Panoptikum

  • Guten Tag,

    nun weiß ich nicht wirklich wie ich meine Situation beschreiben soll, sodass sie nach außen hin verständlich ist. Ich habe die 20 erreicht und lebe emotional total abgestumpft. Kurz und bündig kann ich das schreiben und mir objektiv vorsagen, aber ich will es nicht in der Art akzeptieren, dass ich daran was ändern kann.
    Wenn ich früh aufstehe überlege ich mir, wie ich den Tag sinnvoll 100% ausschöpfen kann, meistens jedoch weiß ich das schon am Vortag. Da ich einen Ingenieursstudiengang besuche, gibt es immer die Möglichkeit ein spezielles Gebiet anzugehen und sich in irgendwas einzulesen. Damit will ich sagen, dass die Tagesplanung immer aus Lernen besteht, Stoff rein und hoffen, dass es was bringt.
    Daneben gibt es noch die Tatsache, dass ich früher übergewichtig war und dies mithilfe von Sport und "Friss die Hälfte" bzw. "Friss gar nichts und wenn dann nur ein Brot am Tag" beseitigt habe. Daher lebe ich seit ungefähr 3 Jahren so, dass ich über den ganzen Tag nichts an fester Nahrung oder Getränken außer den mir festgelegten 4-5 Liter Wasser bzw. sehr selten zur Mittagszeit ganz bewusst mit schlechtem Gewissen einen Apfel oder eine Karotte zu mir nehme, dafür aber am Abend eine üppige Mahlzeit mit Nachtisch habe.
    Mein eigentliches Ziel bezügl. dieses Problems war eig. neben Normalgewicht rein theoretisch auch optisch ein gute Figur zu erhalten, leider bleibt ein Bauch übrig, der auch mit meiner neuen Essgewohnheit/zwang nicht verschwindet. Um nicht wieder auf das alte Gewicht zu kommen, verschiebe ich deshalb meinen "Essensdrang" auf den Abend, um nur einmal zulangen zu müssen, denn so etwas wie Sättigungsgefühl empfinde ich schon lange nicht mehr.
    Ein weiteres Problem , dass ich nicht explizit formulieren kann. Wenn ich mich mit Menschen unterhalte, fällt mir auf dass ich etwas anderes sage, was ich denke und mich im Nachhinein immer aufrege. Soweit ist das natürlich nehme ich an, aber ich meine eine andere Dimension; mir scheint es so, als würde ich jedes Gespräch dahingehend gegen meine innere Stimme manipulieren, um die andere Person nicht zu kränken bzw. sie im völligen Konsens leben zu lassen. Soziale Kontakte sind für mich deshalb sehr schwierig. Ich kann mich super mit vermeintlichen Freunden unterhalten, aber spricht mein Mund ist mein Kopf gleichzeitig woanders.
    Suche die Freunde mit gleichen Interessen, wäre die erste Aussage, aber ich glaube das Problem sitzt tiefer. Meine Interessen beziehen sich auf fast alles, ich möchte alles wissen, möchte alles begreifen, weiß gleichzeitig dass das unmöglich ist. Mir fehlt die Tiefe und Praxis auf einem speziellen Gebiet um in eine Schublade gesteckt werden zu können. Deshalb kann ich auch nirgendwo dazugehören und will es auch nicht.
    Ich würde gerne aber kann es nicht, das klingt paradox aber ich schreibe hier so intuitiv wie möglich, um mich selbst auszutricksen. Ich muss alles doppelt lesen und vll. auch Formulierungen anders gestalten, immer mit den Gedanken, wie die andere Person darauf reagieren könnte und dies versuche ich auch bewusst zu nutzen. Ich lasse mich nicht auf irgendetwas ein, versuche im vor hinein alle möglichen Optionen abzudecken um zu beurteilen, wie es weiter geht.
    Mein Kopf ist voller Ideale.
    Themen, bei denen ich mich gut unterhalten kann sind meist ein Pro- Contra Diskussion, wobei ich immer die Seite des Kontras einnehme. Ein "christliches" Kontra", so überzeugend die Pro Seite auch ist, ich versuche den Leuten zu zeigen, dass man sich auch in andere hinein versetzen muss. Ich lebe kein eigenes Leben mehr, weil ich nicht weiß was mein eigenes Leben ist. Mir macht mein Studium Spaß und ich würde es gerne mit dem Perfektionismus weitermachen, nur habe ich deshalb wirklich keine einzige Minute mehr für andere Dinge.
    Emotional gesehen bin ich kein depressives Wrack sondern eher abgestumpft. Ich schreibe diesen Text ohne eine einzige Träne, rein Ratio sagt mir, dass irgendetwas nicht stimmt. Mein Empfinden gegenüber meinen Eltern ist nur noch ein "Blutband". Ich würde ihnen helfen bei diversen Situation im Leben Komma Weil sie meine Eltern sind. Hier wäre mir lieber die Argumentation bestünde darin, die Zuneigung und Liebe als Grund zu nennen, was das ist weiß ich nicht.
    Ich komme aus einer normalen intakten Familie, was den Grund für mein Verhalten nicht einfacher erklären lässt.
    Gut gemeinte Ratschläge achte ich, aber sie haben für mich keine Bedeutung, da sie gut klingen, aber keine Wirkung bei mir zeigen. Ich hoffe, dass ich im besten Falle irgendeine Krankheit habe, um mit dieser Erkenntnis das auf einer anderen Ebene zu akzeptieren und möglicherweise auch zu beheben. Im Moment lebe ich so wie es ist, die Stadien von Traurigkeit, Einsamkeit und Resignation liegen hinter mir, wie gesagt Abstumpfung und Neutralität. Man kann damit leben, aber es wäre auch schön einmal loszulassen und so frei zu sein wie man es augenscheinlich von anderen kennt und sieht.

