einfach aus zahlreichen, kurzen Behauptungen und logischen Forderungen bestand. Und immer tiefer verstrickte ich mich in mein Innenleben und meine eigene Realität.
    Plötzlich war ich ungeheuer selbstbewusst und voller Energie, fühlte mich sehr begehrenswert und attraktiv, achtete zum ersten Mal stark auf mein Äußeres, zog mich möglichst extravagant an und schnitt mir meinen Pferdeschwanz zu einer quirligen Frisur ab. Ich besuchte die Uni trotz der interessanten Inhalte selten, traf auch kaum meinen Bekannten in Den Haag und lernte auch niemanden sonst näher kennen - war ich ja aber auch wieder ungeheuer mit mir selbst beschäftigt. Endlich funktionierte ich wieder und wieviel ich auf einmal zu sagen und zu machen hatte! Immer öfter blieb ich einfach in meinem Dachkämmerlein, schrieb an Theaterstücken und einer selbst-ironischen Abhandlung namens "Wie werde ich (richtig) süchtig?", plante ein Online-Adventure, fing verschiedene Geschichten an, dachte über Gott, Jesus, die biblischen Gleichnisse, Logik, Psyche, Ethik, Sprachsysteme, Verschwörungen, Drogen und Zahlentheorien nach. Neben bestem Cannabis nahm ich dazu oft Pilze, wenn auch selten hochdosiert, und begegnete gewissermaßen einem zweiten Ich von mir, dass überaus psychologisch und kriminalistisch begabt war. Ich weinte grundlos sehr viel und begriff, dass meine traurige Zeit in Berlin irgendwie hatte sein müssen und konnte die Musik, die ich währenddessen produziert hatte, zum ersten Mal wirklich schätzen und genießen. Noch dazu hatte ich ja das Geheimnis der Musik entschlüsselt und meine ersten Auftritte und Veröffentlichungen waren in nächste Nähe gerückt. Ich brannte unheimlich viele CDs mit meiner Musik und werkelte an einem Internetauftritt herum, das ein kostenloses Netlabel mit einem kommerziellen Label und zahlreichen experimentellen Inhalten zur Logik der Psyche und Psyche der Logik verbinden sollte. Wirklich neues komponierte ich bis auf den einen erwähnten Track nicht, ich dehnte und streckte meine alten Tracks einfach nur und fügte verschiedene Spuren hinzu.
    Ich erwachte meistens frühmorgends, stand sofort auf, rauchte einen Joint, arbeitete wie ein Besessener an einem der zahlreichen Projekte, verließ das Haus nur zum obligatorischen Gang zum Coffee- oder Smartshop oder um einen Happen zu mir zu nehmen und arbeitete weiter bis ich einschlief. Beim Wiedersehen mit meinem Bekannten nahmen wir gemeinsam Pilze und ich führte einen zweistündigen und sehr schrägen Monolog, mit dem ich gewissermaßen überprüfte, ob ich ihn in meine Geheimnisse einweihen sollte. Ich versprach ihm meinen alten PC und ihm sogar all mein Geld auf einem Sparkonto, damit er seinen Traum eines eigenen Studios realisieren konnte. Wenn ich in der Uni war, stellte ich viele Rückfragen und machte Kommentare und fühlte mich seitens der Professoren als etwas Besonderes und sehr Talentiertes wahrgenommen. Für mich war Den Haag das Oxford der Hippie-Zeit. Obwohl mich die Uni interessierte, überlegte ich, einfach ein Jahr lang nur zum Schein dorthin zu gehen und mich mit dem Geld meiner Eltern intensiv um meine Musik und erste Auftritte zu kümmern. Ich plante auch, große Mengen LSD aus Berlin nach Den Haag zu transportieren und damit Geld zu verdienen. Eine weitere Idee war, zurück zu meinen Eltern zu gehen, und mit meinem Vater zu komponieren und mit meiner Mutter sechsundzwanzig Gesellschaftsspiele zu entwickeln. Ich fühlte mich ihnen ungeheuer zu Dank verpflichtet, dass aus mir schließlich so ein großer Realitäten-Komponist geworden war.

