Wie reagiert ihr?

  • Hallo zusammen,

    mein Freund ist Koks abhängig. Die damit verbundenen Achterbahnfahrten treffen mich hart und tief. Ganz unten angekommen fasst er immer wieder den Willen, aus der Achterbahn auszusteigen, jedoch verlässt ihn immer wieder der Mut und es geht weiter.

    Die ersten Tage steht er super durch, redet über Einweisung, geht zum Arzt, holt sich den Schein. Dann will er es aber doch selbst schaffen, Angst, Scham, Stolz, Herunterspielen. Also an einem Tag sieht er die Sucht ein, nach paar Tagen Abstinenz sagt er, er sei gar nicht süchtig, geht ja auch ohne, dann Kontaktabbruch, dann wieder melden im High...

    Wir reden nur an dem Tiefpunkt, nicht im High.

    Ich merke sofort, wenn er "drauf" ist.

    Nun meine Frage: wir geht ihr damit um? Ich schaffe es nicht, ihn darauf anzusprechen, ihm zu sagen, dass ich merke, dass er high ist. Wenn er wieder einmal merkt, dass er da raus muss, dann sage ich ihm, dass er es doch schon so oft alleine versucht hat, helfe ihm mit allem, rede ihm gut zu. Ich schaffe es aber nicht, wenn er "high" ist bzw. nach dem High, wenn er sich wieder meldet mit Ausreden, die keinen Sinn machen.

    Ich sage "mein Freund", weil ich ihn wirklich vom ganzen Herzen liebe, aber wir sind faktisch nicht zusammen, leben nicht zusammen, sehen uns nur sporadisch. Er möchte mich nicht in sein Leben reinziehen, will mich schützen etc. Und glaubt nicht, dass er mir etwas bieten könnte außer Kummer und Leid. Also, faktisch sind wir nicht zusammen, aber dennoch tief verbunden...

    Ich glaube an ihn, dass er es wirklich schaffen kann mit professioneller Hilfe. Aber die Achterbahn hört nicht auf...

    Habt ihr einen Tipp, wie ich ihn auch in den anderen Phasen, in denen er wieder drauf ist, beistehen kann? Ich traue mich nicht, ihn darauf hinzuweisen, er ist in den Phasen sehr sehr mimosenhaft, teilweise aggressiv, verletzend etc.

    Im Moment tue ich so als würde ich es nicht merken, das kann nicht richtig sein...

    Lieben Gruß an alle!

  • Hallo Bria,

    die ganze Situation hört sich sehr belastend an. Insbesondere weil du von einer tiefen Verbundenheit zu deinem Freund sprichst, möchtest du ihn so gut wie möglich unterstützen.

    Das Hin und Her zwischen Tiefpunkt und Hoch ist relativ typisch - gehört am Ende aber zum Veränderungsprozess dazu. Damit meine ich, dass es letztendlich positiv zu werten ist, dass er den Wunsch hat, etwas zu verändern.
    Im Großen und Ganzen machst du das alles richtig: Du suchst das Gespräch mit ihm, zeigst Empathie und Verständnis und bietest ihm Hilfe an. Du schreibst, dass evtl. Angst und Scham ihn hindern, Hilfe von Außen anzunehmen. Vielleicht wäre die digisucht.de - Plattform etwas für ihn? Dort kann er nach einer anonymen Registrierung online mit Fachpersonal in seiner Nähe Kontakt aufnehmen und kostenlose Beratung in Anspruch nehmen .

    Am Ende des Tages liegt es jedoch nicht in deiner Verantwortung bzw. in deinen Händen, ob er die Unterstützung annimmt oder etwas an seinem Verhalten ändert. Das kann manchmal eine schmerzhafte Erkenntnis sein, ist jedoch wichtig, um sich selbst zu schützen und seine eigenen Grenzen der Belastung zu wahren. Du kannst dir also überlegen, in wie weit du die Situation so noch tragbar findest und was du von ihm erwartest, damit du ihm weiter zur Seite stehen kannst. Manchmal kann das der Funke sein, der zumindest die extrinsische Motivation auslöst, Hilfe in Anspruch zu nehmen.

    Noch eine kurze Info zu mir: Ich gehöre zu einem Team professioneller Sozialarbeiter*innen, die aufsuchend im Netz unterwegs sind. Dabei versuchen wir User*innen unterstützend und beratend zur Seite zu stehen, im Besonderen zum Thema Sucht und Konsum. Unser Angebot ist selbstverständlich kostenfrei und anonym.