    Ich danke allen die sich die Zeit nehmen diesen langen wirren Text zu lesen und wünsche eine gute Nacht.
    [FONT=&quot]Hirge [/FONT]

  • Hallo Hirge, du sagst, du weisst nicht, was Liebe und Zuneigung (von deinen Eltern) ist. Liegt es daran, dass sie dir das nicht gaben oder kannst du es einfach nicht fühlen? War das anders, als du noch ein Kind warst? Hast du irgendwann Dinge erlebt, weshalb du hinterher nichts mehr fühlen wolltest? Woher kam dein Übergewicht? Warst du überhaupt wirklich übergewichtig, oder hast nur du selbst das so gesehen? Hast du schon mal mit einem Arzt, Therapeuten, ... über dein Empfinden gesprochen, dass "etwas nicht mit dir stimmt"?

    LG, alive

  • Guten Morgen,

    erst einmal danke für deine Antwort.
    Naja, emotional gesehen war meine Kindheit durchschnittlich würde ich sagen. Mein Vater verstand es zwar nicht, mir wirkliche sichtbare Zuneigung in Form von Spielen und intensiver Aufmerksamkeit zu geben, aber er war auch bis am Abend auf Arbeit. Im jetzigen Alter kann ich verstehen, dass es Menschen gibt, die dann einfach Zeit für sich brauchen.
    Bei meiner Mutter war das anders, die meiste Zeit gab sie mir immer das was ich wollte. Irgendwie habe ich das Gefühl, dass ich ihr schon früh intellektuell überlegen war und ich bitte dich dass nicht falsch und arrogant zu verstehen. Kam sie von der Arbeit schaute ich nach ob sie Süßigkeiten dabei hatte, wenn nicht regte ich mich künstlich auf (auch hier wieder nur künstlich) um sie so zu manipulieren, dass es am nächsten Tag etwas gab. bzw. fand immer Argumente Fernsehen zu schauen etc. pp. Daneben gab es auch Tage, wo sie ihren Frust sichtbar gezeigt hat und man auch emotional etwas davon abbekommen hat.
    Mein Übergewicht kam neben genetischer Veranlagung auch aus o. g. Gründen. Meine Mutter wusste was für mich im Moment gut ist um mich zufrieden zu sehen, ohne jegliche Konsequenzen und Grenzen abzuschätzen.
    In meiner "Teenager"-Zeit war ich sehr idealistisch, kein Alkohol, keine Zigaretten, keine verbalen Ausdrücke, einfach einen Weg suchen, den in meiner Generation kaum einer gegangen ist. Es gab links und rechts, es gab diverse Musikrichtungen. Ich wollte alles und wollte mich auch abgrenzen... Vermutlich ein Art von geistigem Masochismus, genau wie das zwanghafte Lernen um immer der beste zu sein.
    Das einzige Mal, wo ich wirklich zu Beginn etwas empfunden hatte, war bei meiner Ex-Freundin, nur ebbte dieses Gefühl sehr schnell ab. Warum? Nun, ich genoss ihre Leichtigkeit des Seins und das Genießen. in der Beziehung wurde mir aber klar, dass ich durch diese Bindung nicht auch wie sie sein kann und zwei Pole aufeinander treffen. Auch fehlte mir die gleiche geistige Ebene. Kurzum, dieses Gefühl war sehr schnell da und sehr schnell weg. Ein Seufzer für die Ewigkeit.
    [FONT=&quot]Ich habe keinerlei ärztliche Erfahrung in diesen Dingen. [/FONT]

