Hallo, ich leide seit ca. einem Jahr an schweren Depressionen. Ich kann mich noch erinnern, dass es mal Zeiten gab, an denen ich glücklich war...ich fange einfach mal vorne an.
Mit 16 fing ich an zu rauchen und Alkohol zu trinken. Wenig später entdeckte ich das Kiffen für mich. Aus "nur mal am Wochenende" wurde recht schnell ein Zwang, jeden Tag zu konsumieren. Alles drehte sich nur noch ums Kiffen. Der Tag bestand nur noch daraus, den Tag zu überstehen. Ich brauchte Hasch, um am Abend einschlafen zu können. Irgendwann rauchte ich dann meine 3-4g am Tag. Die Sucht war mittlerweile so weit fortgeschritten, dass ich morgens direkt nach dem Aufstehen vor der Schule meine erste Pfeife rauchte und abends vor dem Schlafengehen die letzte. Ich bekam Entzugserscheinungen in Form von kaltem Schweiß, Gänsehaut, Übelkeit, Kopfschmerzen usw, wenn ich mal nichts hatte. Ein unbeschreiblich widerliches Gefühl. Ich bekomme Gänsehaut, wenn ich nur daran denke. Sicherlich bemerkte ich zu dieser Zeit auch, dass irgendwas in meinem Leben schief laufen musste, doch anstatt meine Probleme anzugehen, rauchte ich sie einfach weg. Insgesamt habe ich vier Jahre gekifft und ich musste kaum einen Tag ohne auskommen. Irgendwann fing ich an, mich für härtere Drogen zu interessieren, meinen nächsten Erfahrungen machte ich mit psychoaktiven Pilzen. Ich lernte immer wieder neue Leute kennen, die auf einmal die besten Freunde waren. Alte Freunde waren schnell vergessen und solange ich high war, interessierten einen die Menschen auch herzlich wenig. Diese neuen „Freunde“ kannten wiederum andere und jeder kannte irgend eine andere Art und Weise, sich abzuschießen. So gab es also schließlich Extasy, Speed, Crystal, selten Koks, Pilze, Poppers, und viele andere Sachen, die das Leben scheinbar leichter machten. Die Woche begann freitags und hörte irgendwann montags auf. Montags war ich schon generell nicht mehr in der Schule und auch die anderen Tage waren im Prinzip nur ein Absitzen der Zeit, denn man musste sich ja schließlich 3 Tage vom Wochenende erholen. Ein Wunder, dass ich dort überhaupt noch auftauchte.
Gegessen hab ich in der Regel die drei Tage am Wochenende gar nichts. Der Körper erzeugte einfach kein Hungergefühl. Dieses Leben dauerte ein gutes Jahr an. Irgendwann machte ich mir Gedanken über meine Zukunft. Ich beschloss, den ganzen Drogenmist aufzugeben. Ich habe oft über mein Leben nachgedacht, etliche Versuche gestartet, aber die Drogen waren immer stärker. Irgendwann habe ich es geschafft, von den harten Sachen loszukommen, dann das Kiffen und schließlich sogar das Zigaretten rauchen zu beenden. Ich litt wochenlang Höllenqualen, die ich meinen schlimmsten Feinden nicht wünsche! Als ein wenig Zeit vergangen war und ich realisierte, was ich geschafft habe fühlte ich mich frei, frei von all diesen schrecklichen Lastern dieser Welt. Ich fing an, wieder Sport zu treiben, probierte mal dies, mal das und kam doch einigermaßen „gut“ klar. Doch irgendwie war das Leben anders geworden. Ich hatte das Gefühl, nicht mehr der selbe Mensch zu sein. Es vergingen vier Jahre, die ich irgendwie Drogenfrei überstand. Bier am Wochenende war die Ausnahme.
Letztes Jahr im Sommer habe ich eine Ausbildung angefangen, die überhaupt nicht zu mir passte. Ich war jeden morgen tot unglücklich, wenn ich an die Arbeit musste. Abbrechen kam vorerst nicht in Frage, zu sehr hatte ich Angst, in der heutigen Arbeitsmarktsituation nicht mehr auf eigene Beine zu kommen.