    Meinen Gedanke aus jener manischen Phase zu folgen, fällt mir heute ungeheuer schwer. Zwar sind viele Dokumente erhalten, aber sie bestehen nur aus Behauptungen und weisen keinerlei Kongruenz oder Logik auf. Damals war ich einem ungeheuren Geheimnis auf der Spur und Jesus sehr nahe, wenn nicht selber einer. Etwa steckte ich einem Bettler schnell 50 Euro zu und verschwand unmittelbar, ohne dass er eine Chance gehabt hätte, sich bei mir zu bedanken oder es abzulehnen. Jeder meiner Gedanken und Handlungen machte vollkommenen Sinn. Alles war richtig, alles hing zusammen, auch mein langer Leidensweg und andauernde Gekiffe. Ich war meinen Jugendidolen Nick Drake und Syd Barrett sehr nahe. Drogen und Lebensmittel wie CocaCola hatten mit Tieren wie Ratten und Drachen zu tun, biblische Figuren wie Adam und Eva oder Joseph und Maria hingen mit komplexen Zahlensystemen zusammen, die gewisse Inhalte versteckten, und der auch die Psyche durch ihre Logik folgte.
    Schließlich passierte es: nach einem weiteren Treffen mit meinem Bekannten und dem Konsum von 2C-B, der Arbeit an einem brutalen Theaterstück, das um meine Jugendliebe und mein Versagen kreiste, und dem hektischen Fertigstellen einer DVD für meine Eltern mit meiner Musik, zahlreichen Texten und einem ersten Entwurf für die Webseite, entschloss ich mich in der Nacht auf Montag zu einem abschließenden Pilztrip. Plötzlich fiel es mir wie Schuppen von meinen Augen: Meine damalige Jugendliebe war von ihrem Vater und seinen Freunden vergewaltigt worden, daher reagierte sie am Tag meines Versagens so komisch und fing an zu weinen, deshalb berichtete sie immer davon, dass sie mit ihrem Vater so gut über Gott sprechen könne. Gott war schließlich das unbestimmbare Symbol. Deshalb war sie also nie von ihrem Schüleraustausch zurückgekehrt. Ich malte mir haarklein die gemeinen Taktiken ihres Vaters aus und bildete mir ein, gewissermaßen von ihr vor Jahren verhext und über Jahre unbewusst gesteuert geworden zu sein, um diese furchtbare Tat aufzudecken. Aber warum gerade ich?
    Eine zweite, schreckliche Erleuchtung durchzuckte mich: Ich war gar nicht das Kind meines Vaters, auch meine Mutter war vergewaltigt worden, von einem ihrer zahlreichen Psychologen gemeinsam mit ihrem Vater, der ja schließlich Joseph wie in der Bibel heißt. Ich sah Bilder wie aus meiner Kindheit vor mir (an die ich keinerlei Erinnerung habe): mein Vater weinend neben meiner Mutter im Bett, mein Vater mit mir auf Spaziergängen in der Angst, ich könnte das Geheimnis entdecken. Ich malte mir eine wilde Geschichte um die Schwangerschaft meiner Mutter aus, dass diese heroinabhängig gewesen war und von meinem Vater vor ihrem und meinem Selbstmord heroisch bewahrt wurde. Das muss in Berlin gewesen sein, deshalb wollte mein Vater dort nie hinkommen. Meine Mutter war ja Christiane F.! Ich durchlitt mit meiner Mutter furchtbare Nächte in Panik vor ihrer tyrannischen Stiefmutter. Deshalb träumte ich also oft von einem bösen Mann und ewig langen, schwarzen Straßen als Kleinkind, musste mich immer unter der Bettdecke verstecken und wurde schließlich abhängig.