  • Dir scheint es ziemlich wichtig zu sein, herauszufinden, was deiner Ansicht nach, nicht mit dir stimmt. Könntest du dir denn vorstellen, mit einem Profi zu sprechen?

  • Im Grund wäre das schon eine Option für mich. Ich wollte hier anonym und somit hoffentlich nüchtern Meinungen einholen, die sich meinem Problem annehmen und mir ein Richtung zeigen können.
    Vll. passt meine Sitation zu Symptomen irgend eines Defektes oder ähnlichem oder einer Verhaltensstörung, die jemand kennt.

  • Tut mir leid, aber wir sind alle keine Profis. Wir können dir keine Diagnose stellen. Auch ein Arzt oder Therapeut muss dich kennenlernen, um beurteilen zu können, ob und was mit dir ist. Ein paar geschriebene Zeilen reichen dazu nicht aus.

    Schau einfach nochmal weiter im Forum, ob du etwas genaues findest, was dich anspricht. Du hast z.B. von Esszwang erzählt, weshalb du ja mal in das Board "Esstörungen" schauen könntest. Resignation kann bsp. Teil einer Depression sein, muss aber nicht. Auch da kannst du mal reinschauen.

    LG, alive :smiling_face:

  • hey hirge,
    hab grad deinen Beitrag gelesen und mich selbst zum teil echt wieder erkannt, vor allem in Bezug auf die pro/contra Diskussionen. Bei mir ist es auch sehr oft so, dass ich Dinge sag/ für Dinge einspringe die ich eigentlich überhaupt nicht vertrete. Ich denk ich mach das auch um die Thematik komplexer betrachten zu können beziehungsweise es wäre ja sonst keine Diskussion mehr wenn jeder auf die selbe Weise argumentiert.
    Mir stellt sich dann auch des öfteren die Frage danach, wer ich eigentlich bin und was ich mit dieser Objektivität eigentlich bezwecke.

    Ansonsten kann ich Alive nur Recht geben, bin leider auch kein Profi aber vielleicht kann dir einer helfen dich selbst noch etwas näher kennen zu lernen.

    Viele Grüße,
    Leona

  • Danke Leona für das "nicht alleine sein".

    Mir stellen sich aber jetzt einige weitere Fragen.
    - Zahlen generell Krankenkassen die Psychothereapie oder muss ich das privat verbuchen.
    - Brauche ich von meinem Hausarzt eine Überweisung oder geht das auch direkt
    - Ich wohne noch bei meinen Eltern, bin bei ihnen mitversichert. Nun kenne ich mich mit Versicherungen nicht wirklich aus und muss gestehen, dass ich nicht weiß in wieweit meine Eltern von meinem Besuch durch schriftliche Dinge Bescheid wissen werden.
    Die Diskussion wäre nicht das Problem, nur die Verschwiegenheit gegenüber der Verwandschaft bzw. darüber hinaus bezweifle ich, was mir aus irgendwelchen Gründen unangenehm ist.

