hallo zusammen,
ich bin seit Dezember letzten Jahres "heimlicher Mitleser" hier im Forum, und habe schon einige Threads hier im Forum gelesen, speziell jene in denen es vorrangig um die Substanzen geht, welche mir, bzw. mit welchen ich mir das Leben schwer mache - Tramadol und Codein. Ich habe mich mit der Sucht immer sehr allein gefühlt, da ich zum einen nicht viel soziale Kontakte habe, mit welchen ich mich hierrüber austauschen könnte, und zum anderen auch niemand aus meinem direkten Umfeld davon weiss. Als ich mal wieder am Punkt war einen kalten Entzug antreten zu müssen im Dezember, habe ich im Netz über den Entzug von Tramadol gesucht und bin dadurch hier im Forum gelandet. Zu lesen, dass man nicht alleine ist und auch andere Menschen ähnliche Probleme haben, hat mich irgendwie getröstet, bzw mich nicht mehr so unnormal erscheinen lassen.
Ganz kurz zu meinem "Werdegang" was die Sucht angeht: ich bin jetzt über 40, und ich habe in meiner Jugend schon Kontakt mit Tramadol gehabt, damals aber noch im extrem niedrigdosierten Bereich, sehr unregelmässig und auch zeitlich begrenzt. Von einer Sucht konnte man damals noch nicht sprechen. Was jedoch aus dieser Zeit blieb war ein gewisser Hang zu dieser opioiden Wirkung, eine gewisse Faszination möchte ich fast sagen, insofern dass ich mich zB immer gefreut hab, wenn ich bei einer Erkältung Codein Hustensaft verschrieben bekommen habe. In der Zeit, bis ich ca. 30 Jahre alt war, gab es aber ausser diesen seltenen Episoden mit Codein Hustensaft, eigentlich keinen Kontakt mit Opioiden Schmerzmitteln; von Sucht würde ich daher auch nicht sprechen in dieser Zeit, auch wenn immer wieder mal der Gedanke hochkam "Mensch jetzt mal wieder ein Fläschchen Hustensaft und 2,3 Tage auf dem Sofa liegen, das wäre was..." hatte ich nie einen wirklichen Drang, etwas zu nehmen, und schon gar keinen Druck.
Mit ca. 30 Jahren, retrospektiv betrachtet nicht zuletzt auch wegen starker Belastung im privaten sowie beruflichen Umfeld, habe ich langsam aber stetig mehr genommen. Angefangen hat es mit Kratom Pulver, und dann kam dieses Kratomextrakt, welches wie man heute weiss gar kein Kratom, sondern einen zum Tramadol verwandten Stoff enthalten hat, und damit hat sich innerhalb eines Jahres eine Sucht entwickelt. Über ein paar Umwege bin ich dann vor relativ genau 10 Jahren bei einer der Seiten im Netz gelandet, welche gegen horrende Gebühren eine Arztkonsultation und Rezeptverschreibung anbieten. Es folgten 2 Jahre Tramadolabhängigkeit (ca. 400mg täglich, selten mehr), danach hatte ich versucht mich mit Codein runterzudosieren - was auch geklappt hat bis auf 2x30 mg Codein am Tag. Leider hat mir in dieser Zeit wohl der Wille gefehlt, das Zeug ganz abzusetzen - und so hat sich wieder der Konsum eingeschlichen, auf einem Niveau von ca.180mg Codein am Tag. Dies ging so bis Ende 2019, bis ich wieder angefangen habe Tramadol zu nehmen - und dabei bin ich nun leider seit fast 2,5 Jahren.