Soweit die Vorgeschichte, jetzt zu meinem eigentlichen Problem:
Eines Tages, während der EM letzten Jahres kam der Tag, an dem sich mein Leben vollkommen verändern sollte: Mir wurde mir aus heiterem Himmel schwindelig. Es gab eigentlich keinen wirklichen Grund. Ich fühlte mich generell ein wenig unwohl. Ich saß mit ein paar Freunden und Familie in einer Gaststätte und habe ein Alster getrunken, mehr nicht. Auf einmal drehte sich alles, ich bekam furchtbare Panik. Ich musste raus, einfach raus aus der Menschenmasse und wollte nur noch alleine sein. Ich setzte mich also etwas abseits auf eine Bank und dachte, ich ruh mich ein wenig aus und dann geht das schon wieder...
...seit diesem Tag leide ich unter Depressionen undWahrnehmungsstörungen. Die ersten Tage hatte ich das Gefühl, es würde eine Art Film ablaufen, den ich aus der Ich Perspektive sehe, aber nicht steuern, bzw. nicht aktiv teilnehmen kann. Ich hatte mich selbst nicht mehr unter Kontrolle. Ich konnte nicht mehr arbeiten, mich mit Freunden treffen, einfach gar nichts mehr. Ich fühlte mich nur noch „wohl“, wenn ich auf dem Sofa unter einer Decke lag und fern gesehen hab. Das klingt jetzt vielleicht merkwürdig, aber mein Blick konnte sich am Fernsehbildschirm festhalten. Sobald ich aufstehen musste um wieder am „normalen Leben“ teilzunehmen, blockierte mein Körper vollkommen und ich hatte wieder Wahrnehmungsstörungen und wurde zutiefst Depressiv. Ich dachte, irgendwann wird dieser Zustand sicher wieder von selbst verschwinden, doch das war nicht der Fall. Ich war am Ende mit den Nerven und vertraute mich einem Psychotherapeuten an. Seit dem befinde ich mich in psychotherapeutischer Behandlung. Mein Therapeut ist zum Glück echt super, ich kann mit ihm über wirklich alles reden und habe auch keine Hemmungen, irgendetwas zu erzählen. Trotzdem war meine innere Welt so zerstört, dass ich irgendwann sogar an Suizid dachte. Ich bekam Citalopram. Ich glaube die nächsten zwei Wochen waren (abgesehen von meinen Drogenentzügen) die schlimmsten meines Lebens. Ich wusste zwar, dass Antidepressiva erst nach mehreren Wochen positiv wirkt, aber so schlimm hatte ich mir die Erstverschlimmerung nicht vorgestellt. Ich konnte kaum noch schlafen, vielleicht zwei Stunden jeden Tag. Den Rest lag ich in meinem Bett und habe einfach nur Schmerzen gelitten. Meine Situation hat sich von Tag zu Tag verschlimmert und ich habe mich wie ein 3-Jähriger an die Seite meiner Mutter gehangen, die mir unwahrscheinlich halt gab und mich unterstützt hat, wo sie nur konnte. Als keine Besserung eintrat, habe ich auf Mirtazapin (15mg) gewechselt. Hier genau das Gegenteil: ich schlief ungefähr 12-14 Stunden am Tag, war den ganzen Tag müde. Aber es ging mir zumindest besser. Meine Ausbildung habe ich geschmissen und bin wieder Schüler. Dazu muss ich sagen, dass mich meine Ausbildung wirklich fertig gemacht hat. Die Erklärung würde an dieser Stelle wohl zu lange dauern. Kurz: Es war die Hölle.
Ich habe dann angefangen mein Abi nach zu machen. Mit Hilfe des Medikamentes konnte ich zumindest wieder existieren. Zwischenzeitlich ging es mir schlechter und ich erhöhte auf 30 mg. Die Medikamente helfen mir zwar einerseits, aber andererseits hasse ich sie. Ich bin so wütend und enttäuscht von mir selbst, dass ich wieder Pillen nehmen muss. Ich hatte mir geschworen, nie wieder Drogen anzufassen. Sicherlich kann man Antidepressiva nicht mit Drogen vergleichen, aber ich habe ja verständlicherweise eine unheimliche Abneigung gegen Medikamente. Seit ein paar Monaten nehme ich jetzt Amitriptylin (50mg). Ich möchte unheimlich gerne die Medikamente absetzen, habe aber Angst, wieder in meinen alten Zustand zu verfallen. Ich habe oft Angst, dass ich nie wider ein normales Leben führen werden kann, denn ich komm ja jetzt sogar mit den Medikamenten nicht annähernd so gut klar, wie ich mir das wünsche. Ich schotte mich total von der Außenwelt ab vernachlässige Freundschaften. Wenn ich Anrufe bekomme, gehe ich oft gar nicht mehr ans Telefon. Ich habe zeitweise das Gefühl, die Introvertiertheit in Person zu sein. Schon immer hatte ich unheimlich große Probleme, mich Menschen zu öffnen, irgendwann habe ich vermutlich einfach den Anschluss verloren, ich weiß nicht mehr wann. Auch fällt es mir unheimlich schwer, mich auf eine Beziehung einzulassen, denn wie soll ich bloß erklären, wie ich momentan denke und fühle? Niemand würde mich verstehen. Grundsätzlich habe ich Schwierigkeiten, neue Menschen kennen zu lernen, fühle mich unter Menschen unwohl, verliere die Kontrolle über mich, kann überhaupt nicht mehr artikulieren, bin einfach innerlich tot. Wenn es mir mal nicht so gut geht denke ich immer, dass mir alles und jeder etwas Böses will und ich kann mich davon einfach nicht befreien. Im Endeffekt ziehe ich mich wieder zurück und denke, ich komme alleine besser klar, bis ich wieder einen psychischen Absturz bekomme. Ich glaub das ist eines der größten Probleme überhaupt, dass es keine Menschen gibt, bei denen ich mich geborgen fühle (außgenommen meiner Familie, die ich aber nicht permanent mit meinen Problemen belasten will).