    Liebe Grüße
    Lena vom DigiStreet der Drogenhilfe Schwaben

  • Liebe Lena,

    vielen Dank für die liebe Antwort. Und dann sogar noch von einer Fachfrau, vielen Dank!

    Es ist so, dass ich die diversen Anläufe tatsächlich unbewusst schon mit verursacht hat. Bevor er sich mir öffnete, verging eine lange Zeit. Ich hatte meine Vorahnungen schon lange, hab ihn sogar direkt gefragt. Da war er noch nicht so weit... Er hat tiefe Depressionen, was hier Ursache, was Wirkung ist, weiß ich nicht... Ich weiß nur, dass es in Kombi mit Koks sehr gefährlich ist, er von Suizid redet. Ich habe ihm einfühlsam immer wieder erklärt, dass Depressionen behandelt werden können, dass es ihm besser gehen kann....

    Er sagte mir, ich hätte einiges in ihm losgetreten... Er hätte sich noch nie so normal bei jemanden gefühlt, und das glaube ich ihm auch...

    Als die Katze aus dem Sack war, konnte ich auch gezielter auf Kliniken und Ärzte hinweisen, die ich aus meiner beruflichen Tätigkeit kenne. Dies war vor 2;Wochen. Nach einem Tiefpunkt als er sich selbst als "verrückter Junkie" beschimpft hat. Er wollte es, aber musste selbst anrufen. Leider bestanden sie darauf, ich verstehe es ja... Er hat aber nicht angerufen...

    Letzte Woche sagte er dann, er sei ja gar nicht süchtig, hätte kein Verlangen, er schafft es alleine... Er braucht nur einen Psychologen die Depressionen, er denkt, dass sie ihn in eine Schublade stecken und nicht seine Depressionen behandeln... Habe ihm erklärt , dass dort auch und v.a. die Ursachen behandelt werden, aber wollte er nicht hören. Angst, pure Angst hat er. Er hat sich mit seinem Dealer gestritten und mit ihm gebrochen, was ich sehr besorgniserregend fand, wollte ihn nicht am HBF vom Boden kratzen, und am liebsten direkt in die Klinik fahren. Dennoch zeigte es seinen Willen, das Zeugs nicht mehr zu nehmen... Aber auch da habe ich kein Druck gemacht, sondern nur meine Sorgen geteilt...

    Naja, es ist so traurig, denn so dicht dran wie jetzt war er noch nie... Daher würde ich es gerne trotz Angst irgendwie schaffen, auch jetzt mit ihm zu reden, ihm zu sagen, dass er nicht so sauer auf sich selbst sein soll, wenn er es nicht geschafft hat. Ihm sagen, dass ich es weiß und dennoch nicht weggehen, wovor er auch Angst hat... Aber da habe ich große Angst. Denn momentan ist er wieder der Narzisst, der um sich schlägt, aggressiv, eingeschnappt bei Kleinigkeiten. So ist er nach Koks. Vielleicht tue ich ihm aber auch unrecht... Daher meine Frage, wie ich jetzt, in dieser Situation damit umgehe... Weiter totschweigen als wäre nichts gewesen? Das nächte Tief abwarten, das immer das letzte sein kann...?

    Angebote wird er im Moment auch nicht annehmen... Auch online nicht. Er leugnet es ja. Ihm wieder den Rücken mit lieben aber klaren Erklärungen kehren (habe ich getan, danach kam das Geständnis)? Ja, vielleicht... Aber da habe ich Angst, dass er es falsch aufnimmt und eher noch tiefer reinrutscht. Da er sich ja auch für mich wieder auf die Beine kommen wollte... Zwickmühle :smiling_face:

    An mich denken muss ich, auch an meine Tochter, das ist klar... Daher möchte ich mich deswegen auch nicht kaputt machen... Immerhin ist das ja auch genau das, was er nicht will... Er will mich damit gar nicht belasten... Aber es tut sehr weh, einem Menschen nicht helfen zu können, den man liebt. Gerade in dieser Situation, wo Hilfe zum Greifen nah war!


    Ist viel geworden, sorry! Vielleicht muss ich mir das auch einfach nur von der Seele reden... Ist ja leider nicht so alltagstauglich, leider... Ich werde mich um einen Termin für Angehörige in meiner Gegend bemühen.


    Liebe Grüße

    Bria

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