Aber ich muss sagen, die letzten1,5 Jahre Tramadolabhängigkeit waren schlimmer als die letzten 10 Jahre davor, was sehr wahrscheinlich mit der Dosissteigerung einherging seit der Corona Pandemie. Zu Beginn der Pandemie, also vor genau 2 Jahren, haben mir 50ml Tramadol / 5000mg ca. 3 Wochen gereicht, was einen durchschn. Konsum von 250mg /Tag bedeutet hat. Ein Jahr später hat mir diesselbe Menge nicht mal mehr 10 Tage ausgereicht, und mittlerweile sind es gerade mal 5 Tage. Das ist schon erschreckend, zumal ich auch erst in den letzten ca. 15 Monaten erstmals wiederholt erlebt hab, was Entzüge bedeuten - von Ende 2020 bis zum heutigen Tag habe ich leider regelmässig ungeplante / unfreiwillige Entzüge durchlebt aufgrund meines nicht mehr kontrollierbaren Konsums. Manche dieser Entzüge, speziell die ersten, gehören mit zum schlimmsten was ich je erlebt habe. Schon allein das sollte eigentlich Anstoss und Antrieb genug sein etwas tiefgreifend zu verändern.. aber wie schon andere hier schrieben: sind ein paar Tage Abstinenz vergangen, redet man sich schnell ein dass es doch gar nicht so schlimm war, und man es ja eig. doch unter Kontrolle hat - nur um kurze Zeit wieder am Entzug zu verzweifeln. Im selbst belügen bin ich ein ganz Grosser.
Was mich auch nach Pausen von 10 Tagen und mehr immer wieder zum Konsum getrieben hat, war hauptsächlich das Problem mit dem Schlafen und der damit verbundenen eingeschränkten Leistungsfähigkeit bei der Arbeit. Ich hatte diese erschöpfte, aber nie erholte Gefühl durch den Schlafmangel einfach irgendwann nicht mehr ausgehalten und hab mir wieder etwas organisiert. Aber ich denke hier muss ich einfach durch, und mir immer wieder sagen dass es bald besser werden würde - wenn ich den meinem Körper die Chance gebe, sich davon zu entwöhnen.
Bei mir kommen zur Entzugsproblematik im Moment noch zwei weitere Faktoren hinzu die ich nicht verschweigen möchte - zum einen habe ich, zu meiner grossen Verwunderung, in mir den tiefen Wunsch nach einer Partnerin entdeckt, ich hatte schon sehr lange keine Beziehung mehr und Konsum passt hier auch irgendwie gar nicht dazu. Dies ist ein kleiner Motivator für mich, nun jetzt doch mal Dinge grundlegend anzugehen.
Der andere, eher akutere Faktor ist, dass ich durch die hohen Mengen (1000mg / Tag) Tramadol in jüngster Vergangenheit mehrere Krampfanfälle erlitten habe, mit Sturzverletzungen, Knochenbrüchen, Krankenhausaufenthalten und unzähligen Arztterminen hinter mir hab. Dass ich dennoch nicht vom Konsum lassen konnte erschreckt mich immer wieder, auch grad als ich diese Zeilen schreibe.
Mein aktueller Plan: die nächsten 48h muss ich ohne etwas auskommen, gestern 17:00 Uhr der letzte Konsum. Am Dienstag könnte ich u.U. ein weiteres Rezept erhalten für max. 50ml - was mir wie gesagt nur 5 Tage reichen würde, wenn ich so weitermache wie gehabt. Ich hoffe dass ich die nächsten 48h nicht die kompletten Entzugserscheinungen bekomme, und dann ab Dienstag mit 300 - 400mg weiterzumachen und dann schrittweise die Dosis zu senken. Ich denke ein kalter Entzug würde mich immer wieder an den Punkt bringen an dem ich was nehmen muss (bzw meine etwas nehmen zu müssen). Ich muss vielmehr an den Punkt kommen, an dem ich nur noch kleine Mengen nehme und diese dann leichter absetzen kann.
Soviel mal für den Moment, ich würde mich über ein paar Meinungen und nette Worte freuen. Und habe mir vorgenommen, hier meine nächste Zeit zu dokumentieren und hoffe, sehr viel positives schreiben zu können in den nächsten Wochen.
Danke an alle die hier unterwegs sind, und sich gegenseitig Rat geben!
rufy