    Und eine dritte Gewissheit schlug ein: Ich selber war auch als Kleinkind von dem Vater meiner Mutter, Joseph, vergewaltigt worden, das eine Mal, wo ich bei meinen Großeltern übernachtet hatte. Sie hatten mir wie damals auch meiner Mutter sogar LSD eingeflößt! Danach hatten sie mich die Treppe hinuntergeschubst, damit ich alles verdrängen sollte! Gerade Joseph, der einzige normal wirkende aus unserer Familie! Aber sein schelmisches Lächeln, seine große Pupillen und seine Herkunft aus der Schweiz, das ja LSD erfunden hatte... Ich sah Bilder meiner Vergewaltigung vor mir, fühlte den schrecklichen Schmerz, die Erniedrigung und sah die verzerrte Fratze meiner Großmutter, die mich auslachte. Jenes sind Bilder, die ich auf dem Höllenerlebnis auf der VooV ohne diesen Kontext sah. Und jeder in meiner Verwandschaft hatte es gewusst, wahrscheinlich auch meine Freunde, und alle hatten mir etwas vorgelogen und verschwiegen!
    Ich fühlte mich furchtbar und begann mir, meine Haare abzurasieren, was mir aber nicht so recht gelang und nahm schließlich eine Schere zu Hilfe. Jeder physische Schmerz tat mir ungeheuer gut und ließ mich diese psychischen Grausamkeiten eher ertragen. Ich begann einen wilden Brief an eine entfernte Schulfreundin, der ich von all diesen aufgedeckten Geheimnissen und meinem Plan berichtete, mit ihr gemeinsam an der Aufdeckung sexuellen Missbrauchs in meiner Kleinstadt und den umliegenden Dörfern zu berichten. Ich dachte daran, meinen Großvater und den Vater meiner Jugendliebe gemeinsam mit meinem Bekannten aus Hamburg umzubringen. Ich fand immer mehr Beweise, Zusammenhänge und Erklärungen. Schließlich entdeckte ich meinen Vornamen im Namen meines Lieblings-Autors Julio Cortázars ("Rayuela - Himmel und Hölle") und die abgeänderten Namen meiner Eltern als Romanfiguren und war mir sicher, dass mein Vater hinter jenem Autor wie auch Albert Camus steckte. Es gab einfach zu viele Gemeinsamkeiten zwischen dem Romanverlauf und unserer Familie. Mein Vater hatte sich aufgeopfert, damit meine Mutter und ich überleben konnten. Auch er muss abhängig gewesen sein oder ist es noch immer, um so viele Bücher fertiggestellt zu haben.
    Mittlerweile war es früher Morgen. Ich kaufte das stärkste Haschisch, um mich vollkommen zu betäuben und schrieb meinen Brief weiter. Ich telefonierte mit meinen Eltern und teilte ihnen kryptisch und mit biblischen Symbolen durchzogen mit, dass ich alles wisse und nun zu ihnen kommen werde. Ich packte zum Beweis einige Briefe meiner Jugendliebe ein und erwischte den letzten Zug in mein Heimatdorf. Es kam mir vor, als sähe ich zum ersten Mal wirklich wieder die Welt. Als ich gegen eine Glastür rannte, musste ich lange lachen, endlich konnte ich mir wieder Fehler erlauben. Auf der Rückfahrt kamen mir einige Zweifel, doch ich Zwang mich, an meinen Theorien festzuhalten und wiederholte sie immerzu und ohne Unterlass. Ich hatte große Angst davor, dass meine Mutter uns beim Abholen vom Bahnhof mit dem Auto absichtlich verunglücken ließ, um der Konfrontation und all dem Schrecken aus dem Weg zu gehen.

