Guten Abend,
ich bin neue hier...Ich suche dringend nach Antworten, Unterstützung, einen Platz um meine Geschichte zu teilen...
Wer hat wirklich Lust ellenlange Nachrichten zu lesen? Sich die Probleme anderer anzutun?
Ich
Ich bin 31 Jahre alt und eine kleine Schwester.
Mein großer Bruder, hier D. genannt, experimentiert schon die Hälfte seines Lebens mit Drogen umher... zunächst in der Pubertät. Wir haben immer großes Vertrauen gehabt zu unserer Mutter und so wurde auch immer alles offen kommuniziert. Meine Mutter wusste also von den Joints. Niemand hätte sich wegen der paar "Tüten" Sorgen gemacht. In seiner Ausbildung "Krankenpfleger" ist er mit Kurskameraden zusammengezogen. Der Kontakt wurde weniger, er wollte nichts mehr mit seiner kleinen Schwester zu tun haben.Er hat ein Mädchen kennen gelernt, L... Ihr verdanke ich wohl die jetzige Misere!
D. hat sein Examen gerade so bestanden, danach ging er an eine gute Klinik und machte direkt eine Fachweiterbildung zum Anästhesie-und Intensivpfleger, das schloss er mit Bravur ab. Vor 10 Jahren dann rief L. mich an, meine Mutter hatte Spätdienst (auch Krankenschwester) und berichtete mir, D. hatte einen Unfall und er wäre auf der Intensivstation, man hätte ihm 5mg Morphin gespritzt um seinen Krampfanfall zu lösen... Ich habe mich sofort auf den Weg gemacht. Zu dem Zeitpunkt hatte ich noch keinen Führerschein, es hat mich also etwas Zeit gekostet. Bis ich dann schließlich an der Klinik angekommen war, rief meine Mutter mich an und erklärte mir das D. sich bereits entlassen habe.
Wow... Ich war wütend...Mehr als wütend. Danach hatten wir nur Kontakt über die sonntäglichen Mittagessentreffen bei unserer Oma. Manchmal sind wir zusammen feiern gegangen, über den Durst haben wir schon immer gerne getrunken. Wobei mein Bruder nie viel vertragen hat.
Ab 2010 habe ich mich mehr um mich selbst gekümmert. Mein Leben nahm keinen guten Lauf, nahm es nie...Ich bin von zu Hause weg, musste mich selbst finden. D. war mental immer bei mir. Irgendwann in dieser Zeit muss wohl mit L. Schluss gewesen sein. Warum? Keine Ahnung... Ich war zu sehr mit mir selbst beschäftigt. Manchmal kam D. mich auf meiner Reise besuchen. Bei seinen Besuchen habe ich oft bemerkt das er Drogen nimmt, mir aber nie Gedanken deshalb gemacht. Ich war auch nicht immer allem abgeneigt, hab "meine Erfahrungen" gemacht.
2012 bin ich vollends nach Schleswig-Holstein gezogen, meine Familie wohnt weiterhin in NRW. D. hat ein neues Mädchen kennen gelernt, N. Sie hatte vernarbte Arme, wie ich... War sehr zurückhaltend, freundlich, ängstlich... Anders!
Ich bekam in den nächsten Monaten immer wieder Anrufe meiner Mutter, die sich um D. sorgte. Ich war zu weit weg, konnte nichts dazu äußern. Sie sagte immer wieder er wäre weg, würde nächtelang weg sein, Drogen nehmen, seinen Rausch ausschlafen, irgendwo im Wald. Ich war wütend auf ihn, wütend das er unserer Mutter und N. das antat. Immer wieder war er vollgedröhnt, riskierte sein Leben.
2014 wurde ich von meinem damaligem Partner schwanger, N. wurde es 2 Monate später von meinem Bruder. Ich war noch wütender. Eine Frau schwängern, in dieser Zeit. In einer Zeit in der ich bei jedem Handyklingeln fürchtete meine Mutter würde mich über den Tot meinen Bruders informieren. Ein kurzes "C. dein Bruder ist tot. Wir haben ihn gefunden. Aber mach dir keine Sorgen, wir kommen klar." Unsere Mutter verharmlost die Dinger gerne... Alles halb so wild... Im Nachhinein habe ich so viel mehr erfahren, weil sie mich in meiner Schwangerschaft schonen wollte.
N. rief oft an, hatte Angst um D. Er war zugedröhnt fast vom Balkon gefallen, die Nachbarn haben die Polizei gerufen. Nachts lag er kotzend auf dem Küchenboden und drohte zu ersticken...
Nochmal zu meinem Bruder: Er ist mittlerweile 33 Jahre alt, hat immer sehr auf sich und sein Auftreten geachtet. Er drückt sich sehr gewählt aus, trägt immer Markenkleidung, arbeitet in Leitungspositionen, möchte sich von uns abheben...Wir, die "Nur" Pflegekräfte sind (Ja, ich auch). Dieser Mann liegt kotzend auf dem Küchenboden... Ich glaube sogar das sein Sohn da schon geboren war. Wir hatten die Hoffnung sein Sohn würde ihm einen Grund geben clean zu werden, eine Therapie zu machen... Eine Therapie hat er gemacht, wie er uns glauben lies auch erfolgreich.
