Hallo Ihr Lieben,
ich habe hier schon sehr viele Beiträge gelesen und bin sehr dankbar für die Offenheit und die vielen Ratschläge von Euch.
Ich habe mich heute angemeldet, weil ich aktuell wieder mal im Entzug bin und es diesmal unbedingt schaffen muss. Ich fange am 1.2. einen neuen Job an. Es ist so etwas wie die letzte Chance. Mein Lebenslauf ist die Hölle. Ein Glück, dass die Firma mich genommen hat. Ich MUSS clean werden. Mein ganzes Leben steht auf der Kippe. Meine Frau hat sich von mir getrennt. Ich kann die Wohnung gerade noch so bezahlen.
Ich möchte hier eigene Erfahrungen teilen. Und ich würde mich sehr freuen, wenn Ihr noch den einen oder anderen Tipp für den erfolgreichen Entzug habt.
Ich habe vor 8 Jahren das erste Mal Tavor bekommen. Und dann Zolpidem. Und dann Tramadol. Und Tilidin. Und Alprazolam. Und Valium. Und seitdem geht mein Leben den Bach runter. Ich habe nie extrem viel genommen. Und immer wieder aufgehört. Eigentlich war im immer im Entzug, ohne dass ich es wusste. Ich wollte die Medikamente nicht regelmäßig nehmen.
Wegen der Schmerzen, die ich dann (im Entzug) bekommen habe, war ich bei dutzenden Ärzten (incl. 2 Wochen Krankenhaus und 4 Monate Schmerzklinik). Das Spektrum der Diagnosen reichte von Polyneuropathie über Bandscheibenvorfällen bis zu Rheuma und verschleppte Borreliose oder Burn-Out. Es ist der totale Wahnsinn. Du hast eigentlich „nur“ Entzugsschmerzen und KEIN Arzt checkt es.
Wenn ich das so lese, wird mir ganz schlecht. Ich habe einfach versucht, zu überleben. Irgendwie zu funktionieren. Alkohol habe ich natürlich auch getrunken.
Seit EINEM Jahr bin ich in der ambulanten Suchttherapie. Das kann ich jedem nur empfehlen. Wie gesagt, ich habe keine riesen Mengen genommen. Max. 1 mg Tavor. 1 mg Alprazolam. 4 mg Diazepam. 200mg Tramal. Und die Ärzte in der Suchtambulanz sind ganz anderes gewohnt. Aber ich bin abhängig. Werde es immer sein. Und gerade versucht im x-ten Anlauf, ohne die Medikamente zu leben.
Ich habe 5 oder 6 Entzüge hinter mir und war im September und im November zwei Mal auf Null bei allen Substanzen. Das cleane Gefühl war wunderschön. Und keinerlei Schmerzen. Aber ich bin jedes Mal wieder rückfällig geworden. Weil ich gedacht habe, dass ich ohne nicht funktioniere. Weil ich immer wieder Zolpidem und Tavor genommen habe, weil ich nicht schlafen konnte.
Seit einem Jahr führe ich eine tägliche Excel-Tabelle über alles, was ich genommen habe. Das war im Rückblick extrem wichtig. Die Ehrlichkeit vor mir selber. Und der Überblick. Und das Verständnis, warum mancher Entzug gar nicht funktioniert hat.
Ich versuche es gerade wieder. Ich habe begriffen, dass ich niemals mehr eine Tablette oder einen Tropfen nehmen darf. KEINE EINZIGE TABLETTE. KEINEN EINZIGEN TROPFEN TRAMADOL.
Aber ohne Medikamente schaffe ich es nicht.
Ich bekomme aktuell gegen das Ziehen in den Beinen Lyrica und nehme 3x25mg. Das hilft super. Und Novalgin. Hilft auch sehr gut.
Ich bekomme zum Schlafen Quetiapin. Erst 25mg, dann 50 mg. Ich kann fast immer schlafen. Sollte ich mal nicht schlafen können, nehme ich Melatonin und ein Antihistaminikum (Sedotussin oder Dorm oder Schlafsterne). Dazu trinke ich 2-3 Bier. (Oh mein Gott, wenn ich das lese.)
Seit 25.12. (= 1 Woche) nehme ich keine Benzos mehr. Und habe auch kein Verlangen danach. Ich habe ewig mit mir gerungen, ob ich die Benzos wegwerfen soll. Sie sind (nach vielen Anläufen) alle im Mülleimer gelandet und die Müllabfuhr war schon da.
Tramal habe ich runterdosiert. Nicht nach der 10%-Methode, sondern etwas schneller. Ich habe max. 3mg Tropfen genommen, mich dann beim Entzug für zwei Wochen auf 1mg eingependelt (mal durchschnaufen) und dann täglich 5% weniger.
Seit 3 Tagen bin ich auf Null. Es ist sehr ekelig. Die Schmerzen sind schlimm. Aber vor allem quält mich eine schreckliche Depression mit Suizidgedanken. Das kenne ich so von mir überhaupt nicht, habe ich aber bei allen Tramadol-Entzügen immer wieder erlebt. Ich bin auf NULL und plopp „— unsagbare Traurigkeit, ich halte es einfach nicht aus, heftigste Weinkrämpfe, warum nicht Selbstmord? –". Dagegen hilft mir seit gestern Opipramol, das ich noch entdeckt habe. Habe heute 75mg genommen.
So, lange Vorrede, ich fasse es noch mal zusammen: Als Entzugssymptome habe ich
- Schlaflosigkeit – dagegen hilft Quetiapin
- Ziehen in den Beinen – Lyrica
- Depression mit Suidzidgedanken – Opipramol
- Erschöpfung
- Angst vor der Zukunft
Früher habe ich zum Schlafen Zolpidem bekommen. Das macht einen zum Zombie. Genauso wie die Benzos. Plötzliches Weinen. Aggressionen. Super viel Energie und dann totale Erschöpfung. Du bist nicht mehr Du selber. --- Kein Wunder, dass mich meine Frau verlassen hat.
Diesmal werde ich es schaffen. Meine Frage an Euch:
- Glaubt Ihr, ich kann ab 1.2. wieder arbeiten (anspruchsvoller Bürojob).
- Mache ich einen Fehler, die Entzugssymptome mit Medikamenten zu bekämpfen?
- Gibt es sonst noch Tipps? (außer Badewanne, Spazierengehen und Netflix).
Ich brauche bitte auch so etwas wie ehrlichen Zuspruch. "Das wird." - "Noch x Tage, und dann bist Du wieder klar im Kopf. " - "Dann kommt die Energie wieder." - "Du schaffst das mit dem Job."
Oder das gegenteilige Feedback. "Nach 8 Jahren Abhängigkeit brauchst Du ein Jahr, um wieder der Alte zu werden." Oder was weiß ich.
Eins habe ich in den 8 Jahren gelernt: 19 von 20 Ärzten (auch in der Suchtberatung) können mir nicht weiterhelfen. Ich würde mich sehr über Deine Antwort freuen.
Liebe Grüße, wirklich ganz liebe Grüße aus tiefstem Herzen.
Jens