  • Zurück im Käfig

    Am nächsten Morgen schilderte ich in aller Ausführlichkeit meinen Eltern von meinen Entdeckungen. Sie waren unheimlich bestürzt, konnten mich aber schnell von meinem Irrtum überzeugen. All meine Beweise und Theorien waren voller offensichtlicher Fehler und entbehrten allen Tatsachen. Ich hatte nie bei meinen Großeltern übernachtet, meine Mutter war nie vergewaltigt worden und auch aus den Auszeichnungen meiner Jugendfreundin ging nichts hervor, was auf einen Missbrauch schließen ließ. Wir besuchten unseren Hausarzt und wurden von ihm an die Uni-Klinik verwiesen, wo man von einer drogeninduzierten Psychose sprach. Ich solle jegliche Drogen absetzen und erst einmal einen Monat abwarten.
    Ich begann mit Gesprächen wegen meiner Sucht, wobei sich die Therapeutin hauptsächlich auf meine nicht beachtete Hochbegabung versteifte. Ich hätte also so viel konsumiert, um mich eher auf einem Level mit meinen Mitschülern und Freunden zu befinden. Auf Drängen meiner Mutter begann ich auch mit Psychotherapie, wobei ich an eine sehr grobe Therapeutin geriet, zu der ich kaum Vertrauen aufbauen konnte. Zunächst blieb ich zwei Wochen in jener manischen Hochstimmung, arbeitete an einem Roman über die Technokultur und meine Drogenerlebnisse und diktierte meinen besten Freunden, sofort mit dem Konsum von Cannabis aufzuhören und über niemanden über meine Krankheit zu sprechen. Nach meinem Auszug aus Den Haag, ungeschickten Annäherungsversuchen an eine frühere Schulfreundin und einer harschen Antwort meiner früheren Freundin auf eine unmögliche Email von mir verfiel ich wieder in eine depressive Stimmung. Ich realisierte zum ersten Mal, wie ungeheuerlich mein Wahn mich getäuscht hatte, was für gefährliche Konsequenzen sich hätten ergeben können und dass meine (wunderbare?) Zeit in Den Haag mit ihren großen Chancen und Hoffnungen so rasch und wahrscheinlich endgültig beendet war.
    In den darauffolgenden Monaten zog ich mich immer mehr zurück. Nach wenigen und stets sehr stummen und verunsichernden Treffen mit meinen Freunden ging ich keinerlei sozialen Kontakten mehr nach und sah mich nicht einmal mehr in der Lage, mit ihnen zu telefonieren. Ich erschrak darüber, nun wieder in jener verhassten Kleinstadt und dem einengenden Zuhause festzuhängen und wie kontakt- und herzlos das Miteinander in unserer Familie war. Meine Krankheit wurde nicht akzeptiert, sie musste schnellstmöglichst weg und ich normalisiert werden. Ich schlief so lange es ging, war komplett antriebs- und lustlos, schaute bis spät in die Nacht Cartoons, las dösend den gesamten Tag über und schaute Fernsehen. Besonders die Tatsache, dass ich völlig ohne Cannabis in dieser wohlbekannten Apathie tiefer denn je festhing, erschütterte mich, schließlich hatte ich zuvor immer meinen Cannabismissbrauch dafür verantwortlich gemacht. Ich hörte keine Musik mehr, beim Gitarrespielen empfand ich nichts und eigene elektronische Musik konnte ich auch nicht mehr machen. Ich las mir alle möglichen Informationen über Geisteskrankheiten und Persönlichkeitsstörungen durch und fand mich hier und dort wieder. Der Psychotherapie, die sich einseitig auf meinen abweisenden Vater konzentrierte, verdanke ich, dass ich mit meinem Vater nun kaum mehr sprechen kann und regelrecht Angst und Bestürzung vor ihm empfinde.
    Schließlich kommunizierte ich gar nicht mehr mit meiner Therapeutin und empfand es als ungeheuren Druck seitens meiner Mutter, weiterhin dorthin gehen zu müssen. Als ob irgendein Arzt die Lösung all meiner Probleme bieten könnte! Ich hörte schließlich auf, lehnte aber auch einen Aufenthalt in einer Klinik ab, begann wenige Gespräche in den Landeskliniken, die eher auf Sucht- und Drogenprobleme spezialisiert waren, und fand schließlich einen sympathischen Psychologen, der mich und meine Eltern respektvoll behandelte und zu dem ich schnell Vertrauen schloss. Meine Besuche dort einmal in der Woche sind die einzigen Lichtblicke in meinem dumpfen Zustand.
    Jene Phase dauert nun schon sieben Monate an. Während ich mich und mein sinnloses Tun zu Beginn noch oft verfluchte und mich zurück nach Den Haag oder Berlin wünschte, habe ich mittlerweile resigniert und denke gar nicht mehr über meine Zukunft oder mich selber nach, jedenfalls so gut es geht. Ich weiß überhaupt nicht mehr, wer ich bin, geschweige denn, wie ich unter den Umständen hier wieder zu mir selbst finden kann. Ich selbst? Bin das ich, der an elektronischer Musik bastelt, kifft und über Realitäten nachdenkt? Und kann ich es wagen, wieder dieser abgefuckte jemand zu werden? Aber bin ich das überhaupt oder ich unter jahrelangem Einfluss von Cannabis? Und musizieren ohne Cannabis? Und wer zum Teufel ist dieses Häufchen Elend, das Nachts um Vier in seinen Bildschirm starrt und irgendwelchen Comicfiguren bei ihrem Leben zusieht? Ich scheue vor Menschen zurück und habe Angst, irgendeinem bekannten Gesicht zu begegnen. Andauernd sind meine Eltern um mich, meine Mutter spielt Hobbypsychologin und verteufelt meinen langjährigen Drogenmissbrauch. Um auszuziehen, fehlt mir Kraft. Und so verschwende ich meine wertvolle Jugend und mein womögliches Talent, meine Flügel sind längst abgestorben und ich ersticke langsam.
    Warum musste ich gerade, als ich ausgezogen und frei war, wieder in diesen furchtbaren Zustand fallen? Wie konnte ich mich in Den Haag nur so im Wahn verrennen? Warum kiffte ich jahrelang so ungeheuer viel, obwohl ich es immer als schädlich empfand? Wie kommt es, dass ich ganz ohne Gras in einer solchen Phase feststecke? Wie kann ich dieses einschneidende Erlebnis in mein Leben integrieren und daraus die richtigen Konsequenzen ziehen? Wie finde ich wieder zu mir?
    Vielen Dank.