    Um diese Punkte überhaupt anzugehen würde ich aber gerne wissen, wie die Erfahrung bei anderen ist. Auch wäre es wirklich hilfreich zu erfahren, ob es denjenigen hilft/geholfen hat.

  • Meiner Erfahrung nach bekommst du eine Überweisung vom Hausarzt und soweit du über 18 bist hat er und die KK Schweigepflicht gegenüber deinen Eltern. Sollte ich mich irren berichtigt mich.

  • Ich geh mal davon aus, dass du gesetzlich krankenversichert bist?!

    Du bekommst die Überweisung vom Hausarzt, wie MistaNice schon sagte, der dich dazu im Vorfeld befragen wird, warum du zum entsprechenden Kollegen gehen willst. :winking_face: Oft kannst du dir auch einen Therapeuten oder 'Psychiater empfehlen lassen, wenn du dir nicht selbst jemanden suchen willst.
    Alternativ kannst du auch direkt zum Therapeuten oder 'Psychiater gehen und dort die 10 Euro Praxisgebühr zahlen - dann spar du dir den Gang zum Hausarzt. Mein Therapeut kann beispielsweise auch Überweisungen schreiben, also falls notwendig eben zum Hausarzt überweisen, sodass ich nicht doppelt zahlen muss. Oft bekommt man auch eine Quittung, dass man bezahlt hat, und die kann man dann vom Hausarzt gegenzeichnen lassen und weitere Überweisungen dann von Hausarzt bekommen.

    Therapien werden von den Krankenkassen übernommen. Dazu muss dein gewählter Therapeut oder 'Psychiater einen entsprechenden Antrag stellen, der von einem Gutachter geprüft und dann eben genehmigt oder abgelehnt wird. (Dauerte bei mir 5 oder 6 Wochen :13: )
    Du hast 5 sogenannte probatorische Sitzungen bei einem Therapeuten etc., die die Krankenkasse auf jeden Fall übernimmt. Währenddessen könnt ihr euch gegenseitig kennenlernen und herausfinden, ob ihr miteinander arbeiten könnt oder wollte. Wenn's nicht passt, kannst du danach (oder schon vor Abschluss der prob. Sitzungen) zu jemand Anderem gehen. Danach stellt der Therapeut den Antrag.

    Hm, ich war (unter 18 ) auch bei einem meiner Eltern mitversichert, aber meines Wissens haben die von meinen Arztbesuchen nichts erfahren - Zumindest wurde nie etwas darüber gesagt, dass irgendein Brief oder etwas kam, wo "umerklärliche" Dinge draufstehen.
    Aber das muss nichts heißen, vielleicht wurde ich einfach nur nicht darauf angesprochen.

  • Ärzte und Therapeuten haben grundsätzlich Schweigepflicht. Natürlich kann man einzelne Personen davon entbinden.

    Ich fand Thera etwas ganz Tolles. Es war der richtige Ort, um mich selbst kennen zu lernen. Vorher fühlte ich mich auch immer irgendwie anders als andere, konnte aber nie genau benennen, weshalb das so war.

    LG, alive

  • Vielen Dank für die Mühe und Auskunft. Es ist kein Punkt dabei, der mir den Gang erschweren würde, das sollte eig. beruhigen.

    Heute hatte ich wieder keine freie Zeit für mich und so zum Nachdenken. Folglich lese ich das und denke, dass ich in diesem Stadium keine Hilfe benötige, weiß aber gleichzeitig, dass am Wochenende wieder eine Zeit kommt, wo ich mir die zu Beginn genannten Sorgen mache.

    Naja, mehr als den Kopf schütteln kann der Psychotherapeut auch nicht.

    Ich muss mir einmal überlegen, wie ich meiner Hausärztin näher zu bringen, in welchem Grad ich mich ihr öffnen kann und will.

Jetzt mitmachen!

Du hast noch kein Benutzerkonto auf unserer Seite? Registriere dich kostenlos und nimm an unserer Community teil!