Hallo,
ich bin ganz neu hier, ich habe dieses Forum online gefunden und glaube es ist der richtige Ort um meine Geschichte zu teilen. Vielleicht hilft sie anderen. Vielleicht hilft es auch mir. Ich möchte mir das so gerne endlich mal von der Seele schreiben.
Kurz vorweg, ich bin jetzt 35 und hatte mit Drogenproblemen und Süchten in meinem Leben bisher noch nie etwas zu tun, aber ich trinke gerne`mal etwas und ich habe auch schon an Joints gezogen, es reizt mich aber persönlich überhaupt nicht, ich habe es aber auch nie als Problem angesehen.
Jetzt bin ich mit einem Partner zusammen dessen Leben sich ums Gras dreht, ein Fakt den ich zu spät erkannt habe. Das wäre unter normalen Umständen nicht so dramatisch, ich denke ich würde mich einfach trennen. Die komplexe Situation ist, dass wir eine einjährige Tochter haben. Und ich zwei Kinder aus einer vorherigen dramatisch gescheiterten Beziehung mit in die Beziehung gebracht habe.
Wir haben uns vor etwas mehr als drei Jahren kennengelernt. Ich war damals in einer enorm schwierigen Situation. Alleinerziehend mit zwei Kindern, schmerzhafte Trennung, Geldprobleme. Und dann kam er, und die Beziehung war anfangs einfach wundervoll. Er war lieb, witzig, klug - scheinbar war sein IQ in Jugendzeiten irgendwo bei 145, und ein guter Job. Und wir waren beide furchtbar verliebt ineinander.
Ich wusste auch von Anfang an dass er kifft. Aber wie das so ist die ersten Monate, die rosarote Brille macht, dass man solche unwichtigen Details nicht wahrnimmt. Und er hatte sein Leben nach außen hin ja auch bestens im Griff. Die Details die ich damals nicht beachtet habe werden mir erst jetzt bewusst. Damals hat er noch viel mehr gekifft als heute. Was mir jetzt klar wird ist, dass ich damals gar nicht gemerkt habe dass er quasi immer bekifft war. Ich wusste nicht, dass er bekifft ist weil er es immer war. Und mir ist auch nicht aufgefallen, dass der ruhige ausgeglichene Charakter den ich an ihm wirklich mochte nicht sein Charakter war, sondern sein bekifftes Ich. Jetzt sehe ich wie er sich verwandelt wenn er kifft. Es macht ihn eigentlich zu einem netteren Menschen. Und in seinem speziellen Fall würde ich fast sagen zu einem "normalen" Menschen. Sein wahres Ich ist nämlich ziemlich überdreht, und ständig auf 180. Deswegen merkt man auch anfangs nicht, dass er bekifft ist, weil er einfach nur endlich das Tempo eines Normalmenschen annimmt. Aber was irgendwann auch klar wird ist, dass er zwar zuhört, aber nicht reagiert. Dass er Fragen stellt, aber die Antwort nicht aufnimmt. Dass er lauter Ideen hat in diesen Momenten, aber nie etwas davon umsetzt, bzw. ich die Ausführung übernommen habe. Erst später wurde mir klar, dass er aus eigenem Antrieb eigentlich nie etwas gemacht hat. Außer arbeiten, was er gerne tut, und manchmal ausgehen, aber nur dorthin wo er weiter kiffen konnte unauffällig.
Nach etwa einem halben Jahr haben wir seine Eltern besucht. Dorthin nimmt er nie etwas mit. Das ist auch sein stichfester Beweis dafür, dass er nicht abhängig ist, weil er ja aufhören kann. Und dort bei seinen Eltern, zum ersten mal nicht bekifft, war er so anstrengend. Danach habe ich ernsthaft überlegt die Beziehung zu überdenken, aber zwei Wochen später habe ich festgestellt, dass ich schwanger bin. Das wäre jetzt eine zu lange Geschichte. Kurz gesagt, diese Schwangerschaft habe ich verloren, woraufhin ich Depressionen bekommen habe, unvorsichtig war, und wieder schwanger geworden bin nach einem halben Jahr. In dieser Zeit habe ich nicht viel nachgedacht. Ich war in meinem eigenen Unglück verloren, und wollte dieses Kind wiederhaben. Also war es nicht wirklich geplant, aber auch nicht verhindert.
Und dann ging das Drama los. Die ersten Monate ist mir immer sehr übel, und ich konnte das jetzt dreimal an mir selber beobachten, man verändert sich als Frau. Prioritäten verändern sich, die Wahrnehmung verändert sich. Und Dinge die einen vorher nicht gestört haben werden plötzlich bedrohlich oder unerträglich. So ging es mir mit seinem Rauchen, Alkohol und dem Kiffen. Es ging um den Geruch von dem mir kotzübel wurde, aber auch um den Rausch an sich. Ich fand es nicht gut, wenn er nicht er selbst war, ich wollte einfach nicht, dass er unter irgendeinem Einfluss war wenn er mit mir im Bett lag, und mit unserem Kind. Und natürlich spielte da auch mit rein, dass in naher Zukunft auch ein zerbrechlicher Säugling zwischen uns liegen würde. Während die meisten Menschen, vor allem Eltern und werdende Eltern, diesen Gedankengang glaube ich total nachvollziehbar finden würden, ist er vor Wut an die Decke gegangen. Er hat sich geweigert. Er hat sich abends manchmal geduscht bevor er ins Bett kam, er hat aber weiterhin gekifft, Bier getrunken und geraucht. Ich glaube ich muss nicht erklären wie sehr mich das getroffen hat. Es ist wie ein Blitz eingeschlagen. Ich dachte alles wäre gut, wir wären glücklich und würden das mit der Familie schaffen. Ich habe überhaupt nicht daran gedacht, dass es irgendein Problem gibt. Er hat immer behauptet nicht süchtig zu sein, und dass er das nur macht weil es ihm Spaß macht. Und ich bin selbstverständlich davon ausgegangen, dass so wie ich aufhöre Fahrrad zu fahren wenn ich schwanger werde, oder rohen Lachs zu essen, würde er aufhören Drogen zu nehmen. Tja, so naiv kann man sein. Die gesamte Schwangerschaft und Stillzeit war eine einzige Tortur. Ich kann gar nicht zählen, wie viele Nächte ich am anderen Ende des Bettes gelegen habe und mich in den Schlaf geweint. In seiner Nähe wollte ich nicht sein, er hat gestunken, und war aus meiner Perspektive nicht zurechnungsfähig. Aus seiner Perspektive war ich die irrationalste Person unter der Sonne. Das ist leider ein Thema das man nicht mit Freunden diskutieren kann um Meinungen zu bekommen, ich konnte mein Leiden kaum teilen. Das ist wie ich gelernt habe Teil einer Co-Abhängigkeit. Ich hätte nie jemandem erzählt, dass er Drogen nimmt. Es hätte ihn ja in Probleme bringen können.
Er hat mir auch regelmäßig nach riesigen Szenen und Diskussionen über Trennungen versprochen aufzuhören. Und dann hat er auch einige Zeit aufgehört, zumindest mit dem Kiffen. Aber er hat jedes Mal wieder heimlich angefangen. Manchmal schon am gleichen Abend nachdem der Streit beigelegt wurde, bin ich aufgewacht und er saß kiffend auf der Terrasse vor meiner Schlafzimmertür. Es war ein ewiger Kreislauf aus Versprechungen und Enttäuschungen. Es tut jedes Mal verdammt weh, wenn man merkt nicht an erster Stelle zu stehen. Man kann es als Sturheit interpretieren, aber ich glaube eher es sind wirklich seine Prioritäten, bei all unseren Diskussionen, und Kompromissen, hat er sich nie für mich entschieden. Als ich gesagt habe ich möchte nicht mehr neben ihm in einem Bett schlafen, wenn er gekifft hat war seine einzige Lösung die er anbieten konnte, dass er dann in einem anderen Bett schläft. Und er schläft seit über einem halben Jahr nicht mehr in meinem Bett, weil wir keine andere Lösung finden konnten.
Wir sind immer noch zusammen, unsere Tochter ist 1 Jahr und 4 Monate. Ich stille nicht mehr und trinke selber gerne abends mein Bier. Und ich denke wir hatten beide die Hoffnung nur bis nach der Stillzeit durchhalten zu müssen, dann wäre ich entspannter, alles würde werden wie vorher. Dem ist aber nicht so. Ich glaube es war ein Trugschluss zu glauben unsere Probleme wären durch die Schwangerschaft gekommen. Das hat es eventuell beschleunigt, wir hätten aber auch ohne ein Kind Probleme bekommen. Das klingt selbst für mich alles verrückt wenn ich es schreibe, aber er ist abgesehen davon ein wirklich toller Mann. Und ein toller Vater. Er liebt seine Tochter, er kümmert sich um meine Kinder mit, er liebt mich. Er macht viel zuhause. Es müsste eigentlich alles gut sein, aber dieses Thema steht immer zwischen uns.
Was ist die Lösung?
- Ich möchte mich momentan nicht trennen. Ich habe es mir oft überlegt, aber ich habe das schon einmal mit Kindern durch und möchte es nicht noch einmal erleben.
- Kann ich ihn dazu bringen aufzuhören? Ganz klares nein (sagt auch die Suchtberaterin), aus seiner Sicht ist das Gras für ihn nur eine Lösung, kein Problem. Er wird es nie aufgeben wollen, und er wird sich auch nicht in Therapie begeben, was der einzig mögliche Weg wäre es zu beenden.
- Kommunizieren was mich stört. Tja was stört mich. Das Suchtverhalten, die Unzuverlässigkeit, das fehlende Vertrauen, dass er abends nie er selbst ist, und sonst eventuell auch nicht. Wer ist er eigentlich? Wenn ich das kommuniziere geht er an die Decke. Einem Suchtkranken sollte man nie versuchen den Stoff wegzunehmen. Wir haben viel geredet, diskutiert, gestritten. Und mehrfach fast oder kurzzeitig getrennt. Es hat es nie besser gemacht.
- Es akzeptieren. Ganz ehrlich, keine Ahnung wie das geht, ich versuche es wirklich
- Unsere jetzige Lösung: Er lässt es tagsüber so lange die Kinder wach sind. Und jeder macht ab 21 Uhr sein eigenes Ding.
Diese Lösung ist manchmal machbar, ich mache auch gerne mein eigenes Ding. Und oft einfach nur traurig. Dazu kommt,
dass er tagsüber wenn er nicht kifft, unter normalen Arbeitsbedingungen
furchtbar angespannt und gereizt ist. Immer. Es ist als hätte er nie gelernt
mit seinem Stress umzugehen, die einzige Lösung die er kennt ist Drogen nehmen.
Andere Mechanismen scheint er nicht zu haben.
Also ist das jetzt eine gute
Lösung? Ich habe echt keine Ahnung. Gibt es überhaupt andere Lösungen?
Insgesamt finde ich das alles nur
traurig. Es scheint so unnötig. Und ich fühle mich ohnmächtig nichts tun zu
können um die Situation ernsthaft zu verbessern.
Danke fürs Zuhören!