  • Schade, mag denn keiner was dazusagen? Ich weiß, so ein langer Text wirkt erstmal ziemlich abschreckend, aber ich habe mir viel Mühe gegeben und glaube, es ist doch ziemlich interessant und persönlich geworden. Würde mich echt sehr über eine Antwort und Ideen freuen!

  • Hallo 2dusty,
    sorry, ist mir wirklich zu viel zum lesen - zumindest auf einmal.
    Bei mir gehts nicht ums wollen, sonder ums können.
    Konzentration ist nicht meine Stärke.
    Werds häppchenweise lesen, okay?
    Grüße, Nebula

  • hi dusty

    wollte mal sagen, dass ich es gelesen habe - schon ne weile her, habe aber den letzten aktuellen abschnitt jetzt nochmal gelesen. find ich sehr beeindruckend - auch dass du das alles so schreiben kannst.

    was mir so spontan einfiel und einfällt: in eine klinik zur stationären psychotherapie und dann weg von den eltern ziehen - vielleicht in der selben stadt bleiben, sodass du deinen psychologen behalten kannst. dann solange und schritt für schritt an deiner wiederherstellung bzw. findung zu arbeiten, bis du soweit bist, wieder nach den haag zu gehen. oder was immer du dann willst.

    zu der "wer bin ich"-thematik. das alles bist vermutlich du. oder teile von dir. zumindest warst du in der lage zu dem allen...

    ich glaube, dass drogenkonsum längerfristige nachwirkungen hat. also dass das psychische einfach länger dauert als das körperliche runterkommen.

    okay, du hängst jetzt in einem depressions-loch und hast das gefühl, dein leben zieht an dir vorüber. vom zuschauen alleine wird es nicht besser werden. mach einen schritt. und ich denke, dass das erstmal heisst: weg von den eltern. die kraft dafür könntest du dir bei einer stationären reha/therapie holen, die im übrigen ebenfalls von den eltern weg wäre.

    ich habe festgestellt, dass man gerade zuhause bei den eltern immer mehr kraft verliert, weil man dort ja völlig regrediert: man muss sich um nichts kümmern. und das heisst auch: keine erfolgserlebnisse. und das ist gerade bei Depressionen gar nicht gut.

    also, in diesem sinne: verlange nicht zuviel von dir. eine psychose ist kein pappenstiel, das musst du erstmal verdauen. aber mache dich auf den weg.

    und was die gründe für das alles anlangt: die sind vermutlich auch in therapie, selbsthilfe etc. am ehesten rauszufinden. da du ja auch ein kreativer mensch bist, hast du da auch gute möglichkeiten, dich zu erforschen und auszudrücken.


    ich wünsche dir alles gute
    tulip

  • Mal so ganz kurz ... ja ein langer Text, und ich denke wenn du ihn dir durch liest merkst du selber, dass wohl mal eine Zeit in einer geschützten Umgebung, dir gut tun könnte.