2017 wurde mein Sohn 2 Jahre alt. D. kam zur Feier. Ich habe mich gefreut, wie eine kleine Schwester sich eben freuen kann, wenn ihr großer Bruder sie besucht. Wir haben 2 wundervolle Tage miteinander verbracht. Waren am Meer, haben Kuchen gebacken, gelacht... Auf dem Weg nach Hause wollte mein Bruder sich umbringen. Ich erfuhr später von ihm das er in seine alte Klinik einbrach und Unmengen an BTM stahl (keine Ahnung wie)die er sich injizierte, außerdem trank er mehrere Flaschen Wodka... Er schlief ein... war bewusstlos...wurde wieder wach! Er wollte nach Hause, fuhr mehrere Verkehrsinseln um, kam zu Hause an. Eine weiterer Entzug mit anschließender Langzeittherapie folgt.
Heutiger Stand... Mein Bruder ist Alkoholiker. Im letzten Jahr lag er im Krankenhaus mit dem Verdacht auf eine alkoholtoxische Hepatitis, ich fuhr sofort nach NRW, ein weiterer Entzug folgt... Immer wieder bekomme ich Anrufe meiner Mutter, er trinkt wieder.
D. war Ostern bei mir und den Kindern (Ich habe mittlerweile 2) , wir waren am Meer, er spielt und lacht mit meinen Kindern, ich rieche Alkohol.
Vor 4 Wochen ruft meine Mutter mich an, Nervenzusammenbruch, "Er möchte sich töten, dein Bruder möchte nicht mehr leben!" Ich lasse alles stehen und liegen, setze mich ins Auto. Ich rede mit ihm, er wird entzügig, ich rede weiter. Er erzählt mir von L., seiner Ex. Sie hat ihn verprügelt, immer wieder. Er hat getrunken, Oxy gespritzt, gekifft, nur damit er die Schmerzen nicht mehr spürt. Immer wieder wurde er unterdrückt und geschlagen....
Unsere Eltern sind geschieden, unser Vater wollte uns nicht. D. hat sich um mich gekümmert, auf mich aufgepasst. Mich gewaschen wenn ich ins Bett gemacht habe, mir Pflaster auf meine Schürfwunde gegeben... Mein Bruder ist der wichtigste Mensch in meinem Leben! Mein Bruder möchte sterben...!
Es ist Weihnachten. Ich fahre mit den Kindern nach NRW, mein Bruder lädt uns ein. Ich kann ihn nicht erreichen, stehe stundenlang im Kalten mit den Kindern (sie spielen auf dem Spielplatz). Meine Mutter kommt, stinksauer. "Ich hab einen Schlüssel, ich gehe da jetzt rein!" sagt sie... Ich gehe mit...
Als ich an der Wohnung ankomme schreit und weint meine Mutter im Flur, ich habe den Kleinen auf dem Arm, als ich ins Wohnzimmer schaue sehe ich meinen Großen (4 Jahre alt) auf dem Boden neben seinem Onkel liegen. D. weint, schwitzt, zittert... Ich beruhige meine Mutter, sag ihr sie solle mit den Kindern zu meiner Oma gehen, ich regel das hier. "Verbringe Zeit mit deinen Enkeln, lass mich bei ihm"
Mein Bruder sitzt, weint, "Hätte ich nicht getrunken, hätte ich mich umgebracht" Ich drücke ihn. Er zittert mehr. Ich möchte ihm was zu trinken holen, stehe im Flur. Er steht hinter mir...
D.: "Wieso könnt ihr mich nicht sterben lassen?"
Ich: "Weil sie deine Mama ist!"
D.:"Und du? Du weißt es doch! Wieso lässt du mich nicht einfach springen?" (Balkon)
Ich:" Und was macht sie dann mit mir??? Was macht Mama dann mit mir?"
Er drück mich, weint, drückt mich noch mehr... Da ist er... Mein großer Bruder!
Mein Bruder der mich vom Fenster aus anlachte und springen wollte, wir waren 5 und 7. Der Junge der mit 12 Jahren auf der Eisenbahnbrücke stand und in den Tod fliegen wollte. Mein großer Bruder, der für alle stark war und sich um alle gekümmert hat! Sich dabei immer hinten angestellt hat.
Ich besorge Wodka, er schämt sich, "Wenn es dich vom springen abhält kaufe ich dir alles was du willst". Er trinkt, dreht sich dabei weg, schämt sich. "Kannst du mir was vorlesen? Wir gehen in sein Bett, kuscheln uns aneinander, ich lese ihm vor, er schläft ein.
Die Leiterin seiner Selbsthilfegruppe löst mich ab. Ich muss zu meinen Kindern. 2 tage später musste ich nach Hause fahren.
Er trinkt weiter, möchte sterben.
Ich kann nicht mehr arbeiten gehen, fühle mich nicht fähig... Ich kämpfe selbst mit meinen Dämonen. Mache eine Ausbildung, habe 2 Kinder, einen Nebenjob, ein Haus, 2 Hunde, einen Ehemann... und meinen Bruder... 450 km von mir entfernt.
Meine Ausbildung ist bereits gefährdet. Aber er ist mein Bruder. Der wichtigste Mensch in meinem Leben.
Ich möchte nicht Co-abhängig sein, ich möchte ihm helfen. Ich möchte nicht das er stirbt. Nicht so.