Hallo Zusammen,
ich möchte die Anonymität des Internets nutzen und euch so meine Geschichte erzählen und euch um eure persönliche Meinung bzw. euren Rat bitten.
Ich bin um die 30 Jahre alt und bin abhängig von Kokain.
Begonnen haben die Probleme schon vor Jahren, als ich meine ersten Erfahrungen damit machte und mit der Zeit immer regelmäßiger konsumierte. Dass ich damals schon süchtig war, war mir nicht bewusst. Um euch jetzt viele Details zu ersparen, kürze ich das ganze ab - gegen Ende war ich frisch gebackener Vater und total am Abgrund: ich hatte 2 mal meinen Job verloren, war arbeitslos und hoch verschuldet und konsumierte teilweise bis zu 4 Gramm Kokain an einem Tag, was sich täglich wiederholte. Ich war abgemagert und hatte offene Wunden in meinem Gesicht, die ich mir wegen einer durch das Kokain verhorgerufenen Zwangsstörung selbst zufügte. Eines abends ist mein Lügengerüst in sich zusammengebrochen und meine Lebensgefährtin (die bis dato nichts davon wusste, aber vermutlich bereits ahnte) erfuhr alles. Sie entschied sich bei mir zu bleiben und das mit mir durchzustehen. Ich begab mich in Therapie bei einem Psychiater und bei einem Psychotherapeuten.
Von diesem Abend an konsumierte ich für 6 Monate keine Drogen.
Dann hatte ich meinen ersten Rückfall. Dann den zweiten, dritten und vierten.
Seit meinem ersten Rückfall sind 4 Monate vergangen, man kann sagen, dass ich ca. einmal pro Monat einen Rückfall habe.
Ich habe meinen Psychiater vor 2 Monaten gewechselt, der meine Medikation geändert hat. Ich nehme nun Antidepressiva und Medikamente, die meinem Suchtdruck entgegenwirken sollen. Seit der Umstellung auf die neuen Medikamente fühle ich mich eigentlich toll, bin energiegeladen und auch im Alltag motiviert. Genau dieser Aspekt, macht die Rückfälle für mich noch viel schwieriger zu verstehen.
Ich bin kurz davor meine Lebensgefährtin und meine Tochter zu verlieren - und ich fühle mich, als würde ich dem Ganzen machtlos entgegensteuern.
Fast jeden Tag fühle ich mich wirklich toll, doch ab und zu, kommen diese Gedanken in mir auf, denen ich absolut nichts entgegensetzen kann. Da hilft kein Medikament, kein Reden, kein umlenken der Gedanken - da möchte ich einfach eine Line Koks haben und blende alle mir bekannten und bewussten Konsequenzen dazu aus. Ich möchte dieses Zeug nicht nehmen, ich möchte clean sein, ich will weg davon, will mir über sowas keine Gedanken machen und schaffe das im Großen und Ganzen auch - bis dieser eine Moment kommt, für den ich mich in Grund und Boden schäme.
Meine Lebensgefährtin glaubt mittlerweile denke ich nicht mehr daran, dass ich davon weg komme, ich denke, sie sieht mich mittlerweile als Junkie - was mir wirklich weh tut. Optisch sieht man mir absolut nichts an, beruflich stehe ich mitten im Leben, hab einen top Job im Industriebereich, meine Schulden hat meine Familie beglichen. Eigentlich gibt es absolut nichts worüber ich mich beschweren könnte, ich bin in einer tollen Familie im Mittelstand groß geworden, habe eine gute Ausbildung und war auch beruflich immer erfolgreich (bis ich in die Sucht gerutscht bin). Meine Familie besitzt einige Immobilien, weshalb ich vermutlich der einzige in meinem Freundeskreis bin, der in absehbarer Zeit in einem großen Haus mit Garten leben wird.
Wie ihr vielleicht erkennen könnt, will ich euch sagen, dass es mir in meinem Leben eigentlich an nichts fehlt - deshalb verstehe ich das Ganze noch viel weniger.
Ich war wirklich auf einem tollen Weg, war 6 Monate clean, meine Lebensgefährtin konnte wieder Vertrauen zu mir aufbauen. Meine Tochter liebt mich und ich liebe sie noch viel mehr. Und trotzdem setze ich regelmäßig alles aufs Spiel, obwohl ich das absolut nicht tun will!
Sogar meine besten Freunde hatten am „Ende“ meiner Sucht gesagt, dass ich aussehe wie eine Leiche. Wenn ich drauf war, war ich schizophren und paranoid, isolierte mich immer mehr und wollte nur alleine und auf Koks sein. Ich hatte Selbstmordgedanken, ich wollte nicht mehr leben.
Ihr könnt euch nicht vorstellen wie stolz ich diese 6 Monate lang auf mich war, von Tag zu Tag mehr. Ich hatte das alles hinter mir gelassen und zwar radikal, von einen Tag auf den anderen. Wenn ich Fotos aus dieser Zeit sehe, zucke ich innerlich zusammen, ich möchte weinen und schäme mich, für das was ich war, so möchte ich nie wieder werden. Und doch hatte ich heute meinen vierten Rückfall.
Ich bin ratlos, ich weiß nicht mehr weiter. Ich habe in den kommenden Tagen wieder einen Termin bei meinem Psychiater vereinbart (den ich übrigens toll finde, dem ich alles erzählen kann und der Experte auf dem Gebiet ist). Außerdem möchte ich einen neuen Psychotherapeuten suchen, weil ich das Gefühl habe, meinem derzeitigen nicht komplett ehrlich gegenüber sein zu können bzw. in Gesprächen mit ihm, immer noch Scham verspüre, wenn ich über einen Rückfall berichte - was meiner Meinung nach nicht so sein sollte.
Zusammenfassend fehlt es mir in meinem Leben an nichts, ich habe eine großartige Familie, eine großartige Lebensgefährtin, eine großartige Tochter, einen großartigen Job und wirklich tolle Freunde. Und ich hab verdammt große Angst, das alles zu verlieren!
Und dennoch, hatte ich mittlerweile 4 Rückfälle.
Hat jemand von euch ähnliche Erfahrungen gemacht? Kann mir wer einen Tipp geben? Wie kann ich den nächsten Rückfall verhindern?
Ich bin für jede Antwort und jeden objektiven Input dankbar. Ich bin wirklich ratlos und verzweifelt. Sollte es noch jemanden so gehen oder ergangen sein, lasst mich wissen wie ihr es geschafft habt - das möchte ich nämlich unbedingt.