    Muster werden früh angelegt, und müssen durchbrochen und neu erlernt werden.

    Mein Rat such dir eine Klinik, find zu dir, und dann schau weiter :smiling_face:


    LG Julchen

  • uff, wasn Text!

    Habe mich erst jetzt drangetraut. Hochinteressant und sehr gut geschrieben......

    kann Dir auch nur dasselbe raten; halte eine Langzeittherapie in einer Suchtklinik, die sich mit drogeninduzierten Psychosen auskennen, für am sinnvollsten, auch wenn Du nicht mehr akut psychotisch bist, denke ich brauchts da professionelle Unterstützung um Deine ganzen Erlebnissse zu verarbeiten.

    Gut wäre eine Einrichtung, die mit verhaltenstherapeutischem Ansatz arbeitet. Dadurch hast Du die Möglichkeit, Deinen grundlegenden psychischen Problemen, die wohl schon immer da waren, auf den Grund zu gehen und lernst gleichzeitig wie Du aus eingefahrenen Verhaltensmustern wieder rauskommst.
    Vielleicht am allerwichtigsten, Du lernst wieder einen normalen Tagesablauf mit klaren Strukturen, was Dir ja momentan komplett fehlt.....
    Dein Psychologe kann Dich da sicher beraten, sonst aktiv werden z.B. eine Drogenberatung aufsuchen.

    Damit kämst Du von Deinen Eltern weg, was zum jetzigen Zeitpunkt zwar der naheliegendste aber trotzdem der ganz falsche Ort für Dich ist. In einer stationären Therapie kannst Du auch Licht in Dein Verhältnis zu Deinen Eltern bringen aber vorallem, was am allerwichtigsten ist wieder zu Dir selber finden.

    Dann bist Du auch irgendwann wieder soweit, Dir zu überlegen wie Dein Leben grundsätzlich weitergehen könnte, was& wohin Du willst.

    Wünsch Dir erstmal alles Gute,
    wäre schon wenn Du weiterberichtest:)
    :8:
    Lieben Gruß,
    Kassandra

  • Hallo ihr!

    Erst einmal einen ganz großen Dank für eure Antworten und die Zeit, die ihr euch genommen habt, um den langen Text zu lesen. Schön, dass der oder die ein oder andere daran auch Gefallen gefunden hat. Und dann ein noch größeres Entschuldigung, dass ich mich so lange nicht mehr zurückgemeldet habe. Mir fehlte einfach die Kraft und ich wusste auch nicht so recht, was ich denn zurückschreiben sollte.

    Mittlerweile geht es mir wieder ein bisschen besser. Über den Sommer waren zwei gute Freunde von mir zu Besuch und ich selbst war sogar eine Woche lang in Hamburg bei einem früheren Bekannten, was dazu führte, dass sich meine Perspektive etwas öffnete und ich begriff, dass da ja noch sehr viel mehr ist, als Tag für Tag im Zimmer zu hocken und mein Leben an mir vorbeiziehen zu lassen, und dass ich dazu eigentlich auch in der Lage bin.
    Dennoch bin ich immer noch sehr ratlos. Zum einen ist die Situation bei mir mit meinen Eltern nach wie vor angespannt und kompliziert. Gestern meinten meine Eltern mal wieder nach langer Zeit, mir einreden zu müssen, ich solle endlich anfangen zu arbeiten. Grundsätzlich ist das ja auch richtig und ich selber will ja auch endlich wieder anfangen zu tun, aber in solchen Situationen kriege ich kaum noch ein Wort hinaus und fühle mich extrem unter Druck und Bewertung gesetzt. Noch dazu möchte ich eigentlich nicht hier anfangen, eine Verpflichtung einzugehen, sondern lieber erst ausziehen und fernab von meinen Eltern meinen Neustart beginnen.
    Allerdings fehlt mir auch dazu noch Kraft und Motivation. Früher etwa war Berlin so mysthisch und besonders für mich, heutzutage sehe ich das schon sehr viel nüchterner und vermisse dieses Gefühl, das richtige und beste zu tun. Allgemein vermisse ich mein altes Ich oder den Teil meiner Persönlichkeit, der Tage lang nur herumexperimentiert, philosophiert, musiziert und schreibt. Das war früher zwar auch alles immer mit Cannabis verbunden, aber dieser produktive, kindlich entdeckende Teil von mir ist schon seit meiner Rückkehr eingeschläfert und ich habe Angst, dass er nicht mehr wirklich zurückkommt. Diese Problematik kommt in dem langen Text nicht so wirklich raus. Ich frage mich, ob es anderen Betroffenen hier ähnlich geht und sie einen Teil ihrer früheren Persönlichkeit verloren haben oder vermissen.