Außerdem leide ich seit Jahren an Zwangsneurosen, die von Zeit zu Zeit extrem schlimm werden, aber auch wieder fast vollständig verschwinden. Ich habe Angst, dass ich mir durch meine Drogenlaufbahn irgendetwas zerstört habe, etwas irreparables im Hirn, wofür ich mein ganzes Leben zahlen werde. . Meine aktuelle Diagnose ist eine Depression mit Wahrnehmungsstörung bzw. Derealisation, was es meiner Meinung nach ziemlich auf den Punkt bringt. Doch ich hab wie oben erwähnt ja auch noch andere Probleme: Sowohl meine Zwangsneurosen (z.B.: Berührungszwang), also auch diese ständige Angst, krank zu werden, machen mich fertig. Es ist so schlimm, wenn man nichts hat, auf das man sich freuen kann. Ich verstehe meinen Körper einfach nicht mehr. Warum kämpft mein Körper gegen meinen Geist, also gegen mich? Ist es wirklich alles nur psychisch? Gibt es also diesen Hebel, den ich nur finden muss, um meinen Körper auf „normal“ zu programmieren? Oder bin ich körperlich krank, produziere ich vielleicht einfach kein Serotonin mehr aufgrund meiner Drogenlaufbahn und wenn das zutreffen sollte, werde ich es jemals wieder können? Fragen über Fragen, die ich mir permanent stelle. Ich kann den ganzen Tag an nichts anderes denken! Ablenkung fällt so furchtbar schwer, denn ich werde ja andauernd mit meinen Wahrnehmungsstörungen konfrontiert. Ich habe aber keinerlei Halluzinationen oder ähnliches. Es ist vielmehr ein unbeschreibliche Gefühl, als würde ich durch einen Schleier schauen, als könnte mein Hirn diese Reinzüberflutung an Wahrnehmung nicht verarbeiten und dieses Gefühl wiederum macht mich extrem Depressiv.
Ich muss aber auch erwähnen, dass ich Phasen habe, sehr kurze Phasen wohlgemerkt, in denen es mir gut geht. Phasen, in denen es mir schon wieder zu gut geht. Ich fühl mich dann, als ob ich gerade ne line gezogen hätte oder ein richtig guter Trip anschlägt. ich hab totale highs, werde teilweise sogar überheblich und arrogant, finde mich aber wenig später erneut am Boden zerstört. Tja, dieser Kreislauf wiederholt sich jetzt permanent.
Mein Therapeut sagt, ich müsse Geduld haben, der Körper braucht Zeit, sich zu regenerieren. Er gibt mir dadurch unheimlich Kraft, aber es fällt mir auch schwer, einfach immer wieder nur zu hoffen, dass es bald wieder besser wird.
Mein aktueller Stand sieht so aus, dass ich mit 50mg Amitriptylin verhältnismäßig gut zurechtkomme, es aber nicht wirklich vorwärts, zumindest aber auch nicht rückwärts geht. Ich probiere ab heute, die Dosis auf 25mg zu verringern...mal sehen, wie es wird.
Danke, falls du bis hier hin gelesen hast! Es ist leider ein bisschen viel geworden, aber es musste einfach alles mal raus.
Vielleicht gehts ja jemandem ähnlich, ich bin für jeden Kommentar dankbar!
Mfg dead-end