Hallo,
vielen Dank für die Antworten und ja, Helga, ich denke, Du schilderst das perfekt, genau so erlebe ich das auch - die Käseglocke, unter der sich die Leute halb freiwillig, halb gezwungenermaßen, anpassen und Regeln einhalten müssen. Das schildern ja auch diejenigen so, die eine solche Therapie durchlaufen haben. Was Du beschrieben hast mit Haushaltsführung, sich pflegen, erste Schritte, sich in Tagesstruktur und Arbeit einzufügen - gleiche Themen hat er auch. Und wenn das alles einigermaßen läuft, gewöhnt man sich als Angehörige/r natürlich auch an die nun kräftig verbesserte Situation und die neue Zuverlässigkeit und kann dann umso härter aufschlagen, wenn ein Rückfall kommt, genau wie Du es schilderst, das macht auch mir Angst. Man muss da mit ihnen eine Gratwanderung vollziehen - vertrauen dass es gut geht einerseits und sich des Risikos bewusst sein andererseits, ohne sich dauernd zu sorgen, was nicht einfach ist.
Vielleicht ist das wirklich der einzige Weg, nur auf sich zu gucken. Wir haben allerdings viel Kontakt, sodass meine Gedanken auch oft bei ihm sind. Vielleicht wäre Dein Weg, ihn erstmal sozusagen alleine und eigenverantwortlich Therapie zu "schicken"- wie Du es dieses Mal glaube ich getan hast, das habe ich doch richtig verstanden? - der bessere auch für mich gewesen. Ich war vor Monaten auch drauf und dran, das so zu machen, hab's dann aber nicht fertiggebracht. Weißt Du denn oder willst Du noch wissen, wie es Deinem Exfreund geht? Habt Ihr überhaupt noch Kontakt? Mich hat Deine Geschichte sehr angesprochen, weil mir so viele Situationen bekannt vorkamen...
Bei meinem Freund, der deutlich mehr Drogen-Jahre als Deiner hinter sich haben dürfte, bin ich mir allerdings nicht sicher, ob er dann nicht kurz vor knapp noch aufgegeben und alles abgebrochen hätte, einfach weil ihm die Motivation in seiner total verfahrenen Lage gefehlt hätte.
Modernere Therapieeinrichtung beziehen ja auch das Thema Rückfall bis zu gewissen Grad mit ein - so auch diese Klinik, in der er ist. Auch Franz hatte an anderer Stelle ja schon dazu was geschrieben, dass ein solcher vorkommen kann und es dann nicht immer damit enden muss, dass jemand wieder komplett wegbricht. Was mich halt interessiert: Wie konkret verfahren Ärzte und Therapeuten in so einem Fall? Es gibt ja so etwas wie ein Rückfall-Management.
Natürlich ist das aus Sicht eines Partners/Partnerin was anderes als aus der professionellen therapeutischen Sicht, weil man einfach persönlich involviert ist, und vielleicht sollte man das Feld dann komplett den Profis überlassen, wenn es dazu kommt. Umgekehrt: als Partner dem- oder derjenigen schon davor mit Beziehungsende drohen für den Fall, dass er rückfällig wird, - ich zweifle, ob das hilfreich ist, Rabert. Denke, mein Freund weiß auch so, dass das hier und jetzt die Chance ist, die er ergreifen muss und sollte. Ihm ist auch klar, dass ich mehrfach kurz vor der Trennung stand wegen seiner Problematik und dass noch immer hartes Stück Arbeit vor ihm liegt, wenn er es schaffen will.
Es geht mir auch nicht so sehr ums Verzeihen - ich sehe das so, dass viele Dinge, die bei uns schiefgelaufen sind, halt zumindest auch suchtbedingt so liefen. Ich will ihn da nicht von jeder Verantwortung freisprechen und die Sachen müssen auf jeden Fall aufgearbeitet werden. Aber wer da mitten drin steckt, hat nicht allzu viel Handlungsspielraum, oder sehe ich das zu nachgiebig, verteidigend und co-abhängig? Und ich sehe durchaus auch Fehler bei mir - ich war zu lange zu blauäugig und zu freigiebig und habe zu wenig hinterfragt, wofür er das Geld brauchte, das ich ihm gab. Hab mich stattdessen mit fadenscheinigen Erklärungen abspeisen lassen.
Trotzdem hätte er natürlich früher die Karten auf den Tisch legen müssen - aber wie das so ist, je tiefer man sich in die Scheiße reitet, desto schwerer ist es auch, wieder rauszukommen, weil die Hürde, die man übersteigen muss, immer höher wird. Letztlich hat er sich ja dann doch offenbart, weil es ihm schlecht ging und er wusste, dass das Kartenhaus aus Lügen irgendwann zusammenfallen wird.
Helga, Du sprachst als wichtige Voraussetzungen Umfeld- und Freundeskreis-Wechsel an - das hat er verstanden und sieht er auch so. In seinem alten Umfeld sitzt ihm seine Problematik praktisch direkt im Nacken. Da er schon in fortgeschrittenem Alter ist und weder Job noch Geld hat, wird es schwer - aber ihm ist klar, dass es nur so funktionieren wird, da rauszukommen, wenn überhaupt. Die Therapeuten dringen auch massiv darauf, was sicher richtig ist. Ob er es letztlich tatsächlich umsetzt, muss ich abwarten. Wie lief das bei Deinem Ex? Ist er geblieben, wo er war? Hamburg war das? Ohje...
Finde klasse, wie konsequent Du Dich entschieden und gehandelt hast. Und Dein Leben lebst. Hoffe, Dir geht es gut damit und konntest auch innerlich Abstand gewinnen und blickst nicht mit zu viel Groll und Traurigkeit auf die Zeit zurück?
Liebe Grüße, RunningFree