    Einen Klinikaufenthalt kann ich mir nicht so recht vorstellen. Es wäre zwar der leichteste Schritt, mich erstmal von meinen Eltern zu entfernen, aber auch nur wieder ein Provisorium und wieviel ich dort wirklich für mich mitbekommen würde, wage ich zu bezweifeln.

    Über eure Antworten und Anregungen freue ich mich sehr!

  • Tatsache ist eben das sich überhaupt gar nichts verändern wird solange Du Dich nicht veränderst. Ich kann die Sorgen Deiner Eltern schon nachvollziehn, Du sicherlich auch. Es gibt hier keinen einfachen Weg, alle sind schwer. Aber zu schaffen, da bin ich mir ganz sicher. LG, Carry

  • Hi dusty!

    Kann eigentlich nur wiederholen, was ich schon geschrieben habe....

    Zitat von 2dusty

    Einen Klinikaufenthalt kann ich mir nicht so recht vorstellen. Es wäre zwar der leichteste Schritt, mich erstmal von meinen Eltern zu entfernen, aber auch nur wieder ein Provisorium und wieviel ich dort wirklich für mich mitbekommen würde, wage ich zu bezweifeln.



    Was spricht dagegen?
    Was hast Du zu verlieren?
    Und ob Du dort was mitnehmen kannst oder nicht, käme auf einen Versuch an, oder?

    Zumindest könnte es eine gute Möglichkeit sein, Dich wieder neu zu erleben, Dich selbst drogenfrei mit professioneller Hilfestellung zu hinterfragen, Dein kreatives Potenzial neu zu reaktivieren.

    Meinst nicht, dass dadurch Deine Motivation zurückkommt(-kommen könnte)?

    Bist Du noch bei diesem Psychologen?
    Was meint er dazu?

    LG,
    Kassandra

  • hi dusty,

    schön dass du dich meldest - hab ich erst jetzt gesehen..

    ich hab ja schon geschrieben was ich zu deiner situation zu sagen habe, mach mich nicht extra wiederholen. nur soviel:
    du bist im nirgendwo - dann kannst du auch in eine klinik gehen. frage leute die schon in kliniken waren, die meisten werden berichten, dass sie das weitergebracht hat.
    du hast erstaml nichts zu verlieren, denn so wie du jetzt aufgestellt bist, wird sich da nichts gross tun wie es mir scheint.

    alles gute
    tulip

  • Hi Dusty,

    ich leb jetzt seit 16 Monaten ohne Kiffen und der kreative Teil meiner Persönlichkeit ist seit dem Verschütt gegangen. Da ich ne Psychose bekam und unter Verwolgungswahn und Verschwörungstheorien gelitten habe was auf jeden Fall im konkreten Zusammenhang mit dem Thc stand will und werde ich auch in Zukunft die Finger weg lassen von dem Zeug.
    Ich mach ne Therapie, gehe einmal die Woche zur Gruppe und einmal zum Einzelgespräch und der Ausstausch mit anderen Kiffern, welche auch ne Psychose hatten hat mir echt geholfen. Ich denke schon, dass es sich lohnt, was zu tun und sich Hilfe zu suchen. Allein kommt wohl niemand mit so einer Erkrankung nicht klar. Ich wünsch dir immer g24h

    Sven

  • 2dusty. Ich hoffe sehr dass Du das liest. Wie geht es dir heute? Hab mich extra wegen Dir hier angemeldet. Ich habe mich in einigen Passagen deines Textes wiedererkannt. Würde mich sehr freuen etwas von Dir zu hören :smiling_